Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt in den ostdeutschen Bundesländern veröffentlichen Jahresstatistik 2009

Für das Jahr 2009 haben sieben Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in den östlichen Bundesländern und Berlin insgesamt 739 rechts-motivierte Gewaltdelikte mit 1.669 Betroffenen registriert. Das sind weniger als in den drei vorangegangenen Jahren, liegt aber deutlich über den Werten für die Jahre 2003 bis 2005.

Erfahrungsgemäß werden sich die endgültigen Zahlen für 2009 durch Nachmeldungen noch erhöhen. Der Rückgang rechter Gewalttaten ist erfreulich, bietet aber leider keinen Anlass zur Entwarnung. Schon mehrfach gab es in den zurückliegenden Jahren kurzfristige Rückgänge, nach denen die Anzahl rechter Gewaltdelikte wieder stieg.

Wie in den Vorjahren ereigneten sich im Jahr 2009 die meisten Angriffe in Sachsen (263). Es folgen Sachsen-Anhalt (111), Berlin (102), Brandenburg (101) sowie Thüringen (83) und Mecklenburg-Vorpommern (79). Insgesamt ist bei rechter Gewalt von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Sie ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass solche Gewalttaten den Betroffenen oftmals normal erscheinen und sie teilweise keine Anzeige stellen. In den Ländern Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sind die dort tätigen Beratungsstellen personell besonders schlecht ausgestattet – darum ist dort von einer nochmals höheren Dunkelziffer auszugehen.

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich – wie in den Jahren zuvor – um Körperverletzungen, die sich meist spontan im öffentlichen Raum ereigneten. Mindestens vier Menschen wurden in den Jahren 2009 und 2008 von Neonazis oder ihnen nahe stehenden Tätergruppen getötet:

Am 1. Juli 2009 wurde die aus Ägypten stammende 31-jährige Apothekerin Marwa El-Sherbini von einem Rassisten im Dresdner Landgericht erstochen. Am 16. August 2008 wurde in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) der 20-jährige angehende Kunststudent Rick L. von einem Neonazi erschlagen. In Dessau (Sachen-Anhalt) wurde der 50-jährige Hans-Joachim S., der auf einer Parkbank übernachten wollte, am 1. August 2008 von zwei Rechten misshandelt und mit äußerster Brutalität totgeschlagen. Bereits am 22. Juli 2008 wurde im brandenburgischen Templin der 55-jährige Bernd K. von zwei Neonazis ermordet.

2009 war in 222 Fällen Rassismus das hauptsächliche Tatmotiv der AngreiferInnen. In 150 Fällen richtete sich die Gewalt gegen politische GegnerInnen und in 286 Fällen gegen meist junge Menschen aus alternativen Milieus.

Weitere Informationen Dominique John
Telefon
0160 7967232
Statistisches Material

Tab. 1: Recherchierte rechte Angriffe in den
östlichen Bundesländern und Berlin in den Jahren
Jahren 2003-2009

Land2003200420052006200720082009
Berlin7373115176138164102
Brandenburg116136140140159110101
Mecklenburg-Vorpommern6458621037810379
Sachsen141146168248342354263
Sachsen-Anhalt78109171202184180111
Thüringen91483848678683
Gesamt563570694917968997739

Stand: 9. März 2010

Tab. 2: Recherchierte Fälle in den östlichen Bundesländern und Berlin nach vermuteter Tatmotivation in 2008 und 2009

Tatmotivation20082009
Rassismus296222
Antisemitismus1726
Homofeindlichkeit1514
Behindertenfeindlichkeit76
Gegen sozial Benachteiligte43
Gegen politische Gegner180150
Gegen Nicht-Rechte (meist Jugendliche)436286
Sonstige1917
Unklar2315
Gesamt997739

Stand: 9. März 2010

Tab. 3: Recherchierte Fälle in den östlichen Bundesländern und Berlin nach vermuteten Straftatbeständen in 2008 und 2009

Straftatbestände20082009
Sachbeschädigungen9467
massive Bedrohungen/Nötigungen/versuchte Körperverletzungen225172
Körperverletzungen573478
schwere Körperverletzungen/versuchte Tötungen485
Tötungen31
Brandstiftungen3410
Sonstige206
Gesamt997739

Stand: 9. März 2010

Die Beratungsstellen in den östlichen Bundesländern veröffentlichen seit 2003 ihre erhobenen Daten. Der Fokus liegt dabei auf Gewalttaten. Nicht gezählt werden Propagandadelikte. Die Zählweise aller beteiligten Beratungsstellen orientiert sich an den von der Polizei verwandten Kategorien der »politisch motivierten Kriminalität – rechts«. Differenzen zu polizeilichen Angaben ergeben sich zum einen durch unterschiedliche Einschätzungen des Tathintergrunds; zum anderen erfahren die Beratungsstellen auch von Fällen, die nicht angezeigt wurden. Außerdem erfassen die Beratungsstellen Nötigungen und Bedrohungen, wenn erhebliche Folgen für die Opfer zu verzeichnen sind. In den westlichen Bundesländern gibt es bisher kein entsprechendes unabhängiges Monitoring rechter Gewalttaten.

Weitere Informationen zu den einzelnen Ländern

ReachOut Berlin

Opferperspektive Brandenburg

Lobbi Mecklenburg-Vorpommern

Opferberatung RAA Sachsen

Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Sachsen-Anhalt

Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg

Ezra – Mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen

 

Aktuelles ,