Ohne die Unterstützung durch Dolmetscher_innen wäre die Arbeit der Opferperspektive nicht möglich, sind doch viele der von rassistischer Gewalt und Diskriminierung in Brandenburg betroffenen Menschen Migrant_innen, die erst seit kurzem hier sind und oft noch kein Deutsch sprechen. Einer dieser Dolmetscher_innen ist Lafi Khalil, der seit mehreren Jahren für die Opferperspektive Arabisch-Deutsch übersetzt. Für den Schattenbericht haben wir ihn zu seiner Arbeit für die Opferperspektive befragt.
Wie bist Du dazu gekommen für die Opferperspektive zu dolmetschen?
Ich arbeite schon länger als Dolmetscher und Sprachmittler, vor allem für Delegationen aus dem arabischen Raum. Vor einiger Zeit suchte eine Kollegin von Euch über die Freie Universität Berlin einen Dolmetscher. Da wurde ich weiterempfohlen. Ich habe ursprünglich Sozialwissenschaften studiert. Da Sprache meine Leidenschaft ist, habe ich dann noch Fortbildungskurse zum Übersetzen belegt, um als Dolmetscher arbeiten zu können. Ein Anstoß dafür war, dass ich öfter Dolmetscher gesehen habe, die ich nicht so gut fand. Da wurden diverse Fehler gemacht z.B. die eigene Meinung und die der übersetzten Personen vermischt. Das wollte ich besser machen.
Was ist das Schwerste beim Übersetzen?
Am schwersten ist es, Emotionen zu vermitteln. Umgangssprache ist auch nicht einfach, wenn man da wortwörtlich übersetzt, kommt da oft Unsinn raus. Aber das ist die Kunst der Übersetzung, das ist Technik. Emotionen zu übersetzen, ist am schwierigsten. Wie fühlt sich eine Person, wie hat sie sich gefühlt bei dem, was passiert ist, wie fühlt sie sich jetzt beim Erzählen, das adäquat zu vermitteln ist nicht leicht. Man muss ein gewisses Mitgefühl mitbringen, reines technisches Übersetzen reicht da nicht. Besonders wichtig ist das, wenn ich Gespräche für Psycholog_innen übersetze. Ohne eine Vermittlung der Emotionen können diese nur eingeschränkt mit ihren Patient_innen arbeiten.
Apropos Mitgefühl, Du übersetzt für die Opferperspektive Gespräche mit Betroffenen rechter Gewalt. Da geht es oft um psychisch sehr belastende Geschehnisse. Belastet Dich das, nimmst Du das mit nach Hause?
Komischerweise nicht so sehr. Klar, beschäftigt mich das, was ich da übersetze, aber ich nehme da eigentlich nichts mit nach Hause. Ich denke, dass liegt daran, dass ich weiß, dass da jemand ist, der diese Last trägt. Ich bin nur der Mittler, nicht der direkte Ansprechpartner der Betroffenen. Da seid Ihr von der Opferperspektive, die die Betroffenen betreuen. Das beruhigt mich, so muss ich die Probleme der Betroffenen nicht mit mir rumtragen.
Du hast Sozialwissenschaften studiert. Hilft Dir dieser Hintergrund bei Arbeit?
Mein sozialwissenschaftlicher Hintergrund und mein politikwissenschaftliches Wissen erleichtern mir meine Arbeit. Ich kann, wenn ich Sachen übersetze, nicht nur das Wort übertragen, sondern auch bestimmte soziale und gesellschaftliche Hintergründe dazu erklären.
Erlebst Du häufig Missverständnisse zwischen uns und den Klient_innen?
Ja, Missverständnisse gibt es immer. Jeder geht ja von seiner Perspektive aus. Was auf Deutsch total selbstverständlich klingt, muss es auf Arabisch noch lange nicht und umgekehrt. So kommt dann die Situation zustande, dass eine Person einen Satz sagt und ich übersetze sechs Sätze. Dann sagt die Person, das habe ich nicht gesagt. Das ist richtig, aber das ist die Erklärung dafür, was Du eigentlich gesagt hast. Ich denke, dass ist wichtig, um das Sicherheitsgefühl der Gesprächsteilnehmer zu erhöhen, damit beide Seiten das Gefühl haben, dass was ich gemeint habe, wird auch an die andere Seite weitergetragen.
Wir erleben oft, dass Dolmetscher für unsere Klient_innen mehr sind als bloße Übersetzer. Häufig wenden sich Klient_innen direkt an sie, auch mit Anliegen, die über den Beratungskontext der Opferperspektive hinausgehen. Geht Dir das auch so?
Das geht mir auch so. Zum Teil ist das zwangsläufig. Die Klient_innen können Euch ja nicht direkt anrufen und fragen, sondern sie müssen über mich gehen. Und dann passiert es natürlich auch, dass ich eine WhatsApp-Nachricht kriege mit der Bitte, ein bestimmtes Schreiben zu übersetzen, oder zu erklären, was man in dieser oder jener Situation tun soll. Eigentlich sollte ich als Übersetzer der nicht als eigener Akteur existente Dritte sein. Das ist die Idealform des Übersetzens. Aber das funktioniert nicht in dieser Situation, in der Menschen nicht nur ein konkretes Anliegen haben, sondern sich überhaupt erstmal in diese Gesellschaft hier hineinfinden müssen. Manchmal rufen mich auch Klient_innen an und wollen mit mir plaudern. Manchmal mache ich das auch, weil ich das Gefühl habe, das hilft ihnen. Aber ich versuche, das dann zu trennen und ihnen klar zu machen, das ist nicht Teil meiner Arbeit, sondern, das mache ich jetzt als Privatperson, weil ich Euch nett finde. Das verstehen die Leute dann auch.
Herzlichen Dank für das Interview und Deine Arbeit!
Interviews, Schattenberichte