Der Asia-Imbiss der Familie V. brannte vollständig nieder, der Anschlag auf den Döner-Imbiss von Herrn A. schlug fehl. Hier entstand nur geringer Sachschaden. Herr V. kam 1988 als Vertragsarbeiter in die DDR. Nach der Wende war Herr V. zunächst als Textilhändler auf Märkten unterwegs. Seit 1998 betreibt er zusammen mit seiner Frau den Imbiss und lebt mit ihr und seinen zwei kleinen Kindern im Neubaugebiet der Stadt. Sein niedergebrannter Imbisswagen stand vor einem Discount-Markt im Gewerbegebiet. Der Schaden belief sich auf rund 30.000 Euro. Der Imbiss der Familie V. war nicht versichert. Auf Grund des hohen Risikos war kein Unternehmen bereit gewesen, den Versicherungsschutz zu übernehmen. Durch den Brandanschlag war somit die Existenzgrundlage der Familie vollständig zerstört. In dieser Situation eröffnete die Stadtverwaltung ein Spendenkonto, um die Familie zu unterstützen. Der Leiter des städtischen Präventionsrates schaltete zudem den Weißen Ring ein, der zusammen mit der Opferperspektive die Betreuung der Opfer übernahm. Es war aber vor allem ein Freund der Familie, der sich in dieser Ausnahmesituation für die Familie V. engagierte. Er half beispielsweise bei der Beseitigung des Wracks, für das der Besitzer, auch wenn er Opfer einer Straftat wurde, zuständig ist, und unterstützte die Geschädigten bei den Verhandlungen über einen neuen Stellplatz. Ein ortsansässiger Unternehmer stellte Familie V. – wenn auch nicht ganz uneigennützig – einen gebrauchten Container gegen langfristige Ratenzahlungen zur Verfügung. Herr V. bewerkstelligte mit einem enormen Arbeitsaufwand den Ausbau des Containers, so dass der Imbiss schnell wieder eröffnet werden konnte. Für die Familie V. ist dank der Unterstützung und dem eigenen Engagement kein bleibender finanzieller Schaden entstanden.
Hakenkreuze und »Ausländer raus«
Die Folgen des Brandanschlags auf den Döner-Imbiss waren für den Betreiber Herrn A. weniger dramatisch. Allerdings war der Anschlag nur der Höhepunkt einer Kette von alltäglichen Beleidigungen, Bedrohungen und Übergriffen durch Rechtsextreme, über die der Kleinunternehmer, der bereits seit zehn Jahren in der Stadt lebt, zu berichten weiß. Immer wieder seien Aufkleber auf die Fenster geklebt, Hakenkreuze und die Worte »Ausländer raus« auf die Scheiben geschmiert worden. Sein Angestellter erzählt von weiteren Provokationen und einer gewalttätigen Auseinandersetzung, weil er mit einem Freund auf der Straße türkisch gesprochen hatte. Auch sei er auf der Straße schon einmal von Skinheads mit einem Messer bedroht worden. Doch trotz dieser Erfahrungen differenziert Herr A. im Gespräch: »Man kann nicht sagen, dass hier alle rechts sind.« Dass nach dem Anschlag auf seinen Imbiss viele Nachbarn und auch Vertreter der Stadt gekommen wären, um ihre Solidarität auszudrücken, ermutigte Herrn A.
An dem Herbstwochenende, an dem die Brandanschläge verübt wurden, ereigneten sich noch zwei weitere rechts motivierte Vorfälle: Zwei Jugendliche wurden von Rechten drangsaliert und attackiert. Von der Häufung und der Intensität der Vorfälle waren viele Bürger der Stadt schockiert, was zur Gründung einer Bürgerinitiative führte. Nicht zuletzt ihrer Initiative war es zu verdanken, dass nach anfänglichem Zögern der Leiter des Präventionsrates und der Vizebürgermeister eine gemeinsame Solidaritätserklärung mit den Opfern veröffentlichten. In der Erklärung wird der rechte Hintergrund der Straftaten eindeutig benannt, verbunden mit einem Aufruf an die Bevölkerung: »Wir fordern zur Unterstützung der Opfer auf und bitten die Bürger der Stadt, Unternehmen, Verbände und politische Parteien dazu beizutragen, dass ganz klar wird: Wir […] verabscheuen solche Taten und die Gesinnung, die dahinter steckt.« Zwei Wochen nach den Anschlägen fand eine Demonstration für Toleranz und gegen fremdenfeindliche Gewalt statt. 400 Teilnehmer zogen vom Marktplatz durch die Innenstadt. Der Vizebürgermeister, der Landtagspräsident und der Landrat sprachen auf der Kundgebung.
Hakenkreuze und »Ausländer raus
Die Staatsanwaltschaft ermittelte im ersten Fall wegen vollendeter schwerer Brandstiftung und im zweiten Fall wegen versuchter Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Mord, da der Imbiss von Herrn A. in einem für die Täter erkennbar bewohnten Haus untergebracht ist.
Bereits kurz nach der Tat konnten drei Männer und eine junge Frau im Alter zwischen 17 und 26 Jahren festgenommen werden, die beim Abfüllen von Benzin an einer Tankstelle gefilmt worden waren. Im Mai 2004 wurde der Prozess gegen die Angeklagten eröffnet. Es stellte sich heraus, dass die Täter sich vor den Anschlägen mit Skinhead-Musik aufgeputscht und anschließend die Taten mit »Sieg Heil«-Rufen gefeiert hatten. Zwei der Täter waren schon wegen anderer rechtsextremer Taten gerichtsbekannt. Ein Angeklagter hatte keine erkennbare Bindung ins rechte Milieu. Keiner der Geschädigten war beim Prozess durch eine Nebenklage vertreten. Die Besitzer des Asia-Imbisses konnten keine Nebenklage führen, obwohl durch den Anschlag ihre gesamte wirtschaftliche Existenz vernichtet worden war, denn Sachbeschädigungen sind nicht nebenklagefähig. Anders im Fall des Döner-Imbisses. Hier hätte der Besitzer wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes Nebenklage führen können, er verzichtete aber aus Kostengründen darauf. Im Mai 2004 wurde das Urteil verkündet. Der Anklagepunkt versuchter Mord wurde fallengelassen. Die höchste verhängte Strafe waren drei Jahre Haft ohne Bewährung, das niedrigste Strafmaß zwei Jahre Jugendstrafe auf drei Jahre Bewährung und 150 Arbeitsstunden. Prozessbeobachter zeigten sich erstaunt, dass das Gericht trotz des eindeutig rechtsextremen Hintergrundes der Tat und der Täter als Tatmotiv lediglich »latenten Ausländerhass« feststellte.
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