Recherchierte Gewalttaten
Im Jahr 2006 erlangten die Opferberatungsstellen in den neuen Bundesländern und Berlin Kenntnis von insgesamt 819 (2005: 694) rechtsmotivierten Gewalttaten. Dies waren 125 Angriffe mehr als im Vorjahr. Die meisten Fälle wurden in Sachsen (208, 2005: 168) gezählt, gefolgt von Sachsen-Anhalt (178, 2005: 171) und Berlin (155, 2005: 115). Von den in ihrer Intensität sehr unterschiedlichen Angriffen waren mindestens 1207 Personen betroffen. In nahezu 90 Prozent der Fälle handelte es sich um Körperverletzungsdelikte. In 321 Fällen richtete sich die Gewalt gegen junge Menschen aus linken und alternativen Milieus. 282 Mal war Rassismus die vermutete primäre Tatmotivation.
Von den zuständigen Beratungsstellen in Sachsen wurden überdurchschnittlich viele Fälle aus Leipzig und dem Leipziger Land gemeldet. In Sachsen-Anhalt bildete der Landkreis Quedlinburg ein Brennpunkt rechter Gewalt, wo vor allem junge Menschen aus dem alternativen Milieu zu Opfern von Schlägern aus dem Umfeld von Kameradschaften wurden. Den Anstieg in Berlin führt die dort tätige Beratungsstelle auf eine Zunahme von Angriffen in den Bezirken Friedrichshain, Lichtenberg und Prenzlauer Berg zurück. Außerdem habe die Anzahl rassistischer Angriffe deutlich zugenommen. Eine Zunahme der Zahl von Gewalttaten wurde auch in Mecklenburg-Vorpommern verzeichnet (103, 2005: 62). Das dort tätige Beratungsprojekt führt dies auf ein deutlich gestiegenes Selbstbewusstsein der rechten Szene im Kontext der Landtagswahlen vom September des letzten Jahres zurück. Ein leichter Rückgang der Fallzahlen wird aus Brandenburg gemeldet (127, 2005: 140), wobei die meisten Gewalttaten in der Landeshauptstadt und den südlichen Landkreisen verzeichnet wurden.
Es muss betont werden, dass die veröffentlichten Zahlen lediglich einen Trend abbilden. Generell ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Diese wird für Thüringen dadurch erhöht, dass die dort tätige Beratungsstelle durch eine geringere personelle Ausstattung nicht in allen Landkreisen mit der gleichen Intensität nach Opfern recherchieren und diese beraten kann.
Wie schon in den Jahren zuvor handelte es sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Fälle um spontane Taten, die im öffentlichen Raum stattfanden.
Beratungsfälle
Die Beratungsstellen betreuten im vergangenen Jahr insgesamt 1454 (2005: 1020) KlientInnen, darunter 1068 (2005: 794) Personen, die direkt zu Opfern rechtsextremer Gewalttaten geworden waren. Es handelte sich dabei um 881 Männer und 187 Frauen. Mindestens 394 der beratenen Personen waren Flüchtlinge, MigrantInnen und AussiedlerInnen. Zum überwiegenden Teil wurden diese Opfer aus rassistischen Motiven angegriffen. Bei 457 beratenen Personen handelte es sich um jugendliche Opfer, die sich mehrheitlich einem alternativen Milieu zugehörig fühlten. In 70 Prozent der Fälle erstreckte sich der Beratungs- und Begleitungsprozess über mehrere Monate.
Dominique John, Koordinator der CIVITAS-geförderten Opferberatungsstellen
Telefon: 0174 7125065
Statistisches Material
Tabellen 1 und 2: Recherchefälle
Tab. 1: Recherchierte rechtsextreme Angriffe in den
östlichen Bundesländern und Berlin in den Jahren
Jahren 2003 – 2006
Land | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 |
---|---|---|---|---|
Berlin | 73 | 73 | 115 | 155 |
Brandenburg | 116 | 136 | 140 | 127 |
Mecklenburg-Vorpommern | 64 | 58 | 62 | 103 |
Sachsen | 141 | 146 | 168 | 208 |
Sachsen-Anhalt | 78 | 109 | 171 | 178 |
Thüringen | 91 | 48 | 38 | 48 |
Gesamt | 563 | 570 | 694 | 819 |
Stärker noch als in den anderen Ländern dürfte in Thüringen die tatsächliche Anzahl rechtsmotivierter Gewalttaten höher liegen. Aufgrund fehlender Ressourcen kann seit 2004 nicht mehr im ganzen Land mit der gleichen Intensität recherchiert werden.
Tab. 2: Recherchierte Fälle in den östlichen Bundesländern und Berlin nach vermuteter Tatmotivation in 2005 und 2006
Tatmotivation | 2005 | 2006 |
---|---|---|
Rassismus | 210 | 282 |
Antisemitismus | 9 | 11 |
Homofeindlichkeit | 10 | 10 |
Behindertenfeindlichkeit | 6 | 7 |
Gegen linke Aktivisten | 73 | 112 |
Gegen sozial Benachteiligte | 0 | 4 |
Gegen nicht-Rechte (meist Jugendliche) | 328 | 321 |
Sonstige | 15 | 23 |
Unklar | 43 | 49 |
Gesamt | 694 | 819 |
Tabellen 3, 4 und 5: Beratungsfälle
Die Gesamtzahl der beratenen Opfer ist höher als die Gesamtzahl der von Gewalttaten betroffenen Personen, da bei der Gruppe der beratenen Opfer auch Personen mitgezählt werden, die in den Vorjahren angegriffen wurden und noch heute von den Beratungsstellen betreut werden.
Tab. 3: Beratene Opfer nach Opfergruppen in 2005 und 2006
Opfergruppe | 2005 | 2006 |
---|---|---|
Rassismusopfer | 331 | 394 |
Antisemitismusopfer | 6 | 6 |
Homophobieopfer | 4 | 4 |
Behinderte | 10 | 8 |
Linke Aktivisten | 71 | 120 |
Sozial Benachteiligte | 4 | 2 |
Nicht-Rechte | 316 | 457 |
Sonstige | 21 | 38 |
Unklar | 31 | 29 |
Gesamt | 794 | 1068 |
Tab. 4: Beratene Opfer nach Altersgruppen in 2005 und 2006
Altersgruppe | 2005 | 2006 |
---|---|---|
0 bis 13 | 10 | 23 |
14 bis 17 | 156 | 232 |
18 bis 26 | 362 | 475 |
27 bis 40 | 169 | 219 |
Über 41 | 74 | 92 |
Unbekannt | 22 | 26 |
Gesamt | 794 | 1068 |
Tab. 5: Beratene Opfer nach Geschlecht in 2005 und 2006
Geschlecht | 2005 | 2006 |
---|---|---|
Männer | 675 | 881 |
Frauen | 118 | 118 |
Gesamt | 794 | 1068 |
Quellen
Die Daten wurden von folgenden Beratungsstellen erfasst:
Berlin: Reach Out
Brandenburg: Opferperspektive
Mecklenburg-Vorpommern: Lobbi
Sachsen-Anhalt: Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt und Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt im Multikulturellen Zentrum in Dessau
Sachsen: AMAL und RAA Leipzig und Dresden
Thüringen: Thüringer Hilfsdienst für Opfer rechtsextremer Gewalt
(OPP)
links:
- AMAL Sachsen [Beratung für Opfer rechter Gewalt]
- Lobbi Mecklenburg-Vorpommern [Beratung für Opfer rechter Gewalt]
- Mobile Opferberatung Sachsen-Anhalt [Beratung für Opfer rechter Gewalt]
- Multikulturelles Zentrum Dessau [Opferberatungsstelle]
- Opferberatung der RAA Sachsen [Beratung für Opfer rechter Gewalt]
- Reach Out Berlin [Beratung für Opfer rechter Gewalt]
- Thüringer Hilfsdienst für Opfer rechter Gewalt [Beratung für Opfer rechter Gewalt]
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