Zossen: Führender Neonazi wegen Anstiftung zur Brandstiftung verurteilt

Prozess in Zossen: Bürgerinitiativen-Sprecher Jörg Wanke im Interview (Foto: Danny Frank)
Prozess in Zossen: Bürgerinitiativen-Sprecher Jörg Wanke im Interview (Foto: Danny Frank)

Am 23. Januar 2010 wurde ein Brandanschlag auf das »Haus der Demokratie« in Zossen verübt. Es brannte vollständig ab. Das Feuer zerstörte diverse Projekte, die Dauerausstellung »Jüdisches Leben in Zossen«, die Wanderausstellung »Residenzpflicht – Invisible Borders« und verschiedene Kunstskulpturen. Der Brandanschlag markierte den Höhepunkt einer Serie rechter Angriffe im Landkreis Teltow-Fläming, die sich in erster Linie gegen die Bürgerinitiative »Zossen zeigt Gesicht« richtete.

Am 24. November 2011 begann der auf drei Verhandlungstage angesetzte Gerichtsprozess gegen Daniel T. In vier Anklageschriften wurden dem Kopf der lokalen Neonaziszene 27 rechte Straftaten vorgeworfen: unter anderem Anstiftung zum Brandanschlag auf das »Haus der Demokratie«, Leugnung des Holocaust, Morddrohungen, Schändungen von Stolpersteinen, Aufrufen zu Hass und Gewalt sowie weitere Propagandadelikte und Sachbeschädigungen.

Wegen rechter Aktivitäten ist Zossen seit 2008 regelmäßig in den Schlagzeilen. Auch der Prozess stieß auf reges Medieninteresse, selbst aus dem Ausland reisten JournalistInnen an. Die Bürgerinitiative organisierte während des Prozesses Kundgebungen vor dem Gerichtsgebäude. Einer der Neonazis bedrohte noch vor dem Gerichtsgebäude einen der Journalisten.

Nazipropaganda im Gerichtssaal

Der Angeklagte Daniel T. gab sich im Gerichtsprozess selbstbewusst, provozierte die Staatsanwaltschaft und das Gericht. In seiner Vernehmung demonstrierte er eine stramme nationalsozialistische Gesinnung. Die Schändung von Stolpersteinen mit Hakenkreuzen tat er als Sachbeschädigung ab und meinte, die »die Deutschen« seien nur »zu feige, zu ihrer Identität zu stehen«. Die Anwesenheit von Gesinnungsgenossen im Zuschauerraum freute ihn dabei um so mehr.

Mit den zahlreichen Hakenkreuzschmierereien und Stolpersteinschändungen in der Region um Zossen und Königs Wusterhausen wollte er »Medienpräsenz« erreichen, damit »die Leute auf uns aufmerksam werden« und »endlich mal was machen«. Offen trug er seinen fanatischen Antisemitismus und Rassismus zur Schau. Diejenigen, die er als politische Gegner definiert, habe er mit Morddrohungen nur »einschüchtern« wollen, da er sie »nicht toleriere«.

Mit genauen Plänen instruiert

Am ersten Verhandlungstag berichtete der bereits verurteilte Brandstifter Daniel S., wie Daniel T. ihn zu der Tat angestiftet hatte. Eine psychiatrische Gutachterin sprach von einem Abhängigkeitsverhältnis des damals 16-Jährigen zu dem führenden Neonazi: Daniel S. habe Anerkennung bei Daniel T. und in der rechten Szene finden wollen.

Als politischen Feind habe Daniel T. die Bürgerinitiative »Zossen zeigt Gesicht« dargestellt, so der 16-Jährige vor Gericht. Auch habe der damals 24-Jährige davon gesprochen, eine von der Bürgerinitiative angekündigte Zeitzeugenveranstaltung zum Holocaustgedenktag müsse durch die Zerstörung des »Haus der Demokratie« verhindert werden. Er habe ihn mit genauen Plänen instruiert und die Details der Tat vorgegeben, das Busgeld für die Fahrt zur Brandstiftung gezahlt und ihm »viel Glück« gewünscht. Der Brandstifter war in einem eigenen Verfahren wegen mangelnder Reife einer Verurteilung entgangen, aber wegen seiner Gefährlichkeit in ein Jugendheim eingewiesen worden. Dort lebt er bis heute.

Belastende Zeugenaussagen

Der Angeklagte machte am zweiten Verhandlungstag eine Teileinlassung und gestand, Daniel. S. zum Anschlag auf das »Haus der Demokratie« angestiftet zu haben. Der Zeuge Christoph Sch., ebenfalls führendes Mitglied der ehemaligen lokalen Nazikameradschaft, versuchte seinen »Kameraden« anfänglich zu decken. Seine Falschaussage fiel aber im Zuge seiner Vernehmung in sich zusammen. Bereits in früheren Vernehmungen hatte er ausgesagt, Daniel T. hätte ihm gegenüber zugegeben, Daniel S. angestiftet zu haben. Dies wurde auch von seiner Freundin bestätigt. Ein anderer Zeuge berichtete, wie Daniel T. vor einem Supermarkt NPD-Material an Jugendliche verteilte. Auch der Vater von Daniel S. belastete den 25-Jährigen schwer. Er sei ein Mensch, der andere um den Finger wickeln könne. Sein Sohn hätte alles für Daniel T. getan.

Am Ende sah das Gericht als erwiesen an, dass Daniel T. nicht nur zu der Brandstiftung angestiftet hat, sondern auch für die Störung einer Holocaustgedenkveranstaltung am 27. Januar 2010 in Zossen, diverse Propagandadelikte, Volksverhetzung, Sachbeschädigungen und Morddrohungen verantwortlich ist. Daniel T. wurde zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Dabei bewertet das Gericht seine politische Gesinnung und seine Beweggründe als strafverschärfend.

Angstraum Zossen

Nach diesem Urteil können die Opfer des Neonazis und seiner Gefolgsleute aufatmen. Allen voran die gegen Rechtsextremismus engagierten BürgerInnen der Initiative »Zossen zeigt Gesicht«. Jahrelang waren sie massiv bedroht und immer wieder angegriffen worden.

Der Daniel T. gilt als Schlüsselfigur der 2011 verbotenen »Freien Kräfte Teltow-Fläming«, eine der gewaltbereitesten Gruppierungen im Land Brandenburg, die heute in anderen Strukturen weiter aktiv ist.

Die rechte Szene treibt in Zossen und Umgebung seit Jahren ihr Unwesen – mit einem Auftreten in der Öffentlichkeit, das an Selbstbewusstsein ständig zunahm. Aus ihrem Umfeld heraus wurden MigrantInnen angegriffen und politische Gegner mit dem Tod bedrohten. Daniel T. und seine Gesinnungsgenossen wurden beim Verteilen von Propaganda-CDs auf Schulhöfen beobachtet, beim Rekrutieren vor dem örtlichen Supermarkt, auf Spielplätzen oder anderen Treffpunkten, an denen sich Jugendliche aufhielten.

Über Jahre konnten die Neonazis ungehindert in der Öffentlichkeit auftreten – ohne große strafrechtliche Konsequenzen. Immer wieder berichteten uns Betroffene, wie allein gelassen sie sich vom Staat fühlten. Ihr alltägliches Umfeld wurde zum Angstraum. Hilflos musste sie mit ansehen, wie die Rechten mit jeder folgenlosen Straftat mehr Allmachtsgefühle entwickelten und mehr Zulauf unter Jugendlichen bekamen. »Es war eine schleichende Politisierung der Jugendlichen, gerade auch der Mädchen, zu beobachten. Das rechte Duo Christoph Sch. und Daniel T. machten quasi aufsuchende Jugendarbeit«, so ein Sozialarbeiter aus Zossen.

Aktive und gut vernetze Neonaziszene

Nach dem Brandanschlag hängte Christoph Sch. in seinem Imbiss am Zossener Bahnhof ein Foto des brennenden Hauses auf. Der Imbiss des Mitglieds der »Freien Kräfte Teltow-Fläming« war ein Treffpunkt für Kameraden und SympathisantInnen. Ein weiterer Vernetzungspunkt war bis Ende 2009 das Internetcafé »Medienkombinat«. Geführt wurde es von Rainer Link, einem Kopf der extrem rechten »Reichsbürger«.

Die Neonaziszene um Zossen zeigte sich immer gut vernetzt. In Teltow-Fläming finden sich verschiedene rechte Partei- und Kameradschaftsstrukturen. Aktiv im Landkreis sind NPD und bis 2010 die DVU. Die Neonaziszene ist eng mit der NPD verwoben. Im Norden des Landkreises hat sie enge Verbindungen zu den Berliner »Autonomen Nationalisten«, die mit Angriffen auf MigrantInnen, Morddrohungen und Brandanschlägen auf Parteibüros, Häuser und Imbisse von MigrantInnen auf sich aufmerksam machten. Im Süden Teltow-Flämings gibt es kleinere Neonazigruppen, die sich mit Gleichgesinnten in Elbe-Elster oder Sachsen-Anhalt zusammentun.

2006 hielt die seit 2009 verbotene »Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ)« in Blankenfelde ein Treffen von 200 Neonazis ab, an dessen Rande die Journalistin Andrea Röpke und ein Kameramann angegriffen wurden. Im rund 25 Kilometer entfernten Ort Am Mellensee, in dem auch Daniel T. lebt, wohnen Jörg Hähnel, NPD-Präsidiumsmitglied, und Stella Hähnel, Mitbegründerin des »Ringes Nationaler Frauen« und Mitglied der NPD. Stella Hähnel betätigt sich nebenbei als Elternsprecherin in einer Schule in Teltow-Fläming. Um das rechte Bild abzurunden, machte die NPD in Teltow-Fläming 2009 Wahlkampf mit dem ehemaligen Rechtsterroristen Peter Naumann.

Zivilgesellschaft braucht Unterstützung

In Richtung dieser rechten Strukturen und ihrer SympathisantInnen ist die – wenn auch späte – Verurteilung von Daniel T. ein wichtiges Signal. Dringend geboten wäre nun eine Geste der Stadt Zossen. Bis heute torpediert sie die Errichtung eines neuen »Hauses der Demokratie«.

Die seit 2003 amtierende Bürgermeisterin Michaela Schreiber und die Listenvereinigung Plan B – stärkste Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung – halten das Problem Rechtsextremismus für übertrieben. »Der Staat (sei) das eine und das bürgerschaftliche Engagement etwas anderes«, so die Bürgermeisterin gegenüber dem RBB in der Sendung Klartext vom 9. Juni 2010. Da ihrer Meinung nach »der Staat (sich) nicht einzumischen hat«. Dem entsprechend weigerte sie sich zum Beispiel, ein Transparent mit der Aufschrift »Tolerantes Brandenburg« am Rathaus anzubringen.

In diesem Umfeld verwundert es nicht, dass die Neonazis um Daniel T. im Januar 2010 eine Holocaustgedenkveranstaltung mit »Lüge«-Rufen und dem Zeigen des sogenannten Hitlergrußes stören konnten, ohne das die Polizei wegen dieser strafbaren Handlungen einschritt.

Den Rechten ist der Zulauf nur abzugraben, indem der Staat schnell und konsequent reagiert. VerantwortungsträgerInnen müssen unmissverständlich Position beziehen und die Zivilgesellschaft unterstützen, die sich gegen Rechts engagiert. »Für uns ist nicht die Höhe der Verurteilung, sondern die Aufarbeitung der begangenen rechten Straftaten wichtig gewesen«, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative»Zossen zeigt Gesicht«, Jörg Warnke, nach dem Urteil. »Nun ist bewiesen, dass die Neonazis das ›Haus der Demokratie‹ abgebrannt haben. Und wir hoffen die Stadt wacht jetzt auf. Ihre Strategie des Ignorierens bis hin zum Leugnen ist gescheitert.«

Mit der Verurteilung von Daniel T. hat der Staat jetzt reagiert. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch die Stadt Zossen bewegt.

Nadja Hitzel-Abdelhamid und Judith Porath

Aktuelles