Allein in Brandenburg
Die Ergebnisse der Studie basieren unter anderem auf 29 Interviews mit ausländischen Imbissbetreibern und/oder ihren Angestellten. 14 der Befragten berichteten über Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen fremdenfeindlich oder rassistisch motivierter Gewalt. Dazu zählten Bedrohungen, Nötigungen, Beleidigungen, das Beschmieren des Wagens mit Hakenkreuzen und anderen Parolen, bis hin zu Brandstiftungen und Angriffen auf Personen. Zehn der Betroffenen berichteten von Auseinandersetzungen mit Personen, die erkennbar neonazistischen Gruppierungen oder der rechten Jugendszene angehörten. Bis auf drei Angriffe auf Personen ereigneten sich alle Taten nach Ladenschluss, in Abwesenheit der Betreiber oder der Angestellten.
Gleichwohl konnte die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen den Taten konkrete Hintergründe und teilweise Personen zuordnen. So berichtete beispielsweise ein Betreiber von einem nächtlichen Einbruch in seinen Imbiss, bei dem er bestohlen worden war. Zuvor hatte er einen Gast, der ihn rassistisch beleidigt hatte, aus dem Bistro geworfen. Ihm sei klar gewesen, dass es sich bei dem nächtlichen Einbruch um eine Racheaktion jenes Gastes gehandelt habe. Die Polizei konnte die Tat später auch diesem Gast nachweisen.
Konflikte gibt es auch in »deutschen« Kneipen und Imbissen. Anders als bei diesen Streitereien sind die Auseinandersetzungen bei ausländischen Imbissen oft fremdenfeindlich und rassistisch unterlegt. In Verbindung mit rechtsextremen Symbolen und Parolen entsteht in diesen Fällen ein Bedrohungspotenzial, das sowohl den Gästen als auch den Betreibern bewusst ist – selbst wenn sich in vielen Gesprächen der Eindruck aufdrängt, dass die Opfer von Beleidigungen, Sachbeschädigungen oder Angriffen nur eine undeutliche Vorstellung davon haben, mit wem bzw. was sie konfrontiert sind. Oft wurden in den Gesprächen Schlussfolgerung gezogen wie: »Die mögen halt keine Ausländer«, oder es wurde einfach Unverständnis darüber geäußert, dass die Leute so unfreundlich seien, obwohl man sich ihnen gegenüber ganz normal verhielt.
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Wie auch bei anderen Opfern von Gewalttaten führt die erfahrene Ablehnung und Gewalt bei den betroffenen Imbissbetreibern oder ihren Angestellten häufig zu einem grundsätzlichen Vertrauensverlust in die soziale Umgebung. Dazu kommt ein Gefühl der Ohnmacht, da die Betroffenen ahnen, dass sie die Handlungen der Täter kaum beeinflussen können. Vor diesem Hintergrund verstehen viele im Wortsinn »die Welt« nicht mehr: »Wir sind die schlechten Menschen. Das verstehe ich nicht! Wir bezahlen Steuern für die, wir arbeiten für Deutschland, wir leben hier genau wie ihr, und trotzdem sind wir noch immer schlecht. Ich verstehe nicht, warum!« Andere versuchen, vor dem Hintergrund ihrer Lebenserfahrung eine Erklärungen für das aggressive und rassistische Verhalten ihrer Gäste zu finden: »Ich glaube, das liegt am Neid, oder sie haben etwas von Ausländern gehört, die hier herkommen und die Arbeit wegnehmen.«
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Imbisswagen oder -Container verfügen in aller Regel über keinen Rückzugsraum. Damit sind die dort Beschäftigten Beleidigungen, Demütigungen oder Angriffen unmittelbar ausgeliefert. Kurzfristig können sie sich einer anhaltenden Bedrohungssituation nur durch Verlassen des Imbisses entziehen, langfristig nur durch die Aufgabe des Betriebes. Diese Möglichkeit ist den meisten Imbissbetreibern und ihren Angestellten jedoch nicht gegeben, da sie durch ihre ökonomische Abhängigkeit – sei es als Besitzer oder als Angestellter – an den Ort des Geschehens gebunden sind.
»Ich kann schon mit denen umgehen. Du darfst nicht schlagen, sondern musst reden. Es braucht aber Zeit, bis das klappt.« Die wohl häufigste Strategie vieler Imbissbetreiber und ihrer Angestellten zur Verhinderung möglicher Gewalttaten sind Harmonisierungs- und Beschwichtigungsversuche. Dies setzt allerdings die Fähigkeit voraus, sich durch Diskriminierungen, Beleidigungen und Demütigungen nicht provozieren zu lassen. Oder in den Worten eines Imbissbetreibers: »Wenn ich alle Sprüche ernst nehmen würde, würde ich verrückt.« Bei dieser Strategie scheint der Übergang zu einer Situation, in der die Imbissbetreiber und deren Angestellte praktisch erpresst werden, fließend zu sein: »Es gibt hier viele Glatzköpfe, und das kann böse enden; deshalb, wenn die irgendwie das Essen und Trinken nicht bezahlen, dann drücke ich die Augen zu und lasse sie gehen.«
Zum Teil wurde in den Interviews auch von überraschenden Verbindungen berichtet, die den ausländischen Imbissen eine gewisse Sicherheit geben. So berichtete ein Imbissbetreiber, dass seinem Vorgänger von Neonazis immer wieder die Scheiben eingeworfen worden seien. Er und seine Familie hätten jedoch gute Freunde im Ort, und diese seien wiederum mit den »Nazis« befreundet. Dies sei der Grund, weshalb ihm bislang nichts passiert sei.
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Eine spezielle Variante stellt die Tarnung des persönlichen oder geschäftlichen Hintergrundes dar. So erzählten Geschäftsleute mit türkischem Migrationshintergrund, sie hätten erst wirtschaftlichen Erfolg, seitdem sie sich als Italiener ausgegeben hätten. Sie würden nun nicht mehr beleidigt und beschimpft, und die Fassaden würden nicht mehr mit neonazistischen Zeichen beschmiert. Auch wurde davon berichtet, dass Gespräche in der Muttersprache auf der Straße vermieden oder sehr leise geführt würden, um nicht aufzufallen. Ein Döner-Lieferant berichtete, dass aus Angst vor fremdenfeindlichen Übergriffen auf die üblichen Firmenlogos und -aufschriften verzichtet würde. Die Lieferwagen seien in den letzten Jahren verstärkt beschädigt worden.
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»Dann haben wir ein paar Türken zusammengeholt und die verhauen. Das musst du machen, sonst hast du morgen alle Scheiben kaputt. Im Ort gibt es zwei bis drei Nazis, aber die sagen nichts, weil es hier viele Türken und Kurden gibt. Das Kräfteverhältnis ist einfach anders.« Einige der Betroffenen berichteten von der Notwendigkeit einer deutlichen Gegenwehr gegenüber rechtsextremen Jugendlichen und anderen Angreifern. Das Aktionsspektrum reicht von Wache halten, um potenzielle Angreifer oder Diebe auf frischer Tat zu erwischen, über das Drohen mit Werkzeugen des alltäglichen Gebrauches im Imbissbudenbetrieb (Messer, Schleifstahl) bis hin zur Installation einer Videokamera in einem Asia-Bistro, das mehrfach bedroht worden war. Ein türkischer Wirt eines Bistros meinte hinsichtlich des Umganges mit den oft alkoholisierten Gästen: Man müsse es verstehen, »die Leute zu nehmen«, dann gebe es keine Probleme. Wenn doch, dann würde er sich wehren, und zwar sofort, um sich wieder Autorität zu verschaffen: »Du hast nur dann deine Ruhe, wenn die Leute Angst vor dir haben.«
Als eine andere Form von Gegenwehr kann auch das bloße Dableiben, das Sich-nicht-vertreiben-Lassen angesehen werden: Zwei Imbissbetreiber, die Brandanschläge erlebt hatten und denen keinerlei Unterstützung aus der Bevölkerung oder von Institutionen zuteil geworden war, interpretierten ihren bloßen Verbleib in der Stadt als Form des Widerstands in einer feindlichen Umgebung. So bezeichnete einer der beiden ein mögliches Weggehen als eine Niederlage. Der andere sah sich gar als Gewinner, denn er habe es trotz zweier Brandanschläge und diverser Sachbeschädigungen geschafft, sich »hier nicht vertreiben zu lassen«.
Wie die Untersuchung gezeigt hat, gehen die Imbissbetreiber mit Migrationshintergrund in Brandenburg davon aus, dass es die Aufgabe der Polizei sei, sie vor Rechten zu schützen. Gleichzeitig scheint es jedoch viele schlechte Erfahrungen mit Polizeibeamten gegeben zu haben. Diese wurden zum Teil selbst erlebt, zum Teil vom Hörensagen bekannt. Insgesamt scheint eine negative Erwartungshaltung gegenüber Polizeibeamten vorzuherrschen, nach dem Motto: »Die glauben mir ja doch nicht.« Besonders nachhaltig wirkten offensichtlich Erfahrungen mit Interesselosigkeit und nicht gewährtem Schutz durch die Polizei: »Die Polizei kommt, hört kurz zu und geht weg.«
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Dabei spielt es für die Betroffenen keine Rolle, ob die Beamten im Einklang mit geltendem Recht handeln, eventuell tatsächlich nichts unternehmen können oder ob ihnen der Schutz unrechtmäßig verweigert wird. In vielen Fällen hatten die Betroffenen den Eindruck, von ihnen gestellte Anzeigen seien nicht verfolgt worden. Auch wenn diese Aussagen nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können, so bleibt doch festzuhalten, dass die Polizei die Betroffenen, die sich sehr unter Druck fühlten, nicht genügend informierte.
Es ist auch aus anderen Bereichen bekannt, dass es für Menschen, die sich bedroht fühlen oder die zu Opfern von Gewalttaten geworden sind, von größter Bedeutung ist, dass die Polizei und auch andere staatliche Behörden einen sensiblen Umgang mit ihnen pflegen. Deswegen sollte man sich von staatlicher Seite darum bemühen, sich in die Lage der Opfer hineinzuversetzen, und in jedem Fall – das ist die Mindestanforderung – Opfer und potenzielle Opfer über die Handlungen, die zu ihrem Schutz durchgeführt werden, ausreichend zu informieren.
Files:
Anschlaege_Imbissbuden
[2004, Studie, 96 S.]
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