Was tun, wenn ein Brandanschlag auf einen Imbiss verübt wurde und eine rechtsextreme oder rassistische Tatmotivation vermutet werden muss? Manche Kommunen verschließen die Augen, in anderen Gemeinden erfasst eine lähmende Ratlosigkeit die politisch Verantwortlichen und alarmierten Bürger. Doch wie kann, wie sollte reagiert werden? Grundsätzlich gilt: Die Opfer brauchen Beistand; sie brauchen tätige Hilfe. Aus Erfahrungen in brandenburgischen Städten lassen sich bestimmte Empfehlungen ableiten – für die Betroffenen selbst, für kommunale Verantwortliche und für zivilgesellschaftliche Initiativen.
Empfehlungen an Imbissbetreiber:
- Zeigen Sie alle Beleidigungen und Bedrohungen an. Überlegen Sie sich gut, ob es wirklich ein Arrangement mit der alltäglichen Bedrohung geben kann. Auf Dauer verstärkt das die Macht derer, die Sie vertreiben wollen. Denn fast jeder Angriff hat eine Vorgeschichte, oft sind es dieselben Täter, die Sie erst anpöbeln und die später zündeln. Sie haben ein Recht darauf, von jedem Menschen mit Respekt behandelt zu werden. Wer das missachtet, dem müssen Grenzen gesetzt werden. Anzeigen sind in den meisten Situationen der richtige Weg, auch damit es für die Verantwortlichen in Polizei und Kommune eindeutig erkennbar wird, in welcher Situation Sie sich befinden. Sind Sie unsicher, ob Sie eine Anzeige stellen sollen, etwa weil sie Racheaktionen der Angezeigten befürchten, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle wie zum Beispiel die Opferperspektive.
- Treten Sie in Kontakt mit lokalen Gewerbevereinigungen. Je mehr Bürger Sie vor Ort kennen, desto besser geschützt sind Sie.
- Fertigen Sie eine vollständige Inventarliste an und vervollständigen Sie diese durch Fotos ihres Betriebs. Im Schadensfall können Sie so besser ihre Ansprüche belegen.
- Ist das Unbegreifliche geschehen und ein Brandanschlag tatsächlich verübt worden, geben Sie nicht auf. Sie werden Hilfe erhalten. Haben Sie keine Scheu, in dieser unverschuldeten Notlage Hilfe anderer anzunehmen und Ihnen zustehende Rechte in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel Sozialhilfe. Die Täter wollten Sie vertreiben, doch wenn Sie mit der Hilfe engagierter Bürger die Schäden reparieren oder sich einen neuen Imbiss anschaffen, kommen die fremdenfeindlichen Gewalttäter nicht an ihr Ziel.
- Suchen Sie insbesondere nach Unterstützung bei der Aufstellung einer vollständigen und genauen Schadensliste. Das ist zentral für Versicherungen und auch eventuelle Schadensersatzansprüche an die Täter.
Empfehlungen an Imbissbetreiber
- Gehen Sie auf die Imbissbetreiber zu, auch wenn noch nichts geschehen ist. Erkundigen Sie sich nach Vorfällen. Nehmen Sie auch scheinbar harmlose Beleidigungen oder Sachbeschädigungen ernst. Sie könnten Vorboten schwerer Straftaten sein. Vereinbaren Sie einen kontinuierlichen Kontakt. Ziehen Sie, wenn nötig, Sprachmittler hinzu. Wurde eine Anzeige gestellt, informieren Sie die Betroffenen über den Verlauf der Ermittlungen.
- Wenn ein Brandanschlag verübt wurde, bemühen Sie sich um Empathie mit den Geschädigten. Diese sind in einer psychischen Ausnahmesituation. Machen Sie Ihre Vorgehensweise so transparent wie möglich, und erklären Sie, wie das Verfahren weitergeht.
- Binden Sie den Geschädigten bei der vollständigen und gründlichen Aufnahme des Schadens ein.
- Machen Sie die Geschädigten auf Opferberatungsstellen aufmerksam.
Empfehlungen an Imbissbetreiber
(Bürgermeister, Verwaltungsmitarbeiter, Abgeordnete in Gemeinderäten und Kreistagen)
Ob die im folgenden aufgezeigten einzelnen Vorschläge in einer Stadt sinnvoll sind, darüber kann nur eine genaue Beurteilung der konkreten Situation in der Kommune entscheiden. Wichtig dabei: die enge Abstimmung aller Aktivitäten mit den Betroffenen. Denn um sie geht es, es ist ihre Existenz, die von Vernichtung bedroht ist, die Täter wollten ihnen schaden und sie vertreiben. Ein Schlag hat sie aus dem Leben geworfen, das sie sich gerade aufbauen wollten, in einer solchen Schocksituation sollten sie nicht noch einmal zum bloßen Objekt gemacht werden, auch nicht mit gut gemeinten Reaktionen.
- Gerade für Migranten ist es wichtig, von Ihnen als Bürgermeister willkommen geheißen zu werden. Damit zeigen Sie den Bürgern der Stadt und der Kundschaft der Imbisse, dass der Imbissbetreiber ein willkommenes, geschütztes Gemeindemitglied ist. Deshalb: Nehmen Sie mit den Imbissbetreibern Kontakt auf, auch wenn es noch keine Gewalttat gegeben hat. Vermitteln Sie den Betreibern Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Probleme.
- Wer in die Gemeinde integriert ist, wird nicht so schnell angegriffen. Laden Sie die Imbissbetreiber zu Stammtischen der Gewerbetreibenden ein, oder etablieren Sie eine andere kontinuierliche Verbindung.
- Wenn es zu Gewalttaten kam: Zögern Sie nicht, direkt mit den Geschädigten Kontakt aufzunehmen. Diese brauchen Ihren persönlichen Beistand.
- Ziel konkreter Hilfe sollte die Reparatur bzw. die Anschaffung eines neuen Imbisses sein. Erleichternd hierfür ist die Koordination aller Maßnahmen der zuständigen Behörden: Sozialamt, Ausländerbehörde, Gewerbeamt, Tiefbauamt (falls ein neuer Standort angezeigt ist).
- Es ist auch wichtig, darauf hinzuwirken, dass die Ausländerbehörde dem Geschädigten keine Probleme mit dem Aufenthaltsstatus bereitet, sollte der Betroffene vorübergehend auf Sozialhilfe angewiesen sein.
- Angestellte im öffentlichen Dienst haben viele Möglichkeiten, nach Ermessen zu entscheiden: Wenn der Geschädigte nicht gleich zur Beseitigung des Wracks in der Lage ist, kann eventuell auch die Gemeinde einspringen, und die Androhung eines Zwangsgelds durch das Ordnungsamt erübrigt sich.
- Eine öffentliche Stellungnahme hat sich bisher immer als positiv erwiesen. Der Ausdruck von Solidarität stärkt die Position der Opfer, und die Verurteilung der Tat gibt einer Kommune die Möglichkeit, auch den Medien gegenüber zu demonstrieren, dass man nicht gewillt ist, fremdenfeindliche Gewalt hinzunehmen. Daran können und werden sich die Bürger ein Beispiel nehmen.
- Mit Spendensammlungen, die die Kommune initiiert, können die Opfer existenziell unterstützt werden. Auch ein symbolischer Betrag ist für die Geschädigten eine wichtige Anerkennung. Bürger können ihre Solidarität mit einer Spende zeigen.
- Oft kursieren Gerüchte, etwa Verdächtigungen, es würde sich um einen Versicherungsbetrug handeln, auch wenn es dafür keine Anhaltspunkte gibt. Es kann sinnvoll sein, öffentlich dem entgegenzutreten. Das gilt auch für den eventuellen Neid auf die Geschädigten, wenn diese solidarisch unterstützt werden und Spenden für den Wiederaufbau erhalten. Dahinter verbergen sich fast immer nur Vorurteile.
Empfehlungen an Imbissbetreiber
Zivilgesellschaftliche Initiativen und Aktionen, zum Beispiel Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen sind ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikale Gewalttäter.
- Sprechen Sie alle Aktivitäten mit den Geschädigten ab. Unterstützung und Beratung können Sie beim Mobilen Beratungsteam erhalten.
- Machen Sie den Geschädigten auf Opferberatungsstellen aufmerksam.
- Überlegen Sie, wie die Öffentlichkeit für ein deutliches Signal gegen Fremdenfeindlichkeit und für Solidarität mit den Geschädigten mobilisiert werden kann. In Frage kommen Versammlungen, Unterschriftensammlungen, Kundgebungen, Demonstrationen und andere öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Damit kann der aktive Teil der Bürgerschaft demonstrieren, dass Sie das Stimmungsklima in einer Kommune nicht den Tätern überlassen.
- Suchen Sie Bündnispartner in der Kommune, die Ihre Aktivitäten unterstützen.
- Treten Sie haltlosen Gerüchten und dummen Gerede entgegen. Es kommt auf Ihren persönlichen Einsatz gegen Vorurteile an. Regen Sie eine Spendensammlung für den Wiederaufbau des Imbisses an.
Empfehlungen an Imbissbetreiber
Fremdenfeindlich motivierte Brandanschläge auf Imbisse erfordern die Übernahme staatlicher Verantwortung zur Prävention und zum Schadensausgleich. Besondere Hilfen und Angebote für Betreiber mit Migrationshintergrund sind erforderlich.
- Die Einrichtung sprachkompetenter Beratungsstellen in türkischer und vietnamesischer Sprache für Fragen der Existenzgründung und der Betriebsführung sollte gefördert werden.
- Eine Lösung der Versicherungsfrage für solche Imbisse ist erforderlich. Zu erörtern wären Modelle einer Risikobürgschaft der öffentlichen Hand oder die Förderung von günstigen Versicherungspolicen speziell für Imbisse von Betreibern mit Migrationshintergrund.