In den frühen Morgenstunden des 13. Februar 1999 verblutete in einem Hausflur in der Hugo- Jentsch-Straße in Guben der algerische Flüchtling Farid Guendoul. Er wollte sich in Panik vor den ihn verfolgenden rechtsgesinnten Jugendlichen mit einem Sprung durch die Glasscheibe einer Haustür in einen Wohneingang retten.
Nach einem 17-monatigen Gerichtsverfahren wurden die Täter verurteilt. Das Urteil zeigte das Unverhältnis zwischen der juristisch fassbaren strafrechtlichen und der moralischen Schuld, die jeder an der Hetzjagd Beteiligte auf sich geladen hatte. Der Bundesgerichtshof ging in der Revision von Vorsatz und nicht, wie das Cottbuser Landgericht,von Fahrlässigkeit aus und änderte das Urteil bei acht der elf Täter in versuchte Körperverletzung mit Todesfolge. Es bleibt die Erkenntnis, dass mit juristischen Mitteln allein auf solche rassistischen Taten und Gesinnungen nur schwerfällig reagiert werden kann.
Heute, zehn Jahre nach der Tat, stehen Fragen nach wie vor im Raum. Könnte Derartiges heute wieder geschehen? Würden heute mehr Menschen als im Februar 1999 nicht wegsehen sondern eingreifen, wenn Menschen verfolgt und verletzt werden?
Ich nehme die Irritationen und Spaltung in der Bevölkerung in Guben wahr, z. B. über den zentralen Ort des Gedenksteins. Viele Gubener würden dieses dunkle Kapitel ihrer Stadt lieber schnell vergessen.
Um aus den Ereignissen vor zehn Jahren zu lernen, ist die Vorbildfunktion offizieller Vertreter der Gemeinde, speziell auch des Bürgermeisters, von großer Bedeutung. Sind hier in den letzten zehn Jahren Werte wie Mitmenschlichkeit und Toleranz, des grenzübergreifenden und völkerverbindenden Miteinanders so mit Nachdruck eingefordert worden, wie es das dienliche Zusammenleben der Menschen – gerade auch in der Grenzregion um Guben – erfordert?
Aus der Vergangenheit lernen bedeutet, unsere Gegenwart menschenwürdig gestalten. Wir wollen zunehmend sicher sein, dass sich derartige Exzesse, entstanden im Geist menschenverachtender Fremdenfeindlichkeit, nie wieder ereignen! Die Fragen bleiben aktuell.
Heilgard Asmus, Generalsuperintendentin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz des Sprengels Cottbus, ist Vorsitzende des landesweiten Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeinlichkeit
Aktuelles Aktionsbündnis, Gerichtsverfahren, Guben, Rechtsextremismus