F: Wir hören täglich neue Meldungen über rassistische Angriffe– schlägt sich das auch in Ihrer Beratungstätigkeit nieder?
Wir haben zur Zeit ziemlich viel zu tun. Gerade jetzt, nach dem Feiertag Himmelfahrt, mußten wir mehrere Opfer beraten, die von Rechtsextremen angegriffen worden waren.
F: Hat die rechte Gewalt im Vergleich zum Vorjahr zugenommen?
Das kann ich im Moment schlecht beurteilen – wir ziehen immer erst am Ende eines Jahres oder Halbjahres Bilanz. Es gab jedenfalls 2005 einen ganz leichten Rückgang.
F: Unlängst gab es einen Streit um Zahlen – die Opferperspektive hatten für 2005 in Brandenburg 128 Übergriffe von Rechtsextremen registriert, das Landeskriminalamt wollte aber nur 97 gelten lassen. Es wurde in Zeitungen sogar unterstellt, die Opferperspektiven hätten nicht sauber recherchiert.
Ein entsprechender Brief, den uns der Generalstaatsanwalt geschrieben hatte, ist offenbar politisch gewollt in die Medien lanciert worden – von wem auch immer. Wir werden erst einmal mit dem Generalstaatsanwalt selbst darüber sprechen und uns erst dann dazu äußern.
F: Wäre es denn nicht sinnvoll, wie etwa in Wien eine vom Staat unabhängige Beobachtungsstelle zu schaffen? Dafür hatte sich vor einigen Jahren ja auch der Bundestag ausgesprochen – auf Antrag der PDS-Fraktion.
Wir fordern das schon seit langem. Beratungsstellen wie die unsrige sind leider die einzige unabhängige Instanz zur Beobachtung rechtsextremer Gewalt. Hinzu kommt, daß wir auf Ostdeutschland beschränkt sind – in den alten Bundesländern gibt es überhaupt keine zivilgesellschaftliche Institution, die die Entwicklung des Rechtsextremismus im Auge behält. Es wäre gut für ganz Deutschland, wenn es eine unabhängige Einrichtung für diesen Zweck gäbe.
F: Die Finanzierung auch Ihres Vereins soll zum Jahresende auslaufen. Welche Konsequenzen hat das für Ihre und andere Einrichtungen?
Zur Zeit werden wir noch vom Bund über das Civitas-Programm gefördert. Das läuft zum Ende des Jahres zwar aus, es soll aber ein Nachfolgeprojekt geben, so daß auch im kommenden Jahr bundesweit 19 Millionen Euro für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zur Verfügung stehen.
Allerdings können die Opferberatungsstellen ebenso wie die mobilen Beratungsteams aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht mehr über das Bundesprogramm finanziert werden. Der Bund kann immer nur zeitlich begrenzte Modellprojekte fördern.
F: Was heißt das praktisch für die Beratung?
Das heißt erstens, daß auf Bundesebene eine andere Regelung gefunden werden muß. Und zweitens gibt es auch vom Land Brandenburg bisher keinerlei Zusagen. Wir müssen also davon ausgehen, daß am Ende des Jahres Schluß ist.
F:Einerseits beschweren sich immer mehr Politiker über Neonaziangriffe – andererseits scheint sich aber niemand die Mühe zu machen, eine weitere Förderung sicherzustellen. Können Sie mir diesen Widerspruch erklären?
Im Moment wird auf allen politischen Ebenen diskutiert auch darüber, wie man eine Förderung sichern kann. Im Landtag von Brandenburg gab es dazu Anträge der drei großen Fraktionen– einmal von der Linkspartei und dann gemeinsam von SPD und CDU. Zumindest die SPD bemüht sich sehr, uns zu unterstützen,– bisher ist allerdings noch keine Entscheidung gefallen. Es gibt den Wunsch, uns weiter zu fördern, aber wir brauchen 200000 Euro im Jahr. 50000 können wir alleine aufbringen – die würden aber nicht reichen, um die Arbeit fortzusetzen. Früher haben wir die Opfer zwar ehrenamtlich beraten, auf Dauer geht das aber nur mit hauptamtlichen Kräften.
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