Nach Aussagen des Betroffenen befand sich dieser an besagtem Tag gemeinsam mit Freunden auf dem Weg von einem Supermarkt ins Heim. Der Angeklagte saß indes an einer Bushaltestelle welche zu diesem Zeitpunkt Jugendlichen als Treffpunkt diente. Als er die Ankommenden bemerkte ging er auf sie zu, sprach sie an und beleidigte sie mit Worten wie »Scheiß Ausländer, verpisst Euch«. Dann schlug er dem Betroffenen ins Gesicht und trat ihm, als dieser weitergehen wollte, in den Rücken. Im Wohnheim angekommen, informierte der Betroffene die Heimleitung und diese die Polizei welche den Täter vor Ort stellte.
Schlimmer als die körperliche Attacke empfand der 27-jährige Palästinenser die psychische Folgen. Früher sei er ein offener, hilfsbereiter Mensch gewesen. Nach der Tat hat er lange von dem Angriff geträumt. Auch heute noch hat er Probleme allein im Dunkeln raus zu gehen. Er ist unsicher und hat kein Vertrauen mehr. Früher sei er gerne in Prenzlau gewesen. Die Stadt hat er nach dem Überfall aus Angst vor erneuten Angriffen verlassen und kommt auch heute nur ungern zurück.
Da der Angeklagte zunächst die Aussage verweigerte und eine Hauptzeugin sich nicht mehr erinnern konnte oder wollte gestaltete sich die Wahrheitsfindung anfänglich schwierig.
Die Aussicht auf eine positive Berücksichtigung vor Gericht ließ den Angeklagten dann doch noch aussagen. Ja, er habe den 27-Jährigen geschlagen und getreten und er habe die Männer auch beleidigt. Ein Rassist sei er aber nicht und gegen Ausländer habe er auch nichts. Den grundlosen Angriff erklärte er mit seinem Alkoholkonsum und der Unterstellung, dass Ausländer mit Drogen handeln würden. Auf den Appell des Nebenklagevertreters und der Staatsanwältin hin entschuldigte er sich bei seinem Opfer und nach einem Hinweis des Richters bei dem Freund des Betroffenen, welcher als Zeuge geladen war.
In ihrem Plädoyer ging die Staatsanwältin ausführlich darauf ein, was es gerade für einen Menschen, der Gewalterfahrungen und Flucht hinter sich hat bedeutet, an einem Platz an dem er glaubte sicher zu sein angegriffen zu werden. Unzweifelhaft sah sie einen rassistischen Hintergrund der Tat gegeben. Hier schloss sich der Vertreter der Nebenklage an, der noch einmal ausführlich beleuchtete, warum der Täter, trotz seiner Behauptung »nichts gegen Ausländer zu haben« ein Rassist sei und warum die Tat ganz klar als rassistisch motiviert einzustufen sei. Der Angegriffene nahm ebenfalls die Möglichkeit eines Plädoyers wahr. Er betonte nochmals, was die Tat bei ihm bewirkt hatte, aber auch, was es ihm bedeutet zu sehen, dass die Tat geahndet und das Handeln des Täters missbilligt wird.
Der mehrfach Vorbestrafte wurde wegen Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, verurteilt. Außerdem muss er 200 Arbeitsstunden leistenund hat u.a. die Kosten des Verfahrens zu tragen. Damit folgte der zuständige Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. In der Urteilsbegründung hieß es: Der Betroffene habe, geflüchtet aus einem Krisengebiet, Schutz in der Bundesrepublik gesucht. Er habe sich in Prenzlau wohl und sicher gefühlt. Das alles bis zu dem Tag an dem er aus einer rassistischen Motivation heraus, völlig grundlos geschlagen und beleidigt wurde. Unter den Folgen der Tat leidet er heute noch – sein Grundvertrauen ist erschüttert.
Hannes Püschel, Mitarbeiter der Opferperspektive, berät und begleitet den Betroffenen seit dem Angriff. Er äußerte nach dem Urteil: »Der Umgang mit den Betroffenen war von Seiten der Staatsanwältin, dem Richter und des Nebenklägers von Respekt geprägt. Es wurde sich bemüht einen adäquaten juristischen Umgang mit der Tat zu finden und die Auswirkungen des Angriffs ernst zu nehmen.«
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