Seit dem 08.09.00 wird vor dem Amtsgericht Cottbus im sogenannten Straßenbahnprozeß unter Ausschluß der Öffentlichkeit gegen zehn junge Männer im Alter zwischen 16 und 28 Jahre verhandelt, die der rechten Szene von Cottbus zugehörig sind und denen vorgeworfen wird, im Juni 1999 elf afrikanische Asylbewerber in einer Cottbuser Straßenbahn angegriffen zu haben. Dieses Verfahren wird am Freitag, dem 22.12.2000 aller Voraussicht nach mit einem Urteil enden.
Drei der Angegriffenen, zwei Kenianer und ein Staatsbürger der Demokratischen Republik Kongo, treten in dem Verfahren als Nebenkläger auf. Die sie vertretenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte geben zur erwarteten Urteilsverkündung folgende Erklärung ab:
»Den Angeklagten wird vorgeworfen, mit ca. zehn weiteren Personen am 11.06.99 in der Straßenbahn der Linie 4 unter Rufen von Parolen wie ›Deutschland den Deutschen‹, ›Ausländer raus‹, ›Sieg Heil‹ u.ä. eine Gruppe von elf Afrikanern angegriffen und verletzt zu haben. Ein schwangeres deutsches Mädchen, eine Begleiterin der Schwarzen, wurde durch einen Flaschenwurf so stark verletzt, daß sie eine Woche stationär behandelt werden mußte, einer der Nebenkläger erlitt eine erhebliche Kopfplatzwunde, ansonsten trugen die Schwarzen vor allem Prellungen davon. Nur der Gegenwehr der Schwarzen war es zu verdanken, daß nichts Schlimmeres passiert ist. Ein großer Teil der Angeklagten hatte sich vorher aufgemacht, um in Cottbus-Sachsendorf Linke zu verprügeln.
Anderthalb Jahre nach der Tat wurde diese Sache vor dem Schöffengericht Cottbus verhandelt. Da sechs der Angeklagten zur Tatzeit noch Jugendliche waren, schloß das Gericht als eine der ersten Verfahrenshandlungen die Öffentlichkeit aus.
In der Folge war das Verfahren dadurch gekennzeichnet, daß Verteidiger, Staatsanwaltschaft und Gericht stets bemüht waren, den rechtsextremistischen Hintergrund der Tat in Abrede zu stellen. So wurden nicht nur Fragen, die auf die ausländerfeindliche Einstellung der Angeklagten abzielten, mit dem Hinweis darauf beanstandet, daß dies für das Verfahren unerheblich sei. Der Antrag der Nebenklage auf Verlesung des rechtsextremistischen Liedtextes ›Polacken Tango‹ der Band ›Landser‹ – dieses Lied wurde von der Tätergruppe beim Besteigen der Straßenbahn gesungen – wurde vom Gericht mit der Begründung zurückgewiesen, daß dieses nichts mit der Tat zu tun habe. Der Nebenklägervertreter RA Wellner wurde bei dem Verlesen eines Beweisantrages unterbrochen, ihm wurde sogar das Wort entzogen, als er zur Begründung seines Antrages darzulegen begann, welche Relevanz die ausländerfeindliche Einstellung der Angeklagten auf die juristische Bewertung der Tat hat.
In teilweise unheilvoller Zusammenarbeit von Verteidigung – drei der Verteidiger hatten auch im Hetzjagdprozeß verteidigt – und Staatsanwalt Oehme wurde versucht, Belastungszeugen zu verunsichern. Das Gericht griff nicht ein. Zeugen wurde sogar vom Gericht verwehrt, die Angeklagten in der Hauptverhandlung zu identifizieren, eine juristisch nicht haltbare Vorgehensweise. Wichtige präsente Beweismittel konnten nur auf Antrag der Nebenklage in das Verfahren eingeführt werden, z.B. ein schriftliches Geständnis eines bis zum Schluß schweigenden Angeklagten. Weder Staatsanwaltschaft noch Gericht hielt diesbezüglich eine Aufklärung von Amts wegen für erforderlich.
Die Angeklagten, von denen vier wegen dieser Tat neun Monate, weitere zwei fünf Monate in Untersuchungshaft eingesessen hatten, ließen sich von dem Verfahren augenscheinlich wenig beeindrucken. Sie kamen ständig zu spät, ein Großteil kleidete sich im szenetypischen »Londsdale«- und »Fred Perry«-Outfit und ließ die Glatzen regelmäßig scheren. Lediglich einer der Angeklagten brachte es fertig, sich für seine Tat zu entschuldigen.«
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