Es geht um das Interview in der Zeitschrift Lettre International im Jahr 2009, in dem Thilo Sarrazin (damals noch Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank) sich verächtlich, herabwürdigend und verdinglichend über Menschen – insbesondere aus türkischen und arabischen Einwandererfamilien – geäußert und ihnen Aggression gegen die Gesellschaft unterstellt hatte. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg stellte Strafanzeige wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Das Ermittlungsverfahren wurde in zwei Instanzen mit Verweis auf die Meinungsfreiheit eingestellt. Dagegen beschwerte sich der TBB beim UN-Ausschuss gegen Rassismus. Der rügte am 17. April die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat und stellte fest, “Indem er sich darauf konzentriert hat, dass Herrn Sarrazins Äußerungen nicht einer Aufstachlung zum Rassenhass gleichkamen und nicht den öffentlichen Frieden stören konnten, hat der Vertragsstaat seine Pflichten versäumt, effektiv zu untersuchen, ob Herrn Sarrazins Äußerungen der Verbreitung von Auffassungen gleichkamen, die auf einem Gefühl der rassischen Überlegenheit oder Rassenhass beruhen.” Rassistische Hetze, so der Ausschuss, sei durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.
Innerhalb einer Frist von 90 Tagen fordert der Ausschuss von der Bundesregierung einen Bericht über Gesetzesänderungen, um den Missstand zu beseitigen. Außerdem soll die Entscheidung des CERD breit veröffentlicht und besonders Staatsanwaltschaften und RichterInnen zugänglich gemacht werden. Dazu empfiehlt er eine Überprüfung der deutschen Verfahren und Richtlinien im Zusammenhängen mit rassistischen Äußerungen.
Trotz völkerrechtlich gültigem Vertrag kann der Ausschuss die Bundesrepublik rechtlich gesehen zu keinen Änderungen zwingen. Trotzdem stellt die Direktorin vom Institut für Menschenrechte Beate Rudolf fest:
„Die Entscheidung des Ausschusses hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung: Gesetzeslage und Praxis im Bereich der Strafverfolgung von rassistischen Äußerungen sind im Lichte der Entscheidung auf den Prüfstand zu stellen, um die von solchen Äußerungen unmittelbar Betroffenen wirksam zu schützen und die Menschenwürde als Grundlage unseres Gemeinwesens zu verteidigen.”
Der Türkische Bund überschrieb seine Pressemitteilung treffend mit „Rassismus ist keine Meinungsäußerung, Rassismus ist ein Verbrechen.“