»So primitiv sind wir nicht!«
Es war ein sonniger Oktober-Samstag. Jean-Paul besuchte einen Freund in Frankfurt (Oder), dann nahm er die Bahn und fuhr nach Berlin zurück. Als der Schaffner kam zeigte er sein Wochenendticket. Dann kam der BGS. Insgesamt 9 BGS- BeamtInnen.
Hauptmeister Grabs sagt dazu vor Ort: »Versuchter Betrug und Erschleichung von Leistungen«. Jean-Paul vergaß seinen Namen in das Wochenendticket einzutragen, »er hätte das Wochenendticket ja auch weitergeben oder verkaufen können«. Doch zur Aufklärung des Sachverhalts war der BGS nicht vom Zugführer gerufen. Ohne zu fragen gingen die PolizistInnen auf den jungen Mann los und traktierten diesen mehrmals mit Tränengas. Fast eine halbe Stunde verdrehten die BeamtInnen seine Hände, drückten ihn zwischen die Sitze. Die Fahrgäste des Regionalexpresses lasen ruhig ihre Zeitung weiter, ab und zu schauten sie sich den Überfall an. Der Zug fuhr nun plötzlich wieder los, doch dann stoppte er wieder nach weinigen Metern.
Der BGS fesselte den Studenten mit Handschellen auf dem Rücken. Er schrie vor Schmerzen und weinte, konnte nicht mehr atmen. Ein Beamter sprühte dann das Tränengas noch mal von unten direkt ins Gesicht. »Der soll gefälligst seinen Ausweis zeigen« brummte ein Fahrgast. Ein polnischer Student der Europa-Universität Viadrina aus Frankfurt (Oder) protestierte. Doch dann riefen einige: »Jetzt wird man sogar im eigenen Land Mundtod gemacht«. Ein anderer Passagier meinte schlicht: »ein Illegaler«. Aber Jean-Paul ist kein Illegaler, den illegal kann kein Mensch sein. Er ist 29 und studiert Lebensmitteltechnik an der Technischen Universität in Berlin. Er besitzt auch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, falls dieses Fetzten Papier eine bessere Behandlung überhaupt legitimisieren hätte können.
Jean-Paul hat ein anderes Problem. Er ist Schwarz.
Dann wird der junge Mann aus der Bahn heraus getragen und auf den Bahnsteig des Ostbahnhofes geworfen. Er weint, aus seiner Nase quellt Schleim heraus, er ist wegen dem Pfefferspray-Einsatz in Atemnot. Auf den Bahngleisen stehen, mehrere DB-Angestellte. Eine Frau schreit aus dieser Gruppe heraus: »in Frankreich hätte man mit dem gar nicht so lange gezappelt«. Nur ein junger Medizinstudent, der ebenfalls auf dem Bahnsteig stand, findet Mut um gegen diese Behandlung zu protestieren: »Warum sitzt der Mann auf dem Boden, was hat er denn gemacht, ich habe noch nie einen Menschen gesehen der wegen einem Wochenendticket so brutal misshandelt wird !«. Polizeimeister Lenk antwortet ihm; »Wir handeln nach Recht. Die Beamten hatten keine Lust sich da anzulegen. Jeder Reisende der sich widersetzt muss mit Gewaltanwendung rechnen. So primitiv sind wir nicht!«
Jean-Pauls Pullover ist Blutverschmiert. Aus seinem Ohr kommt Blut. Das Geicht ist voller Tränen. Während der Medizinstudent noch diskutiert, bringt endlich jemand ein Rollstuhl. Wir fahren auf die Wache, dort werden seine Personalien noch einmal kontrolliert und Jean-Paul kann gleich gehen.
Wir stehen in der Empfangshalle des Ostbahnhofes. »Ich komme aus Kamerun, habe doch nur meinen Freund besucht in Frankfurt (Oder). Warum haben sie mich so gedemütigt?« Jean-Paul zittert am ganzen Leib, aus seinem Ohr kommt immer noch Blut. Ich empfehle ihm sich an die Antirassistische Initiative zu wenden und eine Dienstaufsichtsklage und Anzeige wegen Körperverletzung gegen die prügelnden Beamten einzuleiten. Ich schäme mich. Dann lasse ich ihn alleine in der Empfangshalle stehen.
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