Nach einem Konzert in Potsdam hielt der Tourbus der mexikanischen Band Panteón Rococó am 15. Oktober 2005 auf einer Raststätte bei Neuruppin. Dort wurden nach Angaben des Bandmanagers zwei Musiker von sechs Rechten angepöbelt und geschlagen. Die Attackierten seien zu ihrem Bus geflohen, wo die Rechten sie mit Bierflaschen beworfen hätten. Nachdem die übrigen Bandmitglieder alarmiert worden waren, habe man die Angreifer abgewehrt, wobei drei Rechte verletzt wurden. Der Bus fuhr zum nächsten Rastplatz, der Manager rief die Polizei. Als diese kam, habe sie den Musikern die Pässe abgenommen und den Busfahrer einer Drogenkontrolle unterzogen; die inzwischen eingetroffenen Rechten hätten unterdessen völlig unbehelligt Bier getrunken. Auf der Polizeiwache habe ein Beamter den Musikern gesagt, dass die Rechten auf eine Anzeige verzichten würden, und ihnen nahe gelegt, dies ebenfalls zu tun. In der Polizeimeldung wurde der Vorfall als »Streit zwischen einer ausländischen und einer deutschen Reisegruppe« bewertet und »ein ausländerfeindlicher Hintergrund« ausgeschlossen.
Aufgebracht informierte die Band die Medien. Anstatt den Beschwerden nachzugehen, nannte der Polizeipräsident die Vorwürfe öffentlich eine Unverschämtheit und stritt jedes Fehlverhalten seiner BeamtInnen pauschal ab. Erst als der Leitende Oberstaatsanwalt der Polizeiführung widersprach, wurde der Fall ein zweites Mal untersucht. Nachdem jetzt neu ermittelt werden muss, versichert er Leiter des Schutzbereichs Neuruppin, das beanstandete polizeiliche Verhalten sei ein Einzelfall gewesen. Ein Einzelfall ist es aber nur insofern, als die Betroffenen über Medienkontakte und Rechtsanwälte verfügen – allein deshalb wurde der Fall publik. Mehrfach haben Opfer rechter Gewalt berichtet, dass sie von PolizistInnen diskriminiert wurden. Häufig gibt es dafür jedoch keine unabhängigen ZeugInnen.
Zuletzt erfuhr die Opferperspektive von zwei binationalen Familien, die am 22. Juni 2005 von zwei Männern rassistisch beleidigt und geschlagen wurden. Auch in diesem Fall riet ein Polizist einem der Opfer, von einer Anzeige abzusehen. Der Beamte habe argumentiert, er wolle zunächst hören, was die Deutschen über den Vorfall zu sagen haben, die bereits die Opfer angezeigt hatten. Inzwischen ist für den Geschädigten die Frist für einen Strafantrag gegen die Deutschen verstrichen.
In der rechten Szene hat es sich herumgesprochen, dass es sich lohnen kann, die Opfer anzuzeigen, wenn diese sich gewehrt haben. Die Polizei ist dann verpflichtet, auch gegen die Opfer zu ermitteln. Und ganz schnell kann so aus einem rechten Überfall ein »Streit zwischen Deutschen und Ausländern« werden.
Aktuelles Opferperspektive