VBRG zum Gesetzentwurf für die Verbesserung des Schutzes gegen Feindeslisten


PDF: Stellungnahme BMB VBRG

Seit langem fordern engagierte Demokrat:innen, Initiativen und die im Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG) zusammengeschlossenen unabhängigen Opferberatungsstellen sowie die im Bundesverband Mobile Beratung e.V. (BMB) zusammen-geschlossenen Mobilen Beratungsteams, dass die Ermittlungs- und Strafverfolgungs-behörden die Bedrohungen durch neonazistische und extrem rechte „Feindes”- bzw. „Todeslisten” wesentlich ernster nehmen müssen. Die Bundesregierung will die Veröffentlichung von sogenannten Feindeslisten nunmehr unter Strafe stellen. Als Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.) gemeinsam mit dem Bundesverband Mobile Beratung (BMB e.V.) nehmen wir hierzu Stellung. 

§ 126a Gefährdende Veröffentlichung personenbezogener Daten
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) personenbezogene Daten einer anderen Person in einer Art und Weise verbreitet, die geeignet ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr eines gegen sie gerichteten Verbrechens oder einer sonstigen rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung sich mit diesem wichtigen Thema nunmehr intensiv auseinandersetzt und einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat. Es ist eine zentrale Frage für den demokratischen Rechtsstaat, wie der Schutz von Menschen gewährleistet wird, die von Neonazis, Aktivist:innen der extremen Rechten, organisierten Rassist:innen und Antisemit:innen, Corona-leugner:innen oder -verharmloser:innen bedroht und angegriffen werden – insbesondere auch, nachdem ihre persönlichen Daten wie etwa Wohnadressen, Anschriften von Arbeitgebern, Namen und Geburtsdaten von Kindern und anderen Angehörigen oder auch Pkw-Kennzeichen und Alltags-gewohnheiten veröffentlicht wurden – zunehmend auch durch außerdienstliche Zugriffe von Polizist:innen auf Polizeidatenbanken und die Weitergabe besonders geschützter Daten an extrem rechte Akteure und/oder Netzwerke.

Die Einführung eines neuen §126a StGB ist jedoch nicht geeignet, Menschen vor den
Gefahren rechter, rassistischer, antisemitischer oder misogyn motivierter Gewalttaten zu schützen, sie ausreichend über mögliche Gefahren zu informieren und ihnen professionelle Beratung zur Verfügung zu stellen.

1) Informationspflicht
Es ist fraglich, ob es vordringlich notwendig ist, die Verbreitung von Namenslisten unter Strafe zu stellen oder ob es nicht vordringlicher ist, die bestehenden Möglichkeiten besser aus-zunutzen. Denn in die Kritik geraten sind Behörden in letzter Zeit in erster Linie, weil sie entweder gar keine oder nicht ausreichend Auskunft über eine Bedrohungssituation von Betroffenen rechtsextremer, antisemitischer oder rassistischer Bedrohungen erteilt haben oder weil sie eine Gefährdung ausgeschlossen und nicht aktiv geworden sind und dies den Betroffenen gar nicht oder nicht hinterfragbar erläutert wurde.

2) Automatisierte Meldesperre
Gemäß § 51 Bundesmeldegesetz (BMG) kann die Meldebehörde nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen. Dies spielt allerdings in der alltäglichen Praxis bislang kaum eine Rolle. Grund hierfür dürfte sein, dass es bislang keine internen Regelungen zur regelmäßigen Information der Meldebehörden über das Vorhandensein von Bedrohungen für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit o. ä. schutzwürdige Interessen von Personen im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde gibt.

Ermittlungsbehörden aber auch die Landespolizei als die für die Gefahrenabwehr zuständige Behörde, sollten die Betroffenen sofort informieren:

a) wenn/dass ihre Daten auf „Neonazi-Feindeslisten“ online verfügbar sind – z.B. auf Social Media -Kanälen verbreitet werden, in Foren zugänglich sind etc.;
b) wenn/dass ihre Daten bei Hausdurchsuchungen bei Neonazis/Rechtsextremisten gefunden wurden;
c) oder wenn anderweitig bekannt wird, dass personenbezogene Daten von Neonazis, Rechtsextremisten oder anderen Personen rechtswidrig gesammelt, verbreitet oder weitergegeben werden;
d) oder wenn sich auch bei nicht rechtswidriger Datensammlung eine Gefährdung ergibt.

3) Feindeslisten durch Polizei und staatliche Stellen

Da durch die bundesweit bekannten Fälle, in denen Mitarbeiter:innen von Polizei und staatlichen Stellen selbst entweder Informationen an Neonazis weitergegeben haben oder sogar direkt Drohungen verbreitet haben, ohnehin ein erhebliches Misstrauen vorhanden ist, ist der Ausbau und der Verweis von Betroffenen an die unabhängigen fachspezifischen Opferberatungsstellen oder die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus dringend notwendig. Die Beratung erfolgt kostenlos, unabhängig, parteilich im Sinne der Betroffenen und auf Wunsch auch anonym und aufsuchend. Diese Faktoren sind für die erfolgreiche Beratung von Betroffenen rechter, rass-istischer und antisemitischer Gewalt und Bedrohungen essentiell. Zum anderen aber sind die Beratungsinstitutionen der Zivilgesellschaft besser geeignet eine Vermittlerposition zwischen staatlichen Stellen wie den ermittelnden Polizeidienststellen, die aufgrund ihres gesetzlichen Auftrags in erster Linie die strafrechtlichen Ermittlungen erfolgreich abschließen wollen und zu diesem Zwecke ihre Informationen für sich behalten wollen, und den Betroffenen einzunehmen, die nachvollziehbar alle Informationen über ihre Gefährdung am liebsten sofort haben möchten. Die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die die Listen veröffentlichen hilft den Betroffenen wenig, solange sie keine Anlaufstellen haben, wo ihnen bei ihren Anliegen geholfen wird – und sie befürchten müssen, dass ihre Daten weiterhin von Polizeicomputern widerrechtlich in die Hände von extrem rechten Akteur:innen und Netzwerke gelangen.

Robert Kusche,
Mitglied im Vorstand des VBRG e.V., Geschäftsführer der Opferberatung SUPPORT der RAA Sachsen e.V.

Bianca Klose,
Mitglied im Sprecher:innenrat des BMB e.V. und
Projektleiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR)

Für den vollen Text steht das PDF unter dem Bild zur Verfügung.

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