»Staatlicher Rassismus tötet Toleranz«

Liebe Freunde,

Ihr feiert heute den »Tag der Toleranz« – und werdet sicher verstehen, dass wir nicht mit euch feiern können:

Gestern wurde das von uns Prenzlauer Flüchtlingen geliebte iranische Mädchen in Dortmund begraben. Dortmund war der Wunsch der Eltern, weil wir hier nicht in Ruhe und Würde leben können. Man hat in der Uckermark einfach keine Toleranz für uns, wir werden gejagt und beleidigt! Unsere Leute werden mit Motorrädern verfolgt, und man sagt uns ganz offen, dass man uns töten will. Dass unseren Frauen auf offener Straße ins Gesicht geschlagen wird und niemand etwas dagegen macht von den Prenzlauer Bürgern, das sind nur einige wenige Erlebnisse aus dem Leben von uns Flüchtlingen. Nur weil wir genau wissen,wann, um welche Uhrzeit wir auf die Straße gehen dürfen; welche Straßen und Plätze wir vermeiden müssen, wann die Schulen zu Ende und viele Jugendliche auf Straßen, in Geschäften und in den Bussen sind, passiert uns nicht ständig was!

Indem wir uns einrichten und isolieren tragen wir zu einem guten Bild für die Uckermark bei. Bei allem reden wir erst gar nicht von der organisierten Naziszene, die für uns natürlich eine Katastrophe ist.

Nach Artikel 13 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO – die auch Deutschland unterschrieben hat und Verletzungen nur bei anderen sucht – hat »jeder Mensch … das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes…«. Das ist sogar in der deutschen Verfassung festgeschrieben – nur nicht für uns.

Dass uns der Wohnsitz vorgeschrieben wird, ist zu verstehen. Aber dass uns Flüchtlingen mit der sogenannten »Residenzpflicht« das Recht auf freie Bewegung genommen wird; dass wir im Landkreis eingesperrt werden, der mit offiziellen und inoffiziellen Angaben mehr als 30 % Arbeitslose hat und in dem wir uns nicht wie freie und normale Bürger bewegen können, weil uns erbarmungsloser Rassismus entgegenschlägt, es für unsere Leute lebensgefährlich ist, eine Diskothek zu besuchen…, das ist nicht zu verstehen. Statt dass wir mit der Polizei und dem BGS zusammenarbeiten, gegen Nazis, Gewalt und auch Kriminalität, erhalten sie den staatlichen Auftrag uns zu jagen, wenn wir auch nur nach Eberswalde – in einen für uns verbotenen Landkreis – fahren. Wegen Verlassen des Landkreises erhielt ein Flüchtling der Uckermark eine Geldstrafe von 3 000,-DM. Das bei 80,- DM Bargeld monatlich! Wo hört der Zynismus des deutschen Staates uns gegenüber auf?
Wann hört es endlich auf, dass uns von der Ausländerbehörde Geld weggenommen wird und wir uns vor den Mitarbeitern die Hosen runterziehen müssen!? Um die Demütigungen zu steigern, bekommt ein Erwachsener von uns weniger Geld als ein 17-jähriger Deutscher Taschengeld im Monat hat, – alles andere in Wertgutscheinen-, weil wir mit Geld nicht umgehen können. Die Ausländer – die Wilden – aus dem Busch. Die ihren Kindern nichts zu essen geben und sich lieber Stereoanlagen kaufen, wenn sie Bargeld haben. Staatlicher Rassismus tötet die von uns so dringend benötigte Toleranz des »normalen Durchschnittbürgers« und ist eine Basis für den Rassismus des »kleinen Mannes auf der Straße«. Nur so ist es zu erklären, wenn nach dem Unfall sich Bürger melden mit den Worten, dass »Die ja sowieso zu viele Kinder haben«.

Jahre schon suchen wir verzweifelt einen Schutz zum Überqueren der Straße am Wohnheim. Wir könnten ein Buch schreiben über die Ablehnungsgründe. – Abgelehnt, ignoriert und spöttisch belächelt. Niemand, der sich ernsthaft für unsere Rechte eingesetzt hat, das ist die traurige Vorgeschichte des Tods eines 6-jährigen Mädchens.
Der Journalist der Prenzlauer Zeitung beruft sich auf die Unfallstatistik: Bisher gab es nur einen Unfall mit einem Tier und nun wird ja auch ein Gitter gebaut ABER hoffentlich klettert darauf niemand herum! – Die Ausländer – diese Affen? Oder was meint er denn wohl?

Alle verdienen an unserer Not: Es gibt ein »Clubtelefon«: 50 Pfennige pro Minute – Normalgespräch! Statt dass der Betreiber des Heimes so was verbietet, verdient er noch an unserer Not. Ins Ausland zu unseren Familien können wir erst gar nicht damit telefonieren: Das Geld verschwindet so schnell, wie die Bestechungsgelder für die Leuna-Werke in schwarzen Kanälen. Wenn in unseren Heimatländern Tag ist, ist in Deutschland Nacht. Also gehen wir in die 1000 Meter entfernte nächste Telefonzelle in der Nacht.

Angriffe gab es schon auf uns aber nach Statistik wurde noch niemand totgeschlagen…. Vielleicht findet der Journalist dann heraus, dass vorher nur mal ein Igel überfahren wurde.

Wir wollen eigentlich nur unter Achtung unserer Menschenwürde behandelt werden und wenn wir die in der Uckermark oder im Land Brandenburg nicht erhalten, wollen wir ohne Angst vor Polizei und Ausländerbehörde und Gerichten haben zu müssen als freie Menschen Nach Berlin oder Köln oder Hamburg!!!!

Wir bitten Euch alle hier und alle Uckermärker um ein kleines bisschen Verständnis.

Wir brauchen nicht EINEN Tag der Toleranz! Wir wollen ein Leben lang 365 Tage Toleranz!

Besonders an diesem Tag, in dessen Vorbereitung wir auch gar nicht integriert waren, können wir nicht teilnehmen. Wir danken Euch, dass wenigstens der Charakter der Veranstaltung abgeändert werden soll, und werden uns zurückziehen, um zu trauern.

Dabei werden wir in unsere Gedanken alle Menschen aufnehmen, die uns bisher geholfen haben – durch ihre aktive Tat und durch Spenden -. Dieses sind unsere Brüder und Schwestern und wir fühlen uns mit ihnen innig verbunden.

Aktuelles