Gemeinsame Presseerklärung von Flüchtlingsrat Brandenburg, Women in Exile & Friends und Opferperspektive e.V.
Istanbul-Konvention auch in Brandenburg konsequent umsetzen – Rita O.s Tod muss aufgeklärt werden!
Der Skandal um den bis heute nicht aufgeklärten Tod von Rita O. in der Sammelunterkunft für Geflüchtete in Hohenleipisch steht symptomatisch für die unzureichende Umsetzung der Istanbul-Konvention in Bezug auf geflüchtete Frauen und Mädchen in Brandenburg. Bis heute ist das Verfahren nicht abgeschlossen, geschweige denn wurde Anklage erhoben. Es entsteht der Eindruck, dass die Ermittlungsbehörden kein Interesse an der Verfolgung der Tötung von Rita O. haben und dass eine Anklageerhebung staatlicherseits verschleppt wird, in der Hoffnung, der Skandal um ihre Tötung und die katastrophalen Ermittlungsarbeiten würde in Vergessenheit geraten.
Die Unterbringung in Hohenleipisch, wie auch in anderen Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen, ist für Frauen und Mädchen nicht sicher. Rita O.s Fall zeigt, was schlimmstenfalls passieren kann, wenn Frauen, die mitteilen in Gefahr zu sein, nicht geglaubt wird, Gewaltschutzkonzepte nicht wirken und geflüchtete Frauen gegen ihren Willen in Sammelunterkünften leben müssen.
Rita O., die 32-jährige Mutter zweier Kinder verschwand Ende April 2019 aus ihrem Zimmer in der isoliert im Wald gelegenen Unterkunft in Hohenleipisch, Landkreis Elbe-Elster. Zuvor hatten sich Rita O. und auch andere Frauen aus der Gemeinschaftsunterkunft, sich mehrfach über einen Mann beschwert, vor dem sie Angst hatten. Auf ihre Besorgnisse war nicht eingegangen worden. Es gibt eine Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass Rita O. Opfer eines Verbrechens durch diesen Mann, der eine Beziehung mit ihr führen wollte, geworden ist. Unter anderem berichtete ihr Sohn sehr zeitnah, dass dieser Mann seine Mutter niedergeschlagen und dann mitgenommen habe. Trotz dieser Anhaltspunkte setzte die herbeigerufene Polizei nicht alle Hebel in Bewegung, um Rita zu suchen und ggf. zu retten, sondern behauptete, z.T. mit deutlich sexistischen und rassistischen Untertönen, dass es eher wahrscheinlich sei, dass sich die junge Frau abgesetzt hätte, um woanders ein neues Leben zu führen. Nicht einmal der Umstand, dass sie ihre beiden kleinen Kinder allein gelassen hatte, obwohl sie von allen als stets fürsorglich beschrieben wurde, veranlasste Polizei bzw. Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen zu intensivieren. Erst nach massivem zivilgesellschaftlichem Druck wurde viele Wochen nach Ritas Verschwinden der Wald um das Heim durchsucht und in 300 Metern Entfernung zur Sammelunterkunft die sterblichen Überreste von Rita O. gefunden. Wichtige Spuren und Beweise waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden. Dennoch besteht nach Aussage der Anwältinnen der Familie von Rita O. ein hinreichender Tatverdacht gegen den Mann, von dem sich Rita O. bedroht fühlte.
Am 10. November 2021 findet der Fachtag „Istanbul goes Brandenburg: Jetzt! Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen und Mädchen: Fachtag zu Vernetzung und Austausch zur Umsetzung der Istanbul-Konvention“ statt. Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, kurz Istanbul-Konvention, verpflichtet alle Träger staatlicher Gewalt, „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen“ (Art. 1 Abs. 1 lit. a). Die Rechte der Istanbul-Konvention müssen Staaten diskriminierungsfrei für alle Frauen und Mädchen gewährleisten (Artikel 4 Abs. 3).
Wir fordern, dass
- der Tod von Rita O., die Umstände die ihn möglich machten und dass Versagen der Strafverfolgungsbehörden bei dessen Aufklärung juristisch und politisch untersucht und aufgearbeitet werden,
- die Unterkunft in Hohenleipisch aufgelöst wird,
- das Land Brandenburg geflüchtete Frauen und Mädchen in Wohnungen statt in Sammelunterkünften unterbringt,
- dass solange Mädchen und Frauen in Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen leben müssen, die Umsetzung und Wirksamkeit von Gewaltschutzkonzepten regelmäßig intern und extern überprüft wird und unabhängige Beschwerdestellen für Bewohner*innen niedrigschwellig erreichbar sind,
- das Land Brandenburg seiner Verpflichtung geflüchtete Frauen und Kinder vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen nachkommt und die Istanbul-Konvention in allen Bereichen konsequent umsetzt
Hintergrund
26.08.2021: Pressemitteilung von Women in Exile & friends: Gerechtigkeit für Rita! – Kundgebung für die Rechte von geflüchteten Frauen in Brandenburg und gegen Gewalt an Frauen
15.07.2021: Pressemitteilung des Flüchtlingsrats Brandenburg mit PRO ASYL und anderen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention und der Veröffentlichung des Schattenberichts für GREVIO: „Zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Bezug auf Geflüchtete Frauen und Mädchen in Deutschland“
Juli 2019: Offener Brief von Bewohner*innen der Gemeinschaftsunterkunft in Hohenleipisch
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