POTSDAM. Der anderthalb Jahre währende Streit um einen vermeintlich ausländerfeindlichen Polizeieinsatz in Rathenow (Havelland) vom August 2000 ist vorerst vorbei. Das Amtsgericht Potsdam stellte am Dienstag das Verfahren ein, in dem ein Mitarbeiter des Potsdamer Vereins »Opferperspektive« wegen »übler Nachrede« angeklagt war. Kay Wendel hatte seinerzeit in einer Pressemitteilung der Rathenower Polizei vorgeworfen, »mit Gewalt« gegen einen britisch-chinesischen Journalisten vorgegangen zu sein, der eigentlich Opfer der rassistischen Attacke eines jungen Deutschen war. Wendel ist inzwischen Projektleiter des Vereins, der sich um die Interessen von Opfern rechtsextremer Gewalt kümmert.
Dem heute 27-jährigen Briten Justin Jin hatte laut der umstrittenen Pressemitteilung eine Polizistin Kamera und Mobiltelefon entrissen, Jin selbst sei mit den Armen »auf dem Rücken verdreht« abgeführt worden. Gegen den deutschen Angreifer – der später wegen Körperverletzung und Volksverhetzung verurteilt wurde – unternahmen die beiden Beamtinnen am Ort nichts.
Dies bestätigten die Polizistinnen, heute 26 und 34 Jahre alt, auch am Dienstag vor Gericht. Beide sagten, sie hätten von einer Körperverletzung oder einem Angriff auf Jin oder seine drei schwarzen Begleiter nichts bemerkt, obwohl sie von einem der Afrikaner genau deswegen zu Hilfe gerufen worden waren. Vielmehr sagte die jüngere Frau, die Gefahr sei ihrem Eindruck nach von »Herrn Jin ausgegangen, weil der Deutsche doch nicht fotografiert werden wollte«. Allerdings räumte sie ein, Justin Jin weder nach seinen Personalien noch nach dem Grund für sein Fotografieren gefragt zu haben. So erfuhr sie auch nicht, dass Jin sich beruflich für eine Reportage zum Thema Rassismus in Brandenburg mit einigen Asylbewerbern aus Rathenow getroffen hatte.
Beide Beamtinnen sagten, es habe ohnehin große Verständigungsschwierigkeiten gegeben, weil die »ausländischen Bürger nur wenig Deutsch« sprachen. Und Englisch, so die jüngere Beamtin, gehöre nun mal nicht zur Polizeiausbildung. Die Polizistinnen bestritten allerdings vehement, irgendeine Form von Gewalt gegen Justin Jin angewandt zu haben. Handy und Kamera seien ihm zwar abgenommen, aber nicht »entrissen« worden. Man habe ihm auch keinesfalls den Arm verdreht, sondern ihn, wenn auch zu zweit, »leicht an der Schulter gefasst« und zum Auto geführt, und zwar zu »seinem eigenen Schutz«. Tatsächlich fühlte sich Justin Jin nach seiner Aussage nicht beschützt, sondern »in Arrest« genommen.
Der Staatsanwalt sagte am Dienstag, die Szene sei je nach Perspektive unterschiedlich bewertbar. Kay Wendel von der Opferperspektive träfe, wenn überhaupt, aber nur geringe Schuld. Die Richterin folgte seinem Antrag und stellte das Verfahren ein.
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