Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
meine Damen und Herren!
Heute beginnt die Kulturwoche für Ausländer in Brandenburg. Wir sind für diesen Tag sehr dankbar. Dankbar deshalb, weil es für uns eine Gelegenheit ist, unsere Gedanken auszudrücken. Dankbar auch deshalb, weil die Behörden sonst 365 Tage lang nicht einen Tag an uns denken.
Wir sind davon überzeugt: Die Behörden haben insgeheim vor, der Welt das Bild zu vermitteln, dass in Brandenburg mit den Ausländern alles in Ordnung sei. Sie wollen der Welt Honig ums Maul schmieren und glauben machen, dass Brandenburg gegenüber Ausländern tolerant sei. Doch den Asylbewerbern wurde leider ihr Menschsein genommen. Wir haben den Behörden viele offene Briefe über unser Leben in Brandenburg geschrieben. Leider fehlt ihnen der Wille, mit allen ihnen zu Verfügung stehenden Kräften unsere Menschenwürde wieder herzustellen. Deswegen und aus den beiden folgenden Gründe werden wir an diesem Kulturfest nicht teilnehmen.
Erstens: unser Ausschluss aus der Gesellschaft. Die Asylgesetze haben uns aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Wir bleiben, egal wie lange wir in dieser Gesellschaft leben, immer Ausländer.
Zweitens: die anhaltende rassistische Diskriminierung, von der wir betroffen sind. Wir sind den Angriffen rechter Hooligans ausgesetzt. Zum Beispiel wurde im Februar 1999 Omar Ben Noui aus Algerien in Guben in den Tod gehetzt. In Rathenow wurde Khalid Mahmood in der Sylvesternacht brutal attackiert. Er erlitt schwere körperliche Verletzungen, verlor zwei Zähne und verbrachte fünf Tage im Krankenhaus. Einige Tage später wurde auch Andy John brutal angegriffen. Er verlor einen Zahn und erlitt körperlicher Verletzungen. Im April Luc Marcel Iyabi in Neustadt/Dosse. Wiederum in Rathenow wurden Christopher Nsoh, Sefary Jalloh, Koku Afantodgi und der britische Journalist Justin Jin angegriffen. Obwohl das Jahr noch nicht zu Ende ist, haben wir mehr rassistische Gewalttaten als letztes Jahr registriert.
Sehr geehrte Damen und Herren, als das Asylrecht formuliert, verabschiedet und veröffentlicht wurde, haben die Deutschen und andere Europäer dieses Gesetz als Garantie der Menschenwürde angepriesen. Zu jener Zeit waren fast alle europäischen Länder in einer Krise der einen oder der anderen Art: einer rassistischen, religiösen, politischen, nationalen etc. Dieses Gesetz ebnete vielen Deutschen und anderen Europäern den Weg für Flucht und Asyl in andere Ländern. Einige der Asylsuchenden sind heute Staatsangehörige dieser Aufnahmeländer. Aber heute tun sich einige Deutsche und besonders Brandenburger damit hervor, diese Garantie der Menschenwürde anzugreifen. Das hat solche Ausmaße angenommen, dass wir uns immer in Angst bewegen, weil unser körperliches Aussehen schon Provokation genug ist. In Brandenburg ist die Lage alarmierend.
Als Ausländer haben wir immer Angst: man begegnet uns mit rassistischen Blicken, wir werden bespuckt, wir werden in der Öffentlichkeit mit Flüssigkeit übergossen, wir werden mit brennenden Zigaretten beworfen.
Das fremdenfeindliche Dogma wurde in den Mainstream der Politik dieses Landes eingepflanzt, besonders in Brandenburg. Das hat Gewalt gegen Minderheiten hervorgerufen. Wir appellieren an die Landesregierung von Brandenburg: Wenn sie ihre große Verantwortung nicht wahrnimmt, kann das gefährliche und sogar tödliche Folgen haben.
Wir möchten dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder unseren Dank aussprechen, weil er in dreierlei Hinsicht dem Immigrations- und Asyl-Bereich seine Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Es wäre ein Grund des Stolzes, wenn alle Deutschen die Politik der Eliminierung des Rassismus verfolgen würden, wenn sie die Politik der Integration aller in dieser Gesellschaft lebender Menschen ermutigen würden. Die Regierung sollte darauf achten, dass alle öffentlichen Behörden und Institutionen im Einklang mit dieser Verpflichtung handeln, indem sie gegenüber allen Einwohnern ehrlich und unparteiisch sind. Wir sollten uns nicht auf Rassismus auf der Straße beschränken, sondern wir sollten auch Rassismus in den Gesetzen und in den Institutionen beachten. Wenn man sich mit diesen beiden anderen Bereichen kritisch auseinandersetzt, ist das Ende des Tunnels nicht mehr allzu fern. Wir appellieren an die nationalen und internationalen Organisationen: Ein Staat ohne eigenes Anti-Rassismus-Gesetz ist der Haupttäter des Rassismus. Reden gegen Rassismus sind gut gemeinte Akte, haben aber leider keine Rechtsverbindlichkeit.
Als Minderheiten in der Gesellschaft möchten wir auf unsere Diskriminierung aufmerksam machen. Wir leben an den Rand gedrängt, werden wie Bürger zweiter Klasse behandelt, und viele Politiker und hohe Ministerialbeamte nutzen uns als Köder, um Wählerstimmen zu fangen. Wir wissen, dass wir bei Wahlen keine Stimme haben, aber wir haben eine Stimme zum Sprechen.
Zweitens sind wir unter den Asylgesetzen zu einer Gefängnisstrafe von unbestimmter Dauer verurteilt; uns ist unsere Menschenwürde genommen. Die meisten unserer Asylbewerberheime liegen zum Beispiel tief im Wald. In Brandenburg ist es hier am schlimmsten. In Brandenburg sind die meisten dieser Gebäude ehemalige Stasi-Objekte, weit entfernt von der Bevölkerung. Sie sind zu Asylbewerberheimen umgewandelt, wo mindestens vier Menschen in einem kleinen, stickigen Zimmer wohnen. Die Gebäude sind immer in einem für menschliche Existenz schädlichen Zustand. Wenn diese Heime nicht in Stand gehalten werden, bekommen die Kinder wegen der schlechten Wohnverhältnisse Bleivergiftungen.
Wir haben keine Bewegungsfreiheit. Dieses eigenartige deutsche Gesetz erinnert uns an die Apartheid-Ära in Südafrika, wo Schwarze eine Erlaubnis nach dem so genannten Passgesetz brauchten, wenn sie ihren Gerichtsbezirk verlassen wollten. Heute leben wir Asylbewerber unter Verhältnissen, in denen wir eine Erlaubnis brauchen, wenn wir unseren Gerichtsbezirk verlassen wollen.
Als Asylbewerber haben wir kein Recht auf Bildung. In unserem Ausweis steht gestempelt, dass eine Ausbildung für einen Asylbewerber verboten ist. Wir wollten immer glauben, dass Bildung keine Grenzen kennt, aber heute ist das anders. Was für eine zivilisierte Gesellschaft!
Wir bekommen 80 DM Taschengeld im Monat. Der Rest unserer Sozialhilfe ist in Wertgutscheinen. Damit können wir nicht dort einkaufen, wo wir wollen, und wir können nicht so einkaufen, wie wir wollen. Wir sind zum Beispiel gezwungen, zu einem Anteil von 90 % einzukaufen. Wir haben nicht die Freiheit, außerhalb unseres Landkreises einzukaufen. Bestimmte Dinge unserer Wahl können wir nicht kaufen.
Wir haben keine Arbeitserlaubnis. Wir fragen, wie kann ein Mensch ein bis zehn Jahre lang vor sich hinvegetieren, völlig inaktiv? Die Leute werden fast jeden Tag verrückt, sie bekommen Nervenprobleme und werden faul. Wir werden als Konsumenten des Geldes der Steuerzahler angesehen. Doch sollten wir das universelle Gesetz beachten: »Der Mensch ist geboren, um aktiv zu sein.«
Wir leiden unter den brutalen Abschiebungen. Überall in diesem Land sind unsere Freunde in Abschiebeknästen eingesperrt. Nachdem wir in diesen inhumanen Verhältnissen gehalten werden, ist der letzte Schlag die Abschiebung. Wir appellieren an die Regierung, Asylbewerber zu respektieren und ihnen das Recht zu geben, in dieser Gesellschaft zu leben. All die schlechten Lebensbedingungen haben uns zu der Erkenntnis gebracht, dass Deutschland die höchste Zahl an inoffiziellen Gefängnissen hat, die Asyllager. Wenn das in ganz Europa so ist, dann hat Europa die höchste Zahl an inoffiziellen Gefängnissen. Wo aber sind die Menschenrechtsorganisationen?
Wir möchten allen danken, die dazu beigetragen haben, dass unsere Stimme gehört wird.
Danke.
Aktuelles AsylbewerberInnen aus Brandenburg