Potsdam – Rechte Gewalt bleibt ein Dauerproblem in Brandenburg. Der in Potsdam ansässige Verein Opferperspektive hat im vergangenen Jahr 137 rechtsmotivierte Angriffe festgestellt, das waren fast genauso viele wie 2006 und 2005 (je 140). Wahrscheinlich werde sich die Zahl noch durch Nachmeldungen erhöhen, hieß es gestern bei dem Verein, der sich seit zehn Jahren um Menschen kümmert, die von Rechtsextremisten und anderen Rassisten attackiert wurden. Von den 137 Straftaten seien 233 Menschen direkt und weitere 89 als Begleitpersonen der Opfer betroffen gewesen, teilte der Verein mit. Mehr als 130 Menschen hätten Verletzungen erlitten.
Dem Verein wurden zudem 26 Nötigungen und versuchte Körperverletzungen sowie sechs Brandstiftungen bekannt, bei denen ausländische Imbisse beschädigt oder sogar zerstört wurden. Außerdem gebe es weitere Straftaten gegen Imbisse, die nicht aufgeklärt sind. Die Bedrohung von Gewerbetreibenden mit Migrationshintergrund habe sich »erkennbar zugespitzt«, warnte der Verein. Laut Opferperspektive waren 64 der 137 rechten Angriffe rassistisch motiviert. In 62 Fällen wurden Linke und
andere nicht-rechte Personen attackiert. Kritik äußerte der Verein am Landeskriminalamt, das sich weigere, Informationen über rechte Straftaten direkt an die Opferperspektive weiterzugeben. Im vergangenen Jahr hätten die Opfer von 25 Gewalttaten keine Hilfe mehr erhalten, weil der Verein viel zu spät Kenntnis von den Fällen erhielt. Dieser Zustand sei “inakzeptabel”, monierte der Verein. Er bekommt seine Informationen über direkte Anrufe von Opfern oder Zeugen, er wertet Medienberichte aus und die Antworten der Regierung auf Anfragen der Linksfraktion im Landtag. Vereinzelt gebe es auch Kontakt zu Polizeidienststellen, hieß es. Der Verein sucht die Opfer rechter Gewalt auf und vermittelt ärztliche Betreuung und Rechtsbeistand. Außerdem begleiten Vereinsmitglieder Opfer zu Prozessen gegen die Täter. Das Landeskriminalamt wies die Vorwürfe zurück: Aus datenschutzrechtlichen Gründen könnten keine personenbezogenen Daten an Dritte weitergereicht werden. Außerdem gäben die Polizeidienststellen den Personen, die von Rechtsextremisten angegriffen wurden, Faltblätter des Vereins und weiterer Opferhilfeverbände.
Einen Fall, der besonderes Aufsehen erregte, hat der Verein Opferperspektive ebenfalls in seiner Statistik aufgeführt. Im Mai wurde der Kameruner Student Oscar M. in Cottbus von einem angetrunkenen Polizisten, der nicht im Dienst war, mit dem N-Wort beleidigt und geschlagen. Der Afrikaner wehrte sich, der Beamte ging zu Boden und erhielt noch einen Tritt. Fast drei Wochen verschwieg die Polizei der Öffentlichkeit, was vorgefallen war. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Polizisten und den Afrikaner Anklage erhoben. Dem Beamten werden Körperverletzung, Nötigung und Beleidigung vorgeworfen, der Student muss sich wegen des Trittes verantworten. Der Polizist ist laut Staatsanwaltschaft weiter im Dienst. Am 18. März wird am Amtsgericht Cottbus gegen den Beamten und den Afrikaner verhandelt. Das Verfahren wegen Beleidigung gegen Polizisten, die zum Tatort gerufen worden waren und Oscar M. mit dem N-Wort bezeichneten, stellte die Staatsanwaltschaft ein — die Beamten hätten nicht den Studenten N-Wort genannt, sondern das Wort nur untereinander verwandt.
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