Innenminister Dietmar Woidke (SPD) will 18 Mordfälle, die einen rechten Hintergrund haben könnten, neu prüfen. Das Aktionsbündnis hatte eine Neubewertung angemahnt. Journalisten und der Verein Opferperspektive gehen von mindestens 27 Opfern rechter Gewalt seit 1990 aus; bislang sind davon neun offiziell anerkannt.»Wenn Tötungsverbrechen in unserem Land einen rechtsextremistischen Hintergrund hatten, muss das die Öffentlichkeit in jedem einzelnen Fall wissen. Das sind wir vor allem den Opfern und ihren Angehörigen schuldig«, erklärte Woidke am Dienstag gegenüber den Potsdamer Neuesten Nachrichten. Einen Tag zuvor hatte das Aktionsbündnis die Landesregierung aufgefordert, »die Tötungsdelikte, die von Opferberatungsstellen und Journalisten als rechts motiviert bewertet werden, zu überprüfen.« 18 Taten, bei denen nach Recherchen des Vereins Opferperspektive, des Tagesspiegel und der Frankfurter Rundschau eine rechtsextreme Tatmotivation vorliegt, sind bislang in der brandenburgischen Polizeistatistik nicht als politische Delikte erfasst.
Heilgard Asmus, Vorsitzende des Aktionsbündnisses, begrüßte die Ankündigung Woidkes. »Wenn die Landesregierung dafür sorgt, dass in Brandenburg Opfer rechter Gewalt auch als solche anerkannt werden, wäre das vorbildlich.« so Asmus. In Sachsen-Anhalt wurden aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nach der Aufdeckung der NSU-Morde drei Taten nachträglich als rechts motiviert klassifiziert; in Sachsen wurden kürzlich zwei Fälle neu bewertet, nachdem die LINKE Druck auf die dortige Landesregierung ausgeübt hatte.
Auch Marcus Reinert freute sich über die schnelle Reaktion des Innenministers. Der Geschäftsführer des Vereins Opferperspektive hatte am Montag Abend den Mitgliedern des Aktionsbündnisses die Mordfälle geschildert und vorgeschlagen, bei der Landesregierung auf eine Überprüfung zu drängen.
Fast alle der 18 Mordtaten ereigneten sich in den 1990er Jahren. »In vielen Fällen waren Polizei und Justiz damals überfordert« so Reinert, es gab »schwere Versäumnissen bei der Ermittlung der Tatmotivation«. Der Verein Opferperspektive schlägt vor, dass ein Gremium unabhängiger Sachverständiger die rechten Gewalttaten aufarbeitet. Bundesweit sollen es nach Recherchen der Opferperspektive und des Tagesspiegel mindestens 169 Menschen sein, die seit 1990 aufgrund rechter Angriffe ums Leben kamen, 27 davon in Brandenburg.
Das Aktionsbündnis beschloss außerdem, sich um eine angemessene Erinnerung an Todesopfer rechter Gewalt zu bemühen und entsprechende Initiativen von Vereinen und Kommunen zu unterstützen. Kai Jahns, der Eberswalder Koordinator gegen Fremdenfeindlichkeit, hatte dem Plenum zuvor die Auseinandersetzungen um das Gedenken an Amadeu Antonio geschildert. Ebenfalls traten Neuruppiner Jugendliche aus dem Jugendzentrum Mittendrin auf, die sich für eine Erinnerung an Emil Wendland einsetzten und im Juli dieses Jahres eine Gedenktafel in der Fontanestadt aufstellten. Der damals 50jährige Wendland war 1992 von Neonazis niedergestochen worden, die sich zuvor zum »Penner klatschen« verabredet hatten. Der Mord ist einer der Fälle, die nun überprüft werden sollen.
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