Mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille hat die Internationale Liga für Menschenrechte am Sonntag in Berlin die Brandenburger Flüchtlingsinitiative, den Verein Opferperspektive und Tagesspiegel-Redakteur Frank Jansen geehrt. Alle drei Preisträger versuchten auf ihre Weise, »den Gewalttaten des Rechtsextremismus und dem Verhalten der schweigenden Mehrheit entgegenzuwirken und die Menschenwürde zu verteidigen«, sagte die iranische Menschenrechtlerin und Vorjahrespreisträgerin Monireh Baradaran bei ihrer Laudatio. Mut und Engagement der Geehrten gebe die Hoffnung, dass sich der Faschismus in Deutschland nicht wiederhole.
Fanny-Michaela Reisin, die Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte, erinnerte daran, dass von gewalttätigen Übergriffen nicht nur Bürgerkriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge, sondern alle sozial Schwachen – Obdachlose, Behinderte und Sozialhilfeempfänger – betroffen seien. »Das Problem der Gewalttaten von Neonazis und Skins ist eine Aufgabe der Politik, der Gesellschaft und von uns allen«, sagte sie. Die Aufgabe, die braune Szene gesellschaftlich zu isolieren, zu ächten und an ihren Untaten zu hindern, sei eine Daueraufgabe.
Unter Ausländern in Deutschland grassiere die Angst, »und zwar nicht erst seit diesem Sommer und nicht allein in Ostdeutschland«, beklagte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Claudia Roth. Die SPD-Politikerin kritisierte, die politisch Verantwortlichen hätten die rechte Gewalt viel zu lange verdrängt und bagatellisiert.
Diese Verdrängung der Realität durch Bürgermeister und Behörden sei »eine Art Webfehler des politischen Systems der Bundesrepublik«, erklärte Tagesspiegel-Redakteur Frank Jansen. Als Beleg nannte Jansen die Statistiken des Bundeskriminalamtes (BKA) über rechte und rassistische Gewalt. Erst vor zwei Wochen hätte das BKA erstmals zugegeben, dass die bislang genannten offiziellen Zahlen über Opfer »seit Jahren« viel zu niedrig angesetzt worden seien.
Die Internationale Liga für Menschenrechte vergibt die Carl-von Ossietzky-Medaille seit 1962 für besondere Verdienste um die Menschenrechte. Zu den Preisträgern zählen unter anderem Günter Grass, Helmut Gollwitzer, Heinrich Böll, Heinrich Albertz, Ingeborg Drewitz, Martin Niemöller, Günter Wallraff und Erich Fried.