Aus Anlass des Prozessbeginns rufen antirassistische Gruppen zu einer Kundgebung unter dem Motto »Solidarität mit Tung – Gegen die rassistische Normalität in Ostsachsen« am Friedrich-Engels-Platz in Bautzen in der Zeit von 8.30 Uhr bis mindestens 15.30 Uhr auf. Unterstützer dieser Veranstaltung sind u.a. das Netzwerk »Kein Mensch Ist Illegal« Dresden, die Antirassistische Initiative Berlin und die Opferperspektive-Ostsachsen e.V..
Mitte Dezember letzten Jahres hat Tung, ein damals 15-jähriger Jugendlicher, der vor fünf Jahren aus Vietnam nach Bernsdorf kam, im Verlauf einer Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen einen der Rechtsradikalen mit einem Messer getötet und einen weiteren schwer verletzt. Dem unmittelbar voraus gegangen war, dass eine Gruppe von mehreren Rechtsradikalen auf dem Weihnachtsmarkt herumgepöbelt und schließlich Tungs Familie mit rassistischen Äußerungen angegriffen und bedroht hatte. In dieser Situation sah Tung offenbar keine andere Lösung als mit einem Messer bewaffnet sich zur Wehr zu setzen.
Tung ist in den letzten Jahren immer wieder Opfer einer in Ostsachsen alltäglichen rassistischen Gewalt geworden. Er erlebte Tag für Tag am eigenen Leib, wie die Menschen, denen ihre nichtdeutsche Herkunft anzusehen ist, nur aufgrund ihres Äußeren diskriminiert und ausgegrenzt werden.
Aus den Erfahrungen unserer Arbeit in der Opferperspektive-Ostsachsen e.V. wissen wir, dass rassistische Gewalt in Ostsachsen alltäglich geworden ist.
Fast wöchentlich kommt es zu Übergriffen gegen Nichtdeutsche und Andersdenkende aus menschenverachtenden Motiven. Aber auch neben der bloßen körperlichen Gewalt gibt es noch viel öfter die alltägliche verbale und nonverbale rassistische Gewalt gegenüber denen, die als Andere oder als Nichtdeutsche von der Gesellschaft verstanden werden. Nichtdeutsche Familien erleben hier ein Klima der Ausgrenzung und Diskriminierung in allen Teilen der Gesellschaft.
In diesem Klima agieren Rechtsradikale dann oftmals als »Vollstrecker eines Volkswillen«, wenn sie Nichtdeutsche und Andersdenkende angreifen. Wie sonst ist es auch zu erklären, dass auf einem Weihnachtsmarkt, der von vielen Menschen besucht wird, niemand eingreift oder wenigstens die Polizei ruft, wenn eine vietnamesische Familie angegriffen wird?
Interessant ist in diesem Zusammenhang sicher auch noch, wer die Opfer von Tungs Tat sind. Der Verstorbene galt als dem Staatsschutz einschlägig als Rechtsradikaler bekannt. Und auch der schwerverletzte Rechtsradikale hat nach unseren Informationen eine führende Stellung innerhalb der rechtsextremistischen Szene in Bernsdorf eingenommen.
Wir gehen davon aus, dass die Opfer keine »normalen Jugendlichen« sondern fest in die rechtsextremistische Szenen integrierte Rechtsradikale waren. So plante die Gruppe der Rechtsradikalen, die auf dem Weihnachtsmarkt herumpöbelten, am Abend ein rechtsextremistisches Konzert zu besuchen. Ebenso nahmen an der Trauerfeier für den Toten etwa 300 Neonazis aus Sachsen, Brandenburg und Berlin teil, darunter führende ostdeutsche Neonazis.
Schließlich kam es im Nachhinein zu massiven Drohungen gegenüber Personen, die sich gegen rechtsradikale Gewalt aussprachen.
Aus der Solidarität mit den Opfern rechtsradikaler und rassistischer Gewalt unterstützen wir die Initiative für eine Kundgebung am ersten Prozesstag gegen Tung.
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