Gemeinsame Presseinformation von
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Antifa Guben, Opferperspektive, Anlaufstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt (Cottbus)
Über ein Jahr dauert nun das Gerichtsverfahren um den Tod Farid Guendouls an. Der algerische Asylsuchende starb am 13. Februar 1999 in Guben, weil er von einer Gruppe rechter Jugendlicher bedroht und verfolgt wurde. Der Prozess gegen 11 Angeklagte begann am 3. Juni 1999 am Landgericht Cottbus.
Falls jemals jemand geglaubt haben sollte, dieser Prozess könnte eine »erzieherische Wirkung« auf die Täter haben, sollte er oder sie inzwischen etliche Male eines Besseren belehrt worden sein. Nicht nur, daß sich die Angeklagten und einige Verteidiger zuweilen herzlich amüsieren, z.T. geben Angeklagte ihre Gesinnung ganz offen zu erkennen. Da trägt die Bomberjacke schon mal einen »Nationaler Widerstand«-Aufnäher. Drei der Angeklagten waren in Guben an den rechtsextremen Ausschreitungen zu Silvester beteiligt, zwei wurden im März bei der Schändung des Gedenksteins für Farid Guendoul gestellt.
Farid Guendoul ist tot, die beiden Überlebenden der Hetzjagd sind durch die traumatischen Erlebnisse in ihrem Leben sehr eingeschränkt. Im Leben der Täter hat sich bis auf ein paar lästige Gerichtstermine nicht viel geändert. Ihr soziales Umfeld gibt ihnen Unterstützung und im Einzelfall dürfte die Verteidigung durch Wolfram Nahrath, einen exponierten Vertreter der rechtsextremen NPD, für den Täter sogar eine Aufwertung, eine positive Bestätigung seiner Tat bedeuten. Es war für die 11 Angeklagten normal, einen Menschen zu jagen. Und diese Normalität wurde nicht gebrochen.
Wir stellen uns nicht in die Reihe derer, die angesichts der Art und Weise dieses Gerichtsverfahrens einen kurzen Prozess, eine Verschärfung des Strafrechts fordern. Beschuldigte haben in einem Strafprozess Rechte und die sollen sie ausüben – auch wenn das Auftreten der Angeklagten und eines Teils ihrer Verteidiger nicht hinzunehmen ist. Durch diesen Prozess wird nur einmal mehr deutlich, dass sich die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus nicht an die Justiz delegieren lässt. Der Tod Farid Guendouls kann nur schwerlich im Gerichtssaal aufgearbeitet werden.
Es gibt nicht wenige, die sich von einem Urteil erhoffen, einen Schlussstrich ziehen, wieder zur Tagesordnung übergehen zu können. Doch damit würden die Probleme verdrängt. Farid Guendoul war auf der Flucht. In Deutschland wurde er per Gesetz dazu bestimmt, unter erniedrigenden Umständen zu leben. Er wurde – wie viele andere – ausgegrenzt, bedroht, verfolgt. Das ist Normalität und es wird von einer Mehrheit als normal empfunden, so können sich die Täter als Vollstrecker dieses Denkens fühlen. Die 11 Angeklagten kommen keineswegs aus dem Nichts. Jemand hat ihren Äußerungen nicht widersprochen, jemand hat sie ihre rechte Musik hören lassen, jemand hat ihr offensichtliches Bekenntnis zu einer rechten Szene geduldet oder unterstützt. Die Fragen, die sich aus all dem ergeben, werden nicht im Gerichtssaal behandelt. Das muss eine gesellschaftliche Aufarbeitung des Todes von Farid Guendoul leisten.
Diese Art der Aufarbeitung findet derzeit keinen Konsens. In Städten wie Guben ist man um sein Image bemüht und versucht Positives herauszustellen. Staatlicherseits setzt man in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus (nicht Rassismus) auf Schnellverfahren und verstärkte polizeiliche Repression. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der rassistischen Bewegung in Deutschland dadurch ist nicht zu verzeichnen. Stattdessen führt die Ausweitung polizeilicher Kompetenzen zu einer Stärkung autoritärer Strukturen und zu einem Zurückdrängen ziviler Elemente aus dem gesellschaftlichen Leben.
Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft
Nach einem Jahr Verhandlungsdauer ließe sich auf etliche Details des Prozesses eingehen, wir beschränken uns auf eins.
In einem Strafverfahren haben die Beschuldigten das Recht auf Verteidigung, dazu haben die Angeklagten Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft tritt für gewöhnlich nicht zur weiteren Verteidigung der Angeklagten an, sondern hat die Aufgabe, zur umfassenden Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen. Dies scheint im Cottbusser Verfahren anders zu sein. Insbesondere in Person des – die Anklage vertretenden – Staatsanwaltes Günter Oehme, des Leiters der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft Cottbus, scheinen die Angeklagten einen weiteren Verteidiger zur Seite gestellt bekommen zu haben.
Schon vor der Aufnahme der Beweise war Oehme bemüht, den rassistischen Hintergrund der Tat auszuschließen. Kurz nach dem Verlesen der Anklage (8. Juni 1999) verwies er nachdrücklich darauf, dass die Staatsanwaltschaft nicht von »tödlicher Hetzjagd« und »rechtsextremistischen Straftätern« spricht. Daran anschließend kritisierte er wenig später einen Medienvertreter äußerst scharf, für die nicht staatsanwaltschaftskonforme Darstellung der Tat in Medienberichten.
Fragen und in dem Prozess auftretenden Möglichkeiten, den rassistischen Hintergrund der Tat zu beleuchten, versucht der Staatsanwalt abzuwehren. Beispielsweise wollte Oehme nicht bekannt geben, welche der 11 Angeklagten bei der Schändung des Gedenksteins für Farid Guendoul gestellt wurden und welche Angeklagten an der Silvesterrandale beteiligt waren. Am Hintergrund der Tat scheint allein die Nebenklage interessiert zu sein.
Entsprechend tritt die Staatsanwaltschaft, insbesondere Oehme, allen Anträgen der Nebenklage entgegen. Zum Beispiel äußerte sich die Staatsanwaltschaft am zweiten Verhandlungstag in einer Stellungnahme ablehnend zum Antrag auf Zulassung der Nebenklage für Issaka K., einen der Überlebenden der Hetzjagd (wurde später vom Gericht zugelassen).
Erst jüngst erklärte sich die Staatsanwaltschaft – beispielsweise – ablehnend zum Antrag der Nebenklage, den Videofilm »Romper Stomper« sowie eine CD der Musikgruppe »Landser« als Beweismittel einzuführen und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften dazu zu hören. – Video und CD wurden in der Tatnacht von Angeklagten konsumiert. (»Romper Stomper« wird als Kultfilm der Neonazi-Szene bezeichnet, die Veröffentlichungen der rechtsextremen Gruppe »Landser« sind in der Regel indiziert.) Video und CD könnten dazu beitragen die Motivation der Angeklagten zur Tat zu belegen. Erst jüngst erklärte sich die Staatsanwaltschaft – beispielsweise – ablehnend zum Antrag der Nebenklage, den Videofilm »Romper Stomper« sowie eine CD der Musikgruppe »Landser« als Beweismittel einzuführen und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften dazu zu hören. – Video und CD wurden in der Tatnacht von Angeklagten konsumiert. (»Romper Stomper« wird als Kultfilm der Neonazi-Szene bezeichnet, die Veröffentlichungen der rechtsextremen Gruppe »Landser« sind in der Regel indiziert, sie wurden nach der Tat von der Staatsanwaltschaft nicht beschlagnahmt.
Zum Antrag der Nebenklage, einen Zeugen zu hören, der in der Tatnacht die Gruppe der Angeklagten gesehen hat, die aufgeheizte Stimmung wahrgenommen hat und die Gruppe der Angeklagten eindeutig als rechtsextreme Gruppe eingeordnet hat, äußerte Oehme, daß er »selbstverständlich« Ablehnung beantrage, da dies für die Tat unwichtig sei. Das ist insofern beachtlich, als dass Oehme selbst vorher immer betonte, es gäbe keine Hinweise darauf, dass die Angeklagten rechtsextrem orientiert seien.
Seit einiger Zeit ist gegen Staatsanwalt Oehme eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Nebenklage anhängig. In der Verhandlung am 13. März 2000 verlas Christina Clemm, Anwältin der Nebenklage, eine Erklärung, in der das Gericht aufgefordert wurde, dafür Sorge zu tragen, dass sich Oehme »einer Gerichtsverhandlung angemessen » verhalte. Dies bezog sich neben dem oben genannten Verhalten des Staatsanwaltes auch auf Störungen des Verhandlungsablaufes durch das Auftreten Oehmes, der bei Äußerungen der Nebenklage dazwischenredete, versuchte ihnen Anweisungen und Befehle zu geben, eine Anwältin duzte, während einer Zeugenvernehmung verkündete, der Zeuge wäre »ja völlig unglaubwürdig«.
Dennoch hat sich das Verhalten des Staatsanwaltes nicht geändert. Weiterhin bemüht er sich, jeden politischen Hintergrund der Tat zu negieren, die Nebenklage anzugreifen und der Verteidigung zur Seite zu springen.
Der Schluss liegt nahe, dass Oehme Probleme hat, zum einen die Tat politisch einzuordnen, zum anderen die Bewertung des rassistischen Hintergrunds der Tat zuzulassen. Das korrespondierte dann auch mit Aussagen des Chefs der Verfassungsschutzabteilung im brandenburgischen Innenministerium, Heiner Wegesin. Auf die Frage, warum der Tod Farid Guendouls in der 99er VS-Statistik rechtsextremistisch motivierter Straftaten nicht registriert wurde, erklärte er fadenscheinig, man könne die Tat erst einordnen, wenn in der Sache ein Urteil ergangen sei.
Das Abstreiten der rassistischen Motivation der Täter birgt nicht nur die Gefahr einer inhaltlichen Nähe zu Äußerungen Rechtsextremer, die seit der tödlichen Hetzjagd nicht müde werden, von einem »Unfall« zu sprechen, es hat eine verheerende Wirkung. Zum einen politisch, weil es neben der Tat auch eine Situation verharmlost, in der Menschen wegen rassistischer Überfälle um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssen. Zum anderen für das Gerichtsverfahren selbst, weil es eine umfassende Aufklärung der Tat behindert. So scheint eine Ablösung des Staatsanwaltes Oehme im Prozess um den Tod Farid Guendouls unumgänglich.
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