»Das Überzeugende an der Ausstellung ist, dass sie den Opfern rechter Gewalt, die nur kurz in der Presse aufblitzen und nicht im Gedächtnis bleiben, eine Biografie und ein Gesicht gibt«, sagt Barbara Thimm, die pädagogische Leiterin des Jugendgästehauses Dachau. Im Oktober 2006 zeigte die Begegnungsstätte in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers die Dokumentation »Opfer rechter Gewalt« von Rebecca Forner.
Ausgehend von einer Chronik des Tagesspiegel und der Frankfurter Rundschau, hat die Künstlerin aus Archiven Zeitungsmeldungen und Fotos der Menschen zusammengetragen, die seit 1990 von Rechtsextremen in Deutschland getötet wurden. Den BesucherInnen sind meist nur wenige der vielen Namen in Erinnerung: die Familie Genç, die 1993 in ihrem Haus in Solingen verbrannte; Farid Guendoul, der 1999 bei der »Hetzjagd von Guben« zu Tode kam; Alberto Adriano, den Neonazis im Sommer 2000 im Dessauer Stadtpark erschlugen. Die meisten Schicksale sind längst vergessen. Es sind 131 Menschen aus Ost- und Westdeutschland, MigrantInnen und Deutsche aller Altersgruppen und Berufe.
Neben der schieren Größe der Ausstellung verstören viele BesucherInnen die nichtig erscheinenden Anlässe der Gewalt. Auf einer Tafel ist unter dem Namen Carlos Fernando notiert: »Der Mosambikaner wurde am 15. August 1999 in Kolbemoor (Bayern) von einem 31-jährigen Mann totgeprügelt, der sich zuvor darüber aufgeregt hatte, dass das Auto seiner Freundin von Afrikanern zugeparkt worden war.« Die Hintergründe der Taten werden nicht erklärt, vielmehr werden die BesucherInnen selbst befragt: »Opfer?«, »Täter?«, »Zuschauer?« Diese Begriffe sind auf Spiegeln notiert, in denen man zwischen den Gesichtern der Opfer unvermittelt sein eigenes sieht. »Ich will, dass die Besucher darüber nachdenken, wie sie sich verhalten werden, wenn jemand bedroht wird«, sagt Rebecca Forner. Die Künstlerin ist überzeugt, dass sie helfen muss. Zugleich weiß sie, dass sie Angst haben wird: »Wenn ich eingreife, laufe ich Gefahr, selbst angegriffen zu werden. Wenn ich nicht eingreife, werde ich in den Augen des Opfers zur Mittäterin.«
Seit nunmehr drei Jahren wird die Dokumentation von der Opferperspektive betreut. In mehr als 30 Städten, verteilt über die ganze Bundesrepublik, war sie seitdem zu sehen. Erfreulich ist, dass mehr und mehr Schulklassen die Ausstellung im Rahmen des Unterrichts besuchen. Dazu bietet die Opferperspektive Workshops an, in denen die Jugendlichen in Zeitungsartikeln selbst nach den Biografien der Opfer recherchieren sowie gesellschaftliche Ursachen und Verbindungen mit eigenen Erfahrungen diskutieren können. Für 2007 stehen bereits neun neue Ausstellungsorte fest. Zunächst jedoch wird es eine Überarbeitung geben, denn die Dokumentation der Todesopfer muss ergänzt werden. Zuletzt fiel Tim M. im November 2005 in der Nähe von Ravensburg rechter Gewalt zum Opfer. Der 20-Jährige wurde von einem ehemaligen NPD-Mitglied niedergestochen, weil er sich für seine Begleiter einsetzte, als diese rassistisch beschimpft wurden. Für ihn gilt das gleiche wie für die meisten Menschen, an die in der Ausstellung erinnert wird: Keine überregionale Zeitung hat je über den Fall berichtet. Die Öffentlichkeit kennt weder seinen Namen noch sein Gesicht.
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