Die Täter sind den Imbissbetreibern in den meisten Fällen bekannt
Menschen werden zu Opfern rechtsextremer Schläger, weil sie von den Tätern zu einer bestimmten, von ihnen abgelehnten Gruppe gerechnet werden. Die zentralen Ursachen für diese Gewalttaten liegen in den meisten Fällen nicht in einem Interessenkonflikt zwischen Gruppen, in einer persönlichen Konfliktsituation oder in einer vorausgegangenen Provokation durch die Opfer begründet, sondern allein im Willen der Aggressoren, ihre Macht, ihre Ablehnung und ihren Hass gegenüber Personen zu demonstrieren, sofern sie von ihnen bestimmten gesellschaftlichen, politischen oder ethnischen »Feindgruppen« zugeordnet werden. Die Opfer sind in der Mehrzahl der Fälle für die Täter anonyme Personen. Dieses Bild wird durch die Erfahrungen der in allen neuen Bundesländern tätigen Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten bestätigt.
Die Täter sind den Imbissbetreibern in den meisten Fällen bekannt
Umso interessanter ist es, dass sich bei Angriffen gegen Imbisse, ihre Betreiber und Angestellten ein anderes Bild zeigt: Es gibt erstaunlich viele Fälle, in denen die Betroffenen den Tätern bekannt waren. Dies gilt auch in den drei Fallbeispielen, die in dieser Broschüre vorgestellt wurden. So erzählte eine der Täterinnen in der Gerichtsverhandlung im ersten Fall, sie habe einmal »beim Türken« gesessen und sich »angemacht« gefühlt. Im zweiten Fallbeispiel war ein verhafteter Täter vorher durch Beleidigungen aufgefallen. Und im dritten Fall waren dem Betreiber die Täter gut bekannt. Sie hatten schon einmal mit einem Stein eine Scheibe eingeworfen, waren aber auch Gäste im Bistro, das sie später abbrennen wollten. Ähnlich verhielt es sich auch bei einem Brandanschlag in Hennigsdorf bei Berlin. Im September 2003 hatte ein bekennender Neonazi versucht, ein mit sechs Personen besetztes Bistro mit zwei Brandflaschen in Flammen zu setzen. Er hatte zuvor eine handgreifliche Auseinandersetzung mit dem Besitzer des Bistros und war dabei unterlegen. Die Clique der Rechten, der sich der Angreifer zurechnete, kaufte in dem Bistro regelmäßig Bier und andere Getränke.
Ausgangspunkt von Gewalttaten sind in vielen Fällen Konflikte zwischen den Imbissbetreibern oder ihren Angestellten und den späteren Tätern, die sich beispielsweise schlecht behandelt fühlten, weil sie meinten, nicht oder nur ungenügend bedient worden zu sein, oder im Laufe eines Konflikts – oft mit fremdenfeindlichem Hintergrund – gar hinausgeworfen worden waren. Nicht das Gefühl, schlecht oder ungerecht behandelt worden zu sein, scheint dann jedoch den Racheakt zu motivieren. Die Motivation scheint vielmehr der Tatsache geschuldet zu sein, dass die als schlecht erfahrene Behandlung von einem Ausländer ausging, also von einem Menschen, dem diese Form der Machtausübung nicht zugestanden wird.
Dieser fremdenfeindliche bzw. rassistische Gehalt der Taten wird von den Opfern durchaus wahrgenommen. Es ist ihnen bewusst, dass ihre Autorität als Gewerbetreibende und ihr Hausrecht auf Grund ihrer Herkunft nicht anerkannt werden.
Die Täter sind den Imbissbetreibern in den meisten Fällen bekannt
Es bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Mehrzahl der Täter um Kunden der Imbissbetriebe handelte. Auch in den Fällen, in denen dies nicht nachgewiesen werden konnte, glauben die meisten der Betreiber und ihrer Angestellten die Täter zu kennen. Bedrohungssituationen scheinen zum Alltagsgeschäft der Imbissbetreiber und ihrer Angestellten zu gehören. Ihr Umgang mit der alltäglichen Bedrohung, der meist durch Harmonisierung und Beschwichtigung gekennzeichnet ist, unterstreicht ihre äußerst ambivalente Situation. Sie haben es in ihrem Alltag immer wieder mit potenziell gewalttätigen und fremdenfeindlichen Kunden zu tun, mit denen sie ein Arrangement finden müssen, wollen sie sie nicht verlieren. Die ökonomische Abhängigkeit der Imbissbetreiber – besonders auch von diesen Kunden – gepaart mit ihrer Immobilität führt zu einer Schwächung ihrer Möglichkeiten zur Auseinandersetzung.
Die Täter sind den Imbissbetreibern in den meisten Fällen bekannt
Gleichzeitig ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen rassistischen bzw. rechten Gewalttaten einzelner Täter oder Tätergruppen und der schwachen sozialen Position der Opfer zu erkennen, die durch mangelnde gesellschaftliche Anerkennung und fehlende Unterstützung gekennzeichnet ist. Erhärtet wird dieser Zusammenhang durch die Tatsache, dass in der Regel diejenigen Imbissbetreiber, die sich durch die ein oder andere Form der Selbstverteidigung »Ruhe« verschaffen konnten, in Orten leben, in denen es »viele« Türken, Kurden oder Vietnamesen gibt, die zusammen ein soziales Gegengewicht bilden können.
Im Gegensatz zu ausländischen Imbissbetreibern in großen Städten, die in der Regel auf ein funktionierendes Netzwerk gegenseitiger Unterstützung bauen können, stehen ausländische Imbissbetreiber in den meisten Kommunen Brandenburgs oftmals allein da. Welche Bedeutung das Verhalten des weiteren sozialen Umfeldes haben kann, verdeutlichte ein Betreiber in seinem Bericht über die Erfahrungen in einer Stadt, die eine große gewaltbereite rechte Szene hat. Zwar sei er privat schon angegriffen worden, allerdings sei seinem Imbisswagen nie etwas passiert, und auch bei der Arbeit habe er immer Ruhe, weil er mit seinem Imbiss auf dem Gelände eines Hauses stehe, in dem alternative Jugendliche wohnen, die sozusagen als »Schutzmacht« respektiert werden.
Aktuelles alternative Jugendliche, Beleidigungen, Brandanschlag, Imbiss, rechte Szene