In der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) wurde heute ein Interview mit unserem Kollegen und Berater Julian Muckel abgedruckt. Entgegen der fehlleitenden Überschrift „Beratungsstelle befürchtet Rechtsruck in Wittstock“ sehen wir vielmehr Kontinuitäten rechter und rassistischer Gewalt im brandenburgischen Wittstock. Im Folgenden ist der gesamte Beitrag von Julian Muckel, welcher in der MAZ lediglich in Auszügen veröffentlicht wurde, nachzulesen:
„Am 13.05. wurde in Wittstock ein 22-Jähriger in den frühen Morgenstunden auf dem Weg zur Arbeit durch ein Auto ausgebremst, rassistisch beschimpft und mit dem Tode gedroht. Anschließend griffen die drei Männer ihn u.a. mit einem Baseballschläger bewaffnet an. Zweifelsfrei handelt es sich hierbei um eine rassistisch motivierte Tat, die in ihrer martialischen Ausführung an Taten aus den 90er und frühen 2000er-Jahren erinnert. Es ist wichtig solche Taten als das zu erkennen und zu benennen was sie sind – rassistische und rechte Gewalt.
In Wittstock registrieren wir seit Jahren mit großer Besorgnis eine starke rechte Szene, die auch wiederholt gewalttätig wird. So beginnt etwa diesen Herbst erneut ein Prozess vor dem Neuruppiner Amtsgericht gegen sechs Männer, die am Herrentag 2017 eine fußballspielende Gruppe minderjähriger unbegleiteter Geflüchteter und ihren Betreuer nahe des B3-Centers angriffen. In der Nähe des damaligen Tatorts sind heutzutage noch verblassende Graffitis wie „Nazizone“ oder „Fuck Asyl“ erkenntlich.
Uns wird immer wieder berichtet, dass es für Geflüchtete in Wittstock nicht leicht ist und dass die Betroffenen solcher Taten aus Angst vor Folgeangriffen anonym bleiben wollen. Man sollte meinen, dass die unüberschaubare Vielzahl an rechten Übergriffen in den 90er und frühen 2000er-Jahre und die rassistisch motivierte Tötung von Kajrat Batesov im Jahr 2002 so mahnend seien, dass alles daran gesetzt wird, rechte Umtriebe in Wittstock im Keime zu ersticken. Umso verwunderlicher empfinden wir es, dass ein bekennender Neonazi und Gründungsmitglied der verbotenen „Weiße Wölfe Terrorcrew“ nur wenige hundert Meter vom Rathaus entfernt sein Tattoostudio „Germania“ betreiben kann, ohne eine nennenswerte Intervention der Stadtgesellschaft.
In so einem Klima ist es fatal, wenn der Bürgermeister sich jüngst selbst als Betroffener von Rassismus bezeichnet und offenkundig verkennt, was Rassismus bedeutet. Schließlich definieren wissenschaftliche Erkenntnisse, dass Rassismus historisch tradiert ist und immer in einem Machtgefüge stattfindet. Wenn der Bürgermeister sich nun fälschlicherweise als Betroffener von Rassismus bezeichnet, bestärkt er ungewollt die demokratiefeindlichen Kräfte und liefert Rechten ein Fundament für ihre rassistische Ideologie.
Desto wichtiger ist es, ein Licht auf die Personen zu werfen, die sich in Wittstock für eine freie, gleichberechtigte und vielfältige Gesellschaft einsetzen und Orte des Miteinanders sowie der zugewandten Auseinandersetzung schaffen. So ist das Engagement des Bündnisses „Wittstock bekennt Farbe“ seit vielen Jahren eine wichtige Arbeit in der Region.
Am 5. September initiiert das Bündnis ein Fest der Vielfalt im Amtshof von 14-19 Uhr mit Livemusik und verschiedenen Ständen. Auch die Opferperspektive wird mit einem Stand vor Ort sein und freut sich über Austausch!“
Julian Muckel, Berater bei der Opferperspektive – Beratungsstelle für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt in Brandenburg.
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