Der Angeklagte Silvio G. wurde freigesprochen. Mehrere Zeugen hatten ihn beim Pöbeln und Provozieren gesehen, dass er auch zuschlug, konnte nicht bewiesen werden. Willi R. erhielt eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung. Er hatte den Kopf eines jungen Mannes gegen einen Imbisswagen geschlagen.
Das Ergebnis der Gerichtsverhandlung spiegelt nicht wieder, was die Opfer am 2. Juni 2006 in Guben erlebten. ZeugInnen aus dem Umfeld des alternativen Jugendzentrums »Sanikasten« hatten dem Gericht beschrieben, dass ihnen auf dem Stadtfest Rechte aufgefallen waren, die ihnen »offensichtlich nicht wohlgesonnen« gewesen seien. Die Linken hätten versucht, das Stadtfest sofort zu verlassen, da sei es aber »schon losgegangen«.
Jagd auf Linke
Zunächst habe Willi R. einen Geschädigten in provozierender Weise durch die zum Irokesenschnitt aufgestellten Haare gestrichen. Auf die Aufforderung hin, damit aufzuhören, habe er den Kopf des Geschädigten gegen einen Imbisswagen geschlagen. Silvio G. habe die Gruppe der Alternativen angepöbelt und mehrere Personen geschubst.
Unmittelbar danach ging eine Vielzahl Rechter auf die Gruppe der Linken los, die gestoßen, geschlagen und getreten wurden. Ein auf dem Stadtfest eingesetzter Mitarbeiter eines Wachschutzes beschrieb die Geschehnisse in seiner Zeugenaussage als »Hetzjagd«. Laut Nebenklagevertretung hatten Silvio G. und Willi R. dazu den Startschuss gegeben. Die Angeklagten seien daher auch dafür mit verantwortlich zu machen, was in der Folge geschah. Das Gericht sah keinen Zusammenhang zwischen den Angriffen der beiden Angeklagten und den darauf folgenden Körperverletzungen, an denen sich zahlreiche Täter beteiligten und bei denen Jugendliche zum Teil schwer verletzt wurden.
Kritik an polizeilicher Ermittlungsarbeit
Besonders ärgerlich ist, dass keine weiteren Tatverdächtigen festgestellt wurden. Ein Nebenklagevertreter machte in seinem Plädoyer die »schlampige Ermittlungsarbeit« der Polizei dafür verantwortlich. Den alarmierten Polizeibeamten war es am Tatabend weder gelungen, die Übergriffe zu unterbinden, noch die Personalien der Angreifer festzustellen. Es fand keine Spurensicherung am Tatort statt. Zeugenvernehmungen führte die Polizei zunächst nur als informatorische Befragung durch; Versuche, unabhängige Zeugen zu finden und zu befragen wurden nach Aktenlage nicht unternommen.
Auch vor Gericht trugen die Ermittlungsbeamten nichts zur Wahrheitsfindung bei: Sie konnten sich an ihre Ermittlungstätigkeiten kaum erinnern, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, sich anhand von Protokollen auf die Zeugenvernehmung vorzubereiten.
Die Verteidigung und mehrere Zeugen äußerten die Vermutung, dass für die Körperverletzungen, die in diesem Gerichtsverfahren nicht endgültig aufgeklärt werden konnten, keine Gubener, sondern Eisenhüttenstädter verantwortlich seien. Es wurde nicht ersichtlich, ob die Polizei etwas unternommen hat, um Tatverdächtige aus der rechtsextremen Szene in Eisenhüttenstadt zu ermitteln. Bei den Geschädigten entstand der Eindruck: »Von Anfang an schien es den Gubenern wichtiger zu sein, dass es keine Gubener waren, als herauszufinden, was eigentlich passiert ist.«
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