Liebe Freundinnen und Freunde – liebe Freund*innen
Eigentlich wollte heute unsere Direktorin im Moses Mendelssohn Zentrum, Professor Miriam Rürup, hier einen Festvortrag halten. Doch leider befindet sich Miriam Rürup nach einem Fahrradunfall noch im Krankenhaus, so dass ich als stellvertretender Leiter des Moses Mendelssohn Zentrums hier vertretungsweise nur ein kurzes Grußwort sprechen möchte, indem ich Euch vom Verein Opferperspektive zunächst die allerherzlichsten Grüße und Glückwünsche von Miriam Rürup überbringe.
Und ich denke, diese herzlichsten Grüße illustrieren auch schon ganz gut das Verhältnis, in dem wir uns als Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien dem Verein Opferperspektive und seinem Netzwerk verbunden wissen: Es ist nicht nur ein zutiefst solidarisches, sondern auch freundschaftliches Verhältnis, das uns verbindet und das nunmehr seit vielen Jahren gemeinsamer Erfahrungen aus unserer sich gegenseitig befruchtenden Arbeit.
Schon unserer vormaliger Direktor Julius Schoeps betonte immer wieder das „zivilgesellschaftliche Mandat“ des Moses Mendelssohn Zentrums, das er als Gründungsdirektor seit 1992 mit viel Engagement vertreten hat. Es war und ist dies kein parteipolitisches Mandat, aber ein Mandat, das sich dem Geist der von Moses Mendelssohn begründeten Jüdischen Aufklärung und dem Forschungsimperativ kritischer Wissenschaft verpflichtet weiß und daher vehement Partei ergreift für die Verteidigung der Demokratie in einer offenen und pluralen Gesellschaft. – Ein zivilgesellschaftliches Mandat also, das uns an die Seite der Betroffenen von Antisemitismus und Rechtsextremismus stellt – und das auch aus den ureigensten Interessen der Wissenschaft heraus. An diesem klaren Bekenntnis zu einer Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten, und über den Leitungswechsel bei uns im Moses Mendelssohn Zentrum hinaus auch nichts geändert.
Über unsere freundschaftliche Verbundenheit zur Opferperspektive wissen meine Kolleg*innen von der Emil Julius Gumbel Forschungsstellte am Moses Mendelssohn Zentrum noch besser zu berichten als ich. Doch ist diese Verbundenheit auch für mich eine ganz persönliche.
Ich erinnere mich, wie wir 2007 in einem breiten Bündnis das Handbuch „Rechtsextremismus in Brandenburg“ erstellten und dessen Handlungsvorschläge für Analyse, Prävention und Intervention im Zuge einer überaus erfolgreichen Veranstaltungsreihe im gesamten Land Brandenburg in die zivilgesellschaftliche Arbeit vor Ort einbringen konnten. Wir hatten es schon damals mit einer zwar weniger umfassenden, aber gleichwohl sehr bedenklichen Bedrohung der Demokratie zu tun, die von Parteien wie der DVU beziehungsweise der NPD und ihrem neonazistischen Umfeld in der so genannten freien Kameradschaftsszene ausging.
Auf diese Zeit geht auch die unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Moses Mendelssohn Zentrum und dem Verein Opferperspektive zurück. Das MMZ beforschte damals – noch unter der Beteiligung von Christoph Kopke die Strukturen der Abwehr durch Staat und ziviler Gesellschaft. Aus der vertrauensvollen Kooperation mit der Opferperspektive ging später das Projekt zur Erforschung der Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt hervor.
Und darüber hinaus ist es uns damals in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, das sich als Brandenburger Modell bewährte, gelungen, den Vormarsch der antidemokratischen Kräfte von rechts soweit einzudämmen, dass zumindest in den Jahren 2009 bis 2014 keine rechtsextreme Partei mehr im Brandenburger Landtag vertreten war.
Wie grundstürzend ist demgegenüber der Rückfall mit dem wir es jetzt nicht nur lokal, sondern auch global zu tun haben? Der Rechtsextremismus ist nicht nur wieder auf dem Vormarsch, sondern wird ein Jahr vor den Landtagswahlen in Umfragen als stärkste politische Kraft ausgewiesen. Und das nicht nur in Brandenburg. Wir sind damit nicht nur zurückgeworfen auf den Ausgangspunkt unserer Arbeit in den 1990er und frühen 2000er Jahren, sondern sehen uns vielmehr noch einer seit Jahrzehnten so nicht dagewesenen Bedrohungslage gegenüber.
Ich weiß nicht wie es Euch dabei geht. Für mich sind diese Entwicklungen manchmal so zermürbend und auch so ermüdend, dass ich mich an die Worte von Axel Eggebrecht erinnert fühle, der 1932 nach Papens Putsch in Preußen in der Zeitschrift „Die Weltbühne“ aus tiefer Resignation die Worte schrieb: [Zitat:] „Es ist vorbei. Wir haben verloren. Wir legen die Hände in den Schoß und warten auf Hitler!“.
So schlimm, so hoffe ich, ist es heute noch nicht. Wir dürfen nicht müde und resigniert sein, sondern müssen jetzt, „im Augenblick der Gefahr“, wie Walter Benjamin es nannte, unsere Kräfte bündeln, um die großen Herausforderungen – ja und auch den Kampf zu bestehen, der vor uns liegt. Den Kampf für eine demokratische, offene und plurale Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus. Für Solidarität und gegen Ausgrenzung. Und vielleicht gelingt uns dabei auch wieder eine so breite gesellschaftliche Mobilisierung, wie es sie wahrscheinlich zuletzt 2018 mit dem Bündnis Unteilbar gab. Die Zeit dafür ist reif!
Ob als zivilgesellschaftliche Einrichtung, ob in der Kunst oder wie wir im Moses Mendelssohn Zentrum in der Wissenschaft: Eines ist klar: Wo autoritäre Nationalisten an die Macht drängen und die progressiven gesellschaftlichen Kräfte zunehmend eingeschüchtert werden, dort wird es nicht nur für freies Forschen und Lehren und für eine freie künstlerische Betätigung eng, sondern gerade auch für jene Menschen, die verfolgten, marginalisierten und vulnerablen Gruppen angehören.
Gerade diese Menschen benötigen jetzt Unterstützung, Stärkung (Empowerment) und Solidarität, und dafür steht Ihr, liebe Opferperspektive, mit Eurer Arbeit. Wir freuen uns, dass wir Euch heute zum 25. Jubiläum gratulieren dürfen. Heute werdet Ihr gefeiert: die aktiven und die ehemaligen Mitarbeiter*innen, Freund*innen und Unterstützer*innen der Opferperspektive.
Vielen Dank! Herzlichen Glückwunsch und nur Mut!!!
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