Opferperspektive e.V. fordert gründliche Untersuchung der Morde in Senzig (Königs Wusterhausen)


Pressemitteilung

Potsdam, 9. Dezember 2021

Mit großer Betroffenheit haben die Mitarbeiter:innen der Opferperspektive e.V., wie auch andere Menschen in Brandenburg, am Samstag aus den Medien erfahren, dass in einem Haus in Königs Wusterhausen fünf Mitglieder einer Familie erschossen aufgefunden wurden. Zu diesem Zeitpunkt gingen wir, als Brandenburger Fachberatungsstelle für Betroffene rechter Gewalt, nicht davon aus, dass es sich bei diesem Verbrechen um einen Fall handelt, der unseren Aufgabenbereich berührt.

Verschwörungsideologien als ein mögliches politisches Tatmotiv

Mittlerweile wurde öffentlich bekannt, dass in diesem Haus ein Mann seine Frau und seine drei Töchter erschossen haben soll. Es liegen zudem Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Vater, eventuell auch beide Elternteile, in Kreisen sogenannter „Querdenker“ bewegt haben. Durch die Staatsanwaltschaft Cottbus wurde öffentlich bekannt gemacht, dass es einen Abschiedsbrief gebe. In dem Brief soll als Motiv der Tat benannt werden, dass die Frau bei ihrem Arbeitgeber einen durch den Mann besorgten gefälschten Impfnachweis vorgelegt habe, was aufgefallen sei. Aus diesem Grund hätten die Eltern eine Inhaftierung und den Entzug ihrer Kinder befürchtet. Diese im Abschiedsbrief formulierte Begründung lässt befürchten, dass die Tathandlung von politischen Verschwörungsmythen gelenkt war.

Öffentlich wird derzeit spekuliert, ob die Zugehörigkeit der Eltern zum Milieu der Querdenker für diese Tat auslösend war. Die Opferperspektive e.V. fordert die Ermittlungsbehörden deshalb dringend auf, gründlich zu prüfen, ob in diesem Fall ein politisches Motiv vorliegt.

Psychische Erkrankungen schließen politisches Tatmotiv nicht aus

Zu berücksichtigen ist dabei unseres Erachtens die u.a. in der wissenschaftlichen Diskussion um den Anschlag am Münchener Olympia-Einkaufszentrum 2016 gewonnene Erkenntnis, dass sich psychische Erkrankungen des Täters und politische Motive nicht gegenseitig ausschließen, sondern dass politische Motive vielmehr Teil eines Motivbündels sein können. Einbezogen werden müsste Fachwissen darüber, wie die Vorstellungen eines beginnenden Endkampfes gegen einen als totalitär agierend wahrgenommenen Staat, wie sie in Teilen des Querdenkermilieus vertreten werden, irrational erscheinende Gewalthandlungen auslösen können. Gründlich zu prüfen ist ferner, ob die Entscheidung, die Kinder zu töten und aus dem Leben zu scheiden von beiden Eltern geteilt wurde, oder ob hier ein Tötungsdelikt des Mannes gegen alle Familienmitglieder vorliegt.

Auch wenn in diesem Fall niemand mehr für die Tat juristisch zur Rechenschaft gezogen werden kann, erfordert unseres Erachtens die derzeitige, von Befürchtungen einer Gewalteskalation geprägte politische Situation, eine besonders gründliche Prüfung und transparente Kommunikation der Ermittlungsergebnisse.

Die Erfahrung zeigt – Externe Gutachten verhelfen zu adäquater Einschätzung

Sollte es sich hier um eine Tat handeln, bei der politische Motive eine wesentliche Rolle spielten, würde es sich um ein in Brandenburg neuartiges Phänomen politischer Gewalt handeln. Im Angesicht dessen und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Staatsanwaltschaft Cottbus seit einigen Jahren mit der strafrechtlichen Aufarbeitung politisch motivierter Gewalt überfordert war, regen wir an, insbesondere für die psychologische Autopsie, externe Expert:innen mit Expertise auch im Themenfeld politisch motivierter Kriminalität hinzuzuziehen.

Bei Nachfragen wenden Sie sich an:
Hannes Püschel: 0151-50768549

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