Stellungnahme der Beratungsstellen Betroffener rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz »Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages«.
Mitte April legte Bundesjustizminister Heiko Maas einen Gesetzentwurf vor, der die Empfehlungen des NSU-Untersuchungs hinsichtlich der Verfolgung rechter Straftaten umsetzen soll. Als Kernstück des Gesetzes sollen zukünftig »rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende« Motive explizit bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Nach eingehender Prüfung des Gesetzesentwurfes kommen die Beratungsstellen zu dem Ergebnis, dass die vorgesehenen Gesetzesänderungen keine umfassende Verbesserung der Situation der Betroffenen bewirken können. Vielmehr erscheint er in der jetzigen Form als gesetzgeberische Kosmetik und nicht als Teil eines konsistenten Versuches, die seit Jahren bekannten und im Zuge des NSU noch einmal offenbar gewordenen eklatanten Defizite beim Umgang mit rassistischen Straftaten zu beseitigen. Kritisch wird vor allem die vorgeschlagene Änderung des § 46 StGB gesehen. Der Paragraf dient der Regelung der Strafzumessung, der dafür vorgesehene Merkmalskatalog ist zu unbestimmt und verwendet zudem den fachlich überholten Begriff der »Fremdenfeindlichkeit«.
Die Beratungsstellen fordern stattdessen:
- in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) müssen dringend ausdrückliche Ermittlungs- und Dokumentationspflichten verankert werden, die die Ermittlungsbehörden verpflichten, bei Verdachtsfällen evt. rechten Tathintergründen nachzugehen und diese gegebenenfalls aktiv auszuschließen;
- einen geschlossenen Merkmalskatalog in § 46 StGB aufzunehmen (Menschen, die aufgrund rassistischer, antisemitischer Motive, aufgrund ihrer Wohnungslosigkeit oder anderer sozialdarwinistischer Beweggründe oder die aufgrund ihrer religiösen oder sexuellen Orientierung, ihrer Behinderung, ihrer politischen Einstellung oder ihres Engagements gegen Neonazis angegriffen werden.);
- eine Einbeziehung der fachlichen Auseinandersetzung mit Rassismus in das Gesetzgebungsverfahren;
- die Ermittlungsbehörden müssen lernen, Betroffenen rechter Gewalt mit Respekt und und in einer Weise gegenüberzutreten, die sekundäre Traumatisierungen vermeiden, die entsprechenden Empfehlungen der EU-Opferschutzrichtlinie müssen umgesetzt werden;
- einen Kulturwandel in den Institutionen, der dem Rassismus in diesen entgegenwirkt.
Unterzeichner:
ezra – mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer u. antisemitische Gewalt in Thüringen
Beratungsstellen für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt des RAA Sachsen e.V.
Opferperspektive e.V. Brandenburg
ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus Berlin
Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Sachsen-Anhalt
LOBBI Mecklenburg-Vorpommern
Beratungsstelle für Opfer rechter Straf- und Gewalttaten Region Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg
Opferberatung Rheinland – Beratung und Unterstützung für Betroffene rechtsextremer und rassistischer Gewalt c/o Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW (IDA-NRW)
Pressekontakt: Hannes Püschel (Opferperspektive e.V.) 0171-1935669
Aktuelles, Presse