Freispruch für rechten Kampfsportler – Rassistische Gewalt im Gerichtsbezirk Cottbus erneut ohne Konsequenzen


Potsdam, 18.04.2023

Am vergangenen Freitag, den 14. April, sprach das Landgericht Cottbus den neonazistischen Kampfsportler Thomas Andy S. vom Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei. Ihm war vorgeworfen worden, gemeinsam mit einem weiteren Mann zwei afghanische Geflüchtete aus rassistischen Motiven angegriffen und einen von ihnen schwer verletzt zu haben. Die Tat ereignete sich am 25.12.2016 in Spremberg. Das Urteil erfolgte also über 6 Jahre nach dem Übergriff. Der Betroffene, der den Prozess als Nebenkläger verfolgte, erlitt bei der brutalen Attacke einen doppelten Kieferbruch. Bis heute leidet er sowohl körperlich als auch psychisch an den Tatfolgen.

„Das Urteil ist ein Schock für den Betroffenen. Noch dazu musste er über 6 Jahre auf diese Entscheidung warten. 6 Jahre, in denen er nicht mit den traumatisierenden Geschehnissen abschließen konnte und immer wieder im Gerichtssaal damit konfrontiert wurde“, äußert sich Joschka Fröschner, Berater der Opferperspektive. „Auch wenn die Verzögerungen teilweise der Verschleppungstaktik der Verteidigung geschuldet sind – 6 Jahre Verfahrensdauer sind einfach nicht gut genug. Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte sollten sich hinterfragen, wieso sie nicht in der Lage sind, solche Gewalttaten zeitnah und adäquat zu verfolgen“, ergänzt Fröschner.

Der Betroffene hatte gemeinsam mit seinem Schwager und weiteren Bekannten eine Diskothek in Spremberg besucht. Thomas Andy S. arbeitete dort an diesem Tag als Türsteher. Auf dem Nachhauseweg sollen die Betroffenen von ihm und einem weiteren Mittäter mit dem Auto verfolgt und abgepasst worden sein. Die Männer stiegen aus und schlugen auf ihre Opfer ein. Die Geschädigten sind sich sicher, in den Angreifern die Türsteher der zuvor besuchten Diskothek wiedererkannt zu haben.

Das Landgericht befand „im Zweifel für den Angeklagten“. Ihm reichte, anders als noch dem Amtsgericht in der Erstinstanz, die eindeutige und unmittelbare Identifizierung des Täters durch den ebenfalls attackierten Schwager des Nebenklägers nicht. Dass sich die Anklage ausschließlich auf die Aussage des Betroffenen stützen musste, lag auch an der mangelhaften Ermittlungsarbeit der Polizei. So wurden weder am Tatort Spuren gesichert, noch nach dem durch die Täter genutzten Auto gesucht. Auch wurde versäumt, die Überwachungskamera-Aufzeichnungen aus der Diskothek zu sichern oder weitere Zeug:innen zu befragen.

In der Gesamtschau ergibt sich für die Strafverfolgungsbehörden im Raum Cottbus bei Verfahren zu rechter und rassistischer Gewalt ein desaströses Bild. Die versuchte Tötung eines afghanischen Geflüchteten in der gleichen Diskothek durch Rocco W., wie Thomas Andy S. Teil der neonazistischen Gruppierung Black Legion – Kampfgemeinschaft Cottbus: 5 ½ Jahre nach der Tat lediglich mit einer Bewährungsstrafe geahndet. Der tätliche Angriff auf eine Fotojournalistin nach einer Zukunft Heimat-Kundgebung im Januar 2018 durch einen rechten Cottbuser Hooligan: Erst für Juni 2023 terminiert. Der Angriff auf Geflüchtete in der Silvesternacht 2018 im Stadtteil Sachsendorf, bei der eine Gruppe junger Neonazis die Betroffenen bis in den Eingangsbereich der Unterkunft verfolgten und sie dort zusammenschlugen: Bisher noch nicht verhandelt, erst für den Spätsommer 2023 terminiert.

„Blickt man auf den Freispruch vergangene Woche sowie auf die weiteren verschleppten Verfahren, ergibt sich ein klares Bild: Rechte Gewalttäter und organisierte Neonazis haben im Gerichtsbezirk Cottbus wenige bis gar keine juristischen Konsequenzen zu fürchten“, zieht Joschka Fröschner Bilanz, und schließt an: „Erneut fordern wir deshalb das Land auf, sich eingehend mit den Missständen im Gerichtsbezirk auseinanderzusetzen und endlich geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Auch damit weiteren Betroffenen der lange Leidensweg erspart bleibt, den unser Beratungsnehmer in diesem Fall gehen musste.“

Ansprechperson für Nachfragen:
Joschka Fröschner – 0151 5072 4851
j.froeschner@opferperspektive.de
Zuständiger Berater bei Opferperspektive e.V., Potsdam

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