Interview mit Aktivist_innen vom „Geflüchteten Netzwerk Cottbus“
Zuerst erschienen in: Schattenberichte – Nachrichten aus der Opferperspektive Juli 2018 (gesamte Ausgabe hier)
Im Juni 2017 gründete sich das „Geflüchteten Netzwerk Cottbus“ mit dem Ziel, geflüchteten Menschen eine Stimme zu geben und sie zu unterstützen, z.B. beim Asylverfahren, bei der Wohnungssuche oder der Suche eines Ausbildungsplatzes. Hintergrund sind die vielen rassistischen Angriffe in Cottbus. Die Aktivist_innen Nabil und Hanan wohnen seit dreieinhalb Jahren bzw. 16 Monaten in der Stadt. Gerade sind sie dabei einen Verein zu gründen.
Opferperspektive: Cottbus ist Schwerpunkt rechter Gewalt und rassistischer Stimmungsmache im Land Brandenburg. Die Demonstrationen von „Zukunft Heimat“ ziehen regelmäßig mehrere hundert Rechte auf die Straße. Wie ist es für euch in dieser Stadt zu leben?
Hanan: Ich spüre in meinem Alltag, auf der Straße und überall den Hass. Was uns hier alltäglich passiert reicht von abwertenden Blicken oder Worten bis zu Beschimpfungen und Bedrohungen. Besonders wegen meines Kopftuches werde ich anders behandelt. Beim Jobcenter oder bei der Wohnungssuche. Mitarbeiter_innen der Wohnungsgesellschaft behaupten, die Wohnung, für die ich mich interessiere, sei schon weg. Was dann aber nicht stimmt. Die Leute wollen auch nicht mit mir reden. Die alltägliche Diskriminierung behindert meinen Alltag sehr. Deswegen gehe ich nicht oft raus. Wenn ich einen Termin bei irgendwelchen Behörden habe, rufe ich jemanden an und bitte ihn, mich zu begleiten und zu unterstützen. Wenn wir aufzählen wollen, was wir im Alltag erleben, brauchen wir den ganzen Tag (lacht).
Opferperspektive: „Zukunft Heimat“ mobilisiert seit 2017 regelmäßig über rassistische Themen ein breites rechtes Spektrum. Wie hat sich die Situation in Cottbus verändert?
Nabil: An Tagen, an denen die Demonstrationen stattfinden, gehen wir nicht mehr vor die Tür. Das Leben allgemein hier hat sich geändert. Die Menschen, die früher nichts gegen Geflüchtete hatten, waren in der Mehrheit. Heute aber nicht mehr. Jene, die Geflüchtete in der Stadt nicht haben wollen, sind jetzt in der Mehrheit. Auch die Stimmung infolge der Berichterstattung in den Medien ist weit schlimmer geworden. Es gibt aber nicht nur mit den Rechten schlechte Erfahrungen, sondern auch bei der Polizei oder in Krankenhäusern. Ich bin keine Frau und trage kein Kopftuch. Deswegen, denke ich, bekomme ich selbst weniger Probleme. Aber ich bekomme die Stimmung in der Stadt mit, wie z.B. laut aus dem Fenster Hitlerreden zu hören sind – im Stadtteil Sachsendorf, wo viele Geflüchtete wohnen. Ich begleite immer wieder Menschen zum Jobcenter oder zu den anderen Behörden und erlebe, wie Geflüchtete anderes behandelt werden.
Opferperspektive: Mit eurem Netzwerk gebt ihr Geflüchteten einen Raum, um sich über die alltäglichen Erfahrungen auszutauschen, sich zu solidarisieren und zu stärken. Wie ist die Resonanz und bekommt ihr Unterstützung?
Nabil: Das Ziel unseres Netzwerks ist nicht die Dokumentation oder das Sammeln solcher Vorfälle. Wir wollen das Leben der Geflüchteten hier erleichtern. Wir haben ein Programm in Schulen mit gestartet, durch das Schulkinder ihre Muttersprache lernen können. Wir haben mit der arabischen Sprache angefangen, vor allem für Kinder aus Syrien. Außerdem haben wir Veranstaltungen organisiert mit Tipps zur Wohnungssuche oder zum Energiesparen. Es ist uns vor allen Dingen wichtig, die Geflüchteten zu ermutigen, selbst etwas zu machen. Unterstützung bekommen wir u.a. vom Flüchtlingsrat Brandenburg und wir bemühen uns um Kontakte mit Anderen.
Hanan: Ich wünsche mir für Frauen, dass sie an Integrationsprozessen aktiv teilnehmen. Um sie zu unterstützen will ich in Zukunft mehr mit geflüchteten Frauen arbeiten.
Opferperspektive: Viel Erfolg für eure Arbeit und herzlichen Dank für das Interview!
Mehr Infos zur Initiative unter www.facebook.com/GNCottbus
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