Ein fremdenfeindlicher Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden

Das Ausmaß rechtsextremer Gewalt gegen Asia- und Döner-Imbisse in Brandenburg

Bei rechtsextrem motivierten Angriffen – so die allgemeine Erfahrung – ist die Dunkelziffer sehr hoch. Vor allem Nötigungen, Beleidigungen und Bedrohungen werden von den Betroffenen nur selten angezeigt. Oftmals sind die Opfer der Meinung, dass diese Taten keine strafrechtliche Relevanz haben. Häufig haben vorherige Erlebnisse auch zu einem Gewöhnungseffekt geführt: Der erlittene Angriff wird in eine lange Reihe negativer Erfahrungen eingeordnet. Sprachprobleme und Diskriminierungserfahrungen tragen zudem dazu bei, dass bei vielen Opfern rechtsextremer Gewalttaten ein grundsätzliches Vertrauen in die Tätigkeit von Polizei und Justiz fehlt.

Die Opferperspektive veröffentlicht regelmäßig und fortlaufend ihr bekannt gewordene Angriffe mit rechtem und rassistischem Hintergrund. Sie stützt sich dabei auf Pressemeldungen, Mitteilungen anderer Opferberatungsstellen und lokaler Initiativen sowie auf Informationen der Opfer selbst. Dennoch kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass die Liste der aufgeführten Straftaten vollständig ist – auch nicht im Bereich der Angriffe auf Imbisse ausländischer Mitbürger.

Das Ausmaß rechtsextremer Gewalt gegen Asia- und Döner-Imbisse in Brandenbur

In Imbisswagen und Container wird wegen ihres meist ungeschützten Standorts und ihrer leichten Zugänglichkeit oft eingebrochen. Auch Brände mit zunächst ungeklärter Ursache sind nicht selten. Dies betrifft die Thüringer Bratwurstbude ebenso wie den Döner-Imbiss oder die Asia-Pfanne. Vergleicht man allerdings die Zahl und Art der Delikte gegen »deutsche« und »ausländische« Imbisse, so kommt man zu eindeutigen Ergebnissen. Die Durchsicht der entsprechenden Pressemeldungen im Archiv der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« vom 1. Januar 2003 bis zum 1. Mai 2004 förderte folgenden Sachverhalt zu Tage: Bei den Fällen, in denen nicht nur eingebrochen und gestohlen, sondern auch der Innenraum verwüstet wurde, handelte es sich immer um Asia- oder Döner-Imbisse. Mit anderen Worten: Auf Vandalismus trifft man immer nur bei ausländischen Betrieben. Auffällig war ebenfalls, dass es sich bei deutschen Betrieben fast ausschließlich um leicht zugängliche Imbisswagen oder Container handelte, während bei ausländischen Betrieben auch Imbiss-Bistros betroffen waren, die in Ladengeschäften untergebracht sind. Den zuverlässigsten Hinweis auf den rechten und rassistischen Hintergrund von Gewaltdelikten gegen Asia- und Döner-Imbisse geben die Täter in den bereits ermittelten Fällen. In der Regel handelt es sich bei den Tätern entweder um organisierte Rechtsextreme oder Mitglieder rechter Cliquen.

Das Ausmaß rechtsextremer Gewalt gegen Asia- und Döner-Imbisse in Brandenbur

Trotz dieser Ergebnisse und einer Vielzahl von Presseberichten über Prozesse gegen rechte Brandstifter hält sich in vielen Fällen das hartnäckige Vorurteil: »Das waren die doch bestimmt selbst.« Vor allem bei Brandanschlägen, bei denen die Täter nicht gefasst wurden, wird meist unterstellt, es handele sich um die Tat eines Konkurrenten oder um einen »warmen Abriss«, also einen Versicherungsbetrug. Eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin, die für die Landkreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Oberhavel und Uckermark zuständig ist, erbrachte jedoch, dass seit Anfang des Jahres 2000 lediglich in drei Fällen von Brandstiftung bei Asia- und Döner-Imbissen eine fremdenfeindliche bzw. rechtsextreme Motivation auszuschließen war. Keinen Zweifel an einer fremdenfeindlichen bzw. rechtsextremen Tatmotivation gab es beispielsweise bei zwei organisierten Brandanschlägen auf ausländische Imbisse im Jahr 2000 in Stansdorf und Trebbin. Die Imbissbuden brannten vollständig nieder. Verantwortlich dafür erklärte sich eine Gruppe, die sich »Nationale Bewegung« nannte und Bekennerschreiben am Tatort hinterließ. »Kauft nicht bei Türken!!! Schluss mit der Schändung des deutschen Volkskörpers durch Ausländer und ihre Multikulti-Küche. Die nationale Bewegung«, hieß es im ersten Bekennerschreiben. Im zweiten Bekennerschreiben war vom »Kampf gegen unarische Überbevölkerung und Kanakenfraß« die Rede und davon, »allen Unschlüssigen« ein »leuchtendes Zeichen« geben und zur Nachahmung anregen zu wollen. 13 weitere Anschläge werden der Gruppe zugeschrieben, unter anderem der Anschlag auf die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Potsdam. Verhaftungen gab es bisher keine. Im Juli 2004 wurden in Brandenburg sieben junge Männer verhaftet. Sie sind im Alter zwischen 16 und 20 Jahren; Schüler, einige von ihnen Abiturienten, zwei Arbeitslose. Ihnen werden die Bildung einer »terroristischen Vereinigung« und neun Anschläge auf Döner- und Asia-Imbisse im westlichen Umland von Berlin (Nauen, Brieselang und Falkensee) zur Last gelegt. Die Gruppe nennt sich »Freikorps«, in Anlehnung an die antikommunistischen Paramilitärs der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Diese Gruppierung hat eine detaillierte Satzung und verfolgt das Ziel, Ausländer durch gezielte Gewaltakte zu vertreiben. Solche Vereinigungen, die ein Programm oder zumindest eine nachvollziehbare Programmatik haben, diszipliniert organisiert sind und systematisch vorgehen, entsprechen den traditionellen Vorstellungen von politischer Organisierung und politisch motivierter Gewalt.

Das Ausmaß rechtsextremer Gewalt gegen Asia- und Döner-Imbisse in Brandenbur

Tatsächlich handelt es sich aber bei der Mehrheit der aufgeklärten Anschläge auf Imbissstände um ein völlig anderes Täterspektrum und einen anderen Tathergang. Als Beispiel kann eine Gruppe von Brandstiftern gelten, die in einer Nacht einen Asia- und einen Döner-Imbiss anzündeten. Sie entsprechen in vielerlei Hinsicht den Prototypen – nicht nur im hier untersuchten Kontext – für rechtsextreme Gewalttäter. Die Anschläge wurden zwar von Tätern verübt, die in der einen oder anderen Form in die rechte Szene eingebunden waren, sich aber an besagtem Abend zufällig in dieser Konstellation zusammenfanden. Man trank zusammen, hörte rechtsextreme Musik und kam im Lauf des Abends auf die Idee, den Asia-Imbiss anzuzünden. Berauscht vom Erfolg wollte man mit dem restlichen Benzin gleich noch einen Döner-Imbiss niederbrennen. Es gab zwar Vorsichtsmaßnahmen – als die Täter in die Straße fuhren, in der sich der Döner-Imbiss befand, wurde das Licht am Auto ausgeschaltet –, insgesamt stellte sich die Gruppe aber recht dilettantisch an, weshalb es auch zur schnellen Verhaftung kam.

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Eine solche spontane Tat ist ganz allgemein eher die Regel als die Ausnahme für rechtsextreme Angriffe und Übergriffe. Die politische Überzeugung der Täter wirkt auf Beobachter eher diffus als gefestigt. Sie umfasst oft nicht viel mehr als eine radikalsozialdarwinistische Grundüberzeugung, ein völkisches Weltbild und eine klare Feinddefinition. Das Motiv ist der Wille zur Vertreibung oder gar Vernichtung von Personengruppen, die im rechten Weltbild als »Feinde« erscheinen. Vor dem Hintergrund dieses Weltbildes, in dem es nur Starke gibt, die herrschen, und Schwache, die beherrscht werden, ist die Gewaltbereitschaft ständig sehr hoch. Alkohol ist dabei eine begünstigende Bedingung, aber nicht die Ursache für die Gewalt. Rechte und rassistische Gewalt entspricht nur zu einem Teil der von Polizei und Justiz aufgestellten engen Definition politisch motivierter Gewalt; vielmehr ist sie oft spontane Gewalt, die jedoch aus einem gemeinsamen rechten und rassistischen Weltbild und Wertesystem gespeist wird.

Das Ausmaß rechtsextremer Gewalt gegen Asia- und Döner-Imbisse in Brandenbur

Dieses gemeinsame Weltbild und Wertesystem – so betonen Beobachter – fußt auf einer entwickelten Alltagskultur. Ständig geht es dabei um die Raumhoheit, die mit Gewalt durchgesetzt und mit einem hohen Drohpotenzial aufrechterhalten werden soll. Dabei spielen neonazistische Symbole, ob als Zeichen oder Kleidungsstücke, eine wichtige Rolle. Sie vermitteln Gleichgesinnten Sicherheits- und Dominanzgefühle. Potenzielle Opfergruppen werden dadurch eingeschüchtert und ziehen sich teilweise aus den entsprechenden Räumen ganz zurück.

In diesem Kontext sind die Anschläge auf Asia- und Döner-Imbisse zu sehen. Jedes an einen Wagen gemalte Hakenkreuz, jede eingeschlagene Fensterscheibe markiert den Betrieb als angreifbaren Ort, als zerstörungswürdiges Objekt, unterstreicht seinen Charakter als Fremdkörper. Jede entsprechende Gewalttat wird von den Tätern als ein Schritt zur Durchsetzung der völkischen Wahnvorstellungen angesehen und ist ein »Kick« für die Szene. Rechtsextreme und rassistische Gewalt hat nicht nur die Verletzung, Demütigung und Vertreibung der Opfer zum Ziel, sondern darüber hinaus eine wesentliche Funktion für die Aufrechterhaltung der rechten Szene, unabhängig vom politischen Bewusstseinsgrad der Täter.

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