»Wie, wenn jemand ein Auto anstößt«, hätten die entfernt hallenden Geräusche geklungen: Dumpf, scheppernd und laut. Auf dem Gehsteig hatte sich eine Blutlache von einem halben Meter Durchmesser gebildet, daneben verlief eine rote Schleifspur durch den Schnee. So schilderten Zeugen vor Gericht die Kulisse, der sie in der Nacht des 15. Februar 1996 in der Innenstadt von Brandenburg/Havel begegneten. Um die Ecke, in einer Seitenstraße schließlich die Quelle des Lärms: Ein Glatzkopf, der ohne Unterlass auf sein Opfer eintritt. Couragiert greifen die Zeugen ein und überwältigen den Schläger. Eintreffende Polizisten nehmen den 21-jährigen Sascha Lücke zwar in Gewahrsam, lassen ihn kurz darauf jedoch wieder auf freien Fuß. Das Opfer: Der Brandenburger Sven Beuter, 23 Jahre alt, ein schmächtiger Punk mit grünem Irokesenschnitt. Beuter ist durch die Prügeltortur schwer verletzt: Hirnquetschung, Schädelbrüche, die Milz gerissen, die Leber angerissen. Nach fünf Tagen Todeskampf im Koma verstirbt er.
Seit dem brutalen Geschehen in sind mittlerweile zehn Jahre verstrichen. Um an den mittlerweile fast vergessenen Mord zu erinnern, wird in den kommenden Wochen in Brandenburg/Havel eine Ausstellung über die Todesopfer gezeigt, die die rechte Gewalt im wiedervereinigten Deutschland gefordert hat. In der von der Berliner Künstlerin Rebecca Forner gestalteten Ausstellung sind die Schicksale von 131 ermordeten Menschen dokumentiert – eines davon das von Sven Beuter. Viele Details seines Todes stehen exemplarisch für zahlreiche andere: Die Begegnung zwischen Opfer und Täter war zufällig und einen wirklich Anlass für die folgende Prügelorgie hat es nicht gegeben. Der angetrunkene Naziskinhead Sascha Lücke identifizierte sein Gegenüber als »linke Zecke« – das genügte, um den Gewaltakt zu legitimieren. Trotzdem meldeten Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft den Tod nur kurz und als ein unpolitisches Delikt. Erst Monate später wird der tatsächliche Hintergrund der Tat öffentlich bekannt. Der Verfassungsschutz meinte lapidar, in Brandenburg/Havel habe die »Rivalität zwischen gewaltbereiten Jugendgruppen« ihren Ausdruck gefunden.
Als Sascha Lücke schließlich vor Gericht gestellt wird, braucht es nur drei Verhandlungstage, um ihm seine brutale Tat nachzuweisen. Der Richter bescheinigte ihm eine »diffus faschistische Weltanschauung«. Nur 43 Kilogramm wog das Opfer, es habe sich gegen den stämmigen Skinhead kaum wehren können. Zumal Beuter drei Jahre zuvor schon einmal Opfer eines rechten Angriffs geworden war und davon bleibende körperliche Schäden davongetragen hatte. Wegen Totschlags erhält Lücke eine Haftstrafe von achteinhalb Jahren.
Am 19. Februar 1997, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Tod Sven Beuters, griffen Rechtsextreme in der Straßenbahn Brandenburg/Havels zwei linke Jugendliche an. Die Opfer erlitten Schädelverletzungen. Die Serie der rechten Gewalt hatte keinen Abbruch gefunden. Und auch, wenn Morde seltener geworden sind: Bis heute dauert der rechte Terror an. Im Jahr 2005 zählte der Verein Opferperspektive 128 rechte Angriffe im Land Brandenburg.
Die Ausstellung »Opfer rechter Gewalt seit 1990 in Deutschland« gastiert ab Donnerstag, dem 16. Februar in Brandenburg/Havel. Bis zum 1. März ist sie dann von jeweils 10 Uhr bis um 13 Uhr (Montag und Freitag), 16 Uhr (Dienstag und Donnerstag) oder 18 Uhr (Mittwoch) im Bürgerhaus Hohenstücken zu sehen. Weitere Infos im Internet unter www.opfer-rechter-gewalt.de
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