Auf Hass und Vorurteilen gründende Kriminalität ist nach wie vor ein nicht zu unterschätzendes Problem. Immer wieder werden wir mit Straftaten konfrontiert, bei denen die Täter scheinbar grundlos schwere Gewalttaten an ihnen zumeist unbekannten Opfern verüben. Bei näherer Betrachtung dieser Taten zeigt sich, dass sie gerade dadurch gekennzeichnet sind, dass der Täter sein Opfer lediglich deshalb angreift, weil es bestimmte Eigenschaften oder Überzeugungen besitzt. Persönliche Konfliktsituationen zwischen Opfer und Täter liegen derartigen Taten hingegen nicht zugrunde.
In der Vielzahl dieser Fälle kennen Täter und Opfer sich nicht einmal, vielmehr werden die Opfer spontan und zufällig, nur weil sie so sind, wie sie sind, ausgewählt. Menschen werden damit nicht aus einer bestimmten, für sie abschätzbaren und beeinflussbaren Konfliktsituation heraus zu Opfern, sondern müssen sich sorgen, zu jeder Zeit und in jeder täglichen Lebenslage einem rein willkürlichen Angriff ausgesetzt zu sein. Die Täter nehmen ihnen ihre menschliche Würde. Gerade hierin liegt die besondere Dimension des Unrechts dieser Straftaten. Solchen Taten, die darüber hinaus zumeist von einem hohen Maß an Brutalität gekennzeichnet sind, gilt es nachhaltig zu begegnen, denn Hass und Vorurteile dürfen in einem demokratischen Gemeinwesen keinen Platz haben. Auch den Opfern gilt es zu verdeutlichen, dass der Staat und die Gesellschaft sie vor derartigen Taten schützen und diesen eine deutliche Reaktion entgegen setzen wollen.
Rechtsextremistische Straftaten, ein gesamtdeutsches Problem
Bereits am 26. September 2000 hatte Brandenburg deshalb einen Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Bekämpfung rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Straftaten in den Bundesrat eingebracht, der jedoch seinerzeit wegen systematischer Bedenken vertagt wurde 1 . Der nun vorliegende, ursprünglich gemeinsam von Brandenburg und Sachsen-Anhalt initiierte Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches 2 , der gemeinsam mit Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in den Bundesrat eingebracht wurde, hat den damaligen systematischen Bedenken Rechnung getragen. Er will nun – durch eine Änderung der §§ 46 Absatz 2, 47 Absatz 1 und 56 Absatz 3 des Strafgesetzbuches (StGB) – die Möglichkeit eröffnen, auf Straftaten nachhaltiger reagieren zu können, deren Beweggrund (auch] darin besteht, anderen Menschen die ihnen gebührende Anerkennung als gleichberechtigt zu versagen.
Die am 4. Juli 2008 im Bundesrat erreichte Mehrheit zur Einbringung des Gesetzentwurfes in den Bundestag verdeutlicht, dass sich die Bundesländer ihrer Verantwortung bewusst sind, derartige Taten noch besser bekämpfen zu müssen. Dies ist umso bedeutsamer, als die mit der angestrebten Gesetzesänderung in den Blick genommenen Straftaten nicht nur ein ostdeutsches, sondern ein gesamtdeutsches Problem sind. Trotz größter Anstrengungen, auch von Seiten der Justiz, ist die Anzahl rechtsextremistischer Gewalttaten in den letzten Jahren bundesweit auf einem gleichbleibend hohen Niveau geblieben. So verzeichnet der Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern für das Jahr 2007 aus dem Phänomenbereich »Politisch motivierte Kriminalität – rechts« 980 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund 3 (2006: 1.047; 2005: 958; 2004: 776).
Auch in vielen anderen europäischen Staaten sind Straftaten, die aufgrund von Hass und Fremdenfeindlichkeit begangen werden, seit langem zu beobachten. Dies hat zu einem unter deutscher Ratspräsidentschaft ausgehandelten Entwurf eines Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geführt. Dieser sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen sollen, um sicherzustellen, dass rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe bei Straftaten als erschwerender Umstand gelten, oder dass solche Beweggründe bei der Festlegung des Strafmaßes durch die Gerichte berücksichtigt werden können 4 .
Die Ziele des Gesetzentwurfes
Der in den Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf setzt die im Entwurf des Rahmenbeschlusses enthaltene Forderung um und geht sogar darüber hinaus. Durch die beabsichtigte Änderung in § 46 Absatz 2 StGB sollen die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte dazu angehalten werden, rassistische, fremdenfeindliche und auch sonstige menschenverachtende Beweggründe oder Ziele des Täters im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend zu würdigen. Zu diesem Zweck sollen diese Beweggründe und Ziele ausdrücklich in § 46 Absatz 2 StGB benannt werden. Der beabsichtigte neue § 47 Abs. 1 Satz 2 StGB sieht dann vor, dass bei Straftaten, die von diesen Beweggründen oder Zielen mitbestimmt waren, die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen zur Verteidigung der Rechtsordnung in der Regel unerlässlich ist. Zuletzt soll in § 56 Absatz 3 ein neuer Satz 2 eingefügt werden, der bestimmt, dass in den Fällen des neuen § 47 Absatz 1 Satz 2 StGB die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten in der Regel gebietet, sie also nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden soll.
Die vorgesehene Änderung in § 47 Absatz 1 StGB kehrt damit für die in Rede stehenden Straftaten das bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis um. Bei Taten mit einer solchen Motivation sollen zukünftig in der Regel auch Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängt werden, um den Tätern deutlich vor Augen zu führen, dass derartiges Verhalten nicht toleriert wird. Bisher sieht das Gesetz kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen vor, an deren Begründung hohe Anforderungen gestellt sind.
Nach der in § 56 Absatz 3 StGB vorgeschlagenen Änderung soll außerdem die Verhängung einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten ohne Aussetzung zur Bewährung bei diesen Taten die Regel sein. Damit wird einem weiteren Element der auf Vorurteilen und Hass gründenden Kriminalität Rechnung getragen. Denn neben dem Umstand, dass sich diese Taten zumeist gegen zufällig ausgewählte Opfer richten, die den Tätern aus bestimmten Gründen nicht »passen«, werden sie in der Regel aus einer Gruppe von jungen Tätern heraus verübt. Die Bereitschaft dieser Täter, sich anschließend mit der Tat auseinanderzusetzen ist gering – jedenfalls solange es nicht gelingt, sie aus dieser Gruppe herauszulösen. Bei der Verhängung einer Bewährungsstrafe ist dies in der Regel nicht der Fall.
Die Verbesserung der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten als ein Baustein in der Bekämpfung rechtsextremistischer Straftaten
Eine durch das Ministerium der Justiz des Landes Brandburg gemeinsam mit dem Landespräventionsrat des Landes Brandenburg in Auftrag gegebene Studie zur »Analyse der Entwicklungsverläufe von jugendlichen Gewalttätern mit rechtsextremer, fremdenfeindlicher oder antisemitischer Tatmotivation« des Instituts für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung der Universität Potsdam bestätigt dies 5 . Sie ist – auch durch Täter- und Experteninterviews (hierzu zählten Jugendrichter, Staatsanwälte, Vertreter der Polizei und des Verfassungsschutzes, aber auch Vertreter der Bewährungs- und Jugendgerichtshilfe) – zu dem Ergebnis gelangt, dass vor allem eine empfindliche strafrechtliche Reaktion für ein zukünftig straffreies Leben von jugendlichen und heranwachsenden Tätern mit einer derartigen Tatmotivation von besonderer Bedeutung ist.
Eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe wird von diesen Tätern zumeist nicht als Chance wahrgenommen, das eigene Leben zu ändern, sondern als willkommene Möglichkeit der Haftvermeidung angesehen. Dies gilt für junge Erwachsene gleichermaßen. Deshalb stellt der Gesetzentwurf in § 56 Absatz 3 Satz 2 StGB ausdrücklich klar, dass in entsprechenden Fällen Freiheitsstrafen von über sechs Monaten in der Regel nicht zur Bewährung ausgesetzt werden sollen.
Der Gesetzentwurf wirkt sich über die vorgeschlagene Änderung des § 46 StGB auch auf das Jugendstrafrecht aus. Die darin festgehaltenen Strafzumessungsgrundsätze werden auch bei der Bestimmung der nach dem Jugendstrafrecht angemessenen Sanktion herangezogen. Vor dem Hintergrund, dass oftmals auch Jugendliche und nicht nur junge Erwachsene derartige Taten verüben, ist dies für eine nachhaltige Bekämpfung von Vorurteils- und Hasskriminalität von wesentlicher Bedeutung.
Wenn dem Gesetzentwurf zuweilen entgegen gehalten wird, dass ein praktisches Bedürfnis für die vorgeschlagenen Änderungen nicht bestehe, so hat sich im Rahmen eines durch das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg organisierten Expertenhearings zum Thema Hasskriminalität am 19. Februar 2007 ein differenzierteres Bild gezeigt 6 . Dort haben sich auch Vertreter der staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Praxis für eine gesetzliche Neuregelung ausgesprochen.
Neben der Ausschöpfung und der Verbesserung der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gilt es auch, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine konsequente und schnelle Reaktion auf derartige Straftaten gewährleisten, sowie alle Anstrengungen zu unternehmen, diese Straftaten künftig zu verhindern.
Bei den Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg werden daher seit vielen Jahren Ermittlungsverfahren wegen Straftaten mit fremdenfeindlichem, antisemitischem und rechtsextremistischem Hintergrund von erfahrenen und besonders geschulten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bearbeitet. Dadurch wird eine effektive und kompetente Verfahrensbearbeitung gewährleistet. Die Erledigung rechtsextremistischer Strafverfahren im Wege des beschleunigten Verfahrens oder des vereinfachten Jugendverfahrens hat dabei hohe Priorität 7 . Bei Verfahren, bei denen die rechtlichen Voraussetzungen des beschleunigten Verfahrens oder des vereinfachten Jugendverfahrens nicht bestehen, bildet eine beschleunigte Bearbeitung ebenfalls einen Schwerpunkt, insbesondere die zügige Aburteilung von Gewalttaten.
Die Landesregierung hat darüber hinaus, insbesondere mit dem Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg – für eine starke und lebendige Demokratie«, dessen zehnjähriges Bestehen in diesem Jahr gefeiert werden konnte, vielfältige Anstrengungen unternommen, um tolerantes Handeln und demokratisches Verständnis im Land Brandenburg zu unterstützen und zu fördern. Für die Zukunft gilt es, die erzielten Fortschritte und Erfolge weiter auszubauen, um so eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung und des gegenseitigen Verstehens zu schaffen, die hilft, Straftaten aus einer rassistischen, fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Motivation heraus zu verhindern.
Fußnoten
1 Bundesrat Drucksache 577/00, 26.09.2000: www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/2 Bundesrat Drucksache 458/08 (B), 04.07.2008: www.bundesrat.de
3 Bundesministerium des Inneren, Verfassungsschutzbericht 2007: www.verfassungsschutz.de
4 Council of the European Union, 19.07.2007, Note from General Secretariat of the Council, 11522/07 LIMITE DROIPEN 68: register.consilium.europa.eu
5 Kopp, Andrea und Betz, Meike: Abschlussbericht zum Projekt »Analyse der Entwicklungsverläufe von jugendlichen Gewalttätern mit rechtsextremer, fremdenfeindlicher oder antisemitischer Tatmotivation« und Schlussfolgerungen für die Optimierung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen: www.mdj.brandenburg.de
6 Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg und Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam, Expertenhearing »Hasskriminalität«: www.mdj.brandenburg.de
7 Ein beschleunigtes Verfahren kann von einem Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, wenn eine Straftat aufgrund einer klaren Beweislage sofort verhandelt werden kann. Das Verfahren findet in der Regel bis zu sechs Wochen nach der Tat statt, die Beweisaufnahme ist vereinfacht und die Höchststrafe beträgt ein Jahr Haft. Das vereinfachte Jugendverfahren im Jugendrecht verläuft ähnlich: Die Staatsanwalt beantragt dies, wenn keine Jugendstrafe zu erwarten ist, sondern Weisungen erteilt oder Hilfen zur Erziehung angeordnet werden sollen. Aktuelles Angriff