Diskussionsbeitrag von Andrea Würdinger

Die beabsichtigten Änderungen führen tatsächlich zu einer erheblich schärferen Bestrafung von Tätern, die sich bei Begehung der Taten von »menschenverachtenden, rassistischen oder fremdenfeindlichen Zielen oder Beweggründen« leiten lassen. Bemerkenswert ist, dass die Strafschärfung nicht über die Vorschriften des besonderen Teils des Strafgesetzbuchs, also den Deliktsnormen (z.B. §§ 223, 224 StGB Körperverletzung) erreicht werden soll, sondern über die Vorschriften des Allgemeinen Teils, der sich mit den Rechtsfolgen der Tat, den Grundsätzen der Strafzumessung und der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung beschäftigt. Diese Systematik soll sicherstellen, dass im Rahmen des vorgegebenen Strafrahmens die für einen Täter angemessene Strafe ausgeurteilt wird.

Die Berücksichtigung rechter Tatmotive in der Rechtsprechung

Vom Grundsatz her, darüber besteht wohl Einigkeit, ist auch nach jetziger Rechtslage eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten möglich, auch eine solche ohne Strafaussetzung zur Bewährung, wenn dies dazu dient, in geeigneter und angemessener Weise auf den Täter einzuwirken. Der obergerichtlichen Rechtsprechung 1 ist auch nicht fremd, bei rassistischen, fremdenfeindlichen oder menschenverachtenden Beweggründen oder Zielen besondere Umstände zu verlangen, warum die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. So führt das Oberlandesgericht Stuttgart in einer Entscheidung aus:

»Auch bei politischen Überzeugungstätern ist das Festhalten an einer politischen Überzeugung allein noch kein Grund, ihnen eine ungünstige Sozialprognose zu stellen. Äußert sich aber die politische Gesinnung in einer strafbaren Handlung und besteht deshalb auch zukünftig ‚durchaus die Gefahr des Abgleitens in strafbares Verhalten‘, so müssen gewichtige Tatsachen vorliegen, welche die sich daraus ergebende Befürchtung, der Täter werde auch in Zukunft wieder politisch motivierte strafbare Handlungen begehen, im konkreten Fall entkräften und die Erwartung künftiger straffreier Führung allein aufgrund der Verurteilung auch ohne Strafverbüßung rechtfertigen« (OLG Karlsruhe 3 Ss9/95, bereits am 19.10.1995, NStZ-RR 1996, 58 ff.)

Zur Berücksichtigung von generalpräventiven Erwägungen 2 heißt es:

»Ist eine politisch motivierte Straftat in hohem Maße geeignet, die Sorge in der Bevölkerung über den Fortbestand des öffentlichen Friedens zu verstärken, so kann Bewährung im Hinblick auf die Verteidigung der Rechtsordnung nur gewährt werden, wenn der Fall Besonderheiten aufweist, die zugunsten des Täters sprechen« (OLG Karlsruhe, s.o.)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist gerade auch der »Nachahmungseffekt« für potenzielle Täter bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als wichtiger Umstand zu berücksichtigen (BGH 3 StR 449/84, bereits seit 14.11.1984). Den zitierten Urteilen lagen sämtlich Straftaten aus dem rechten Spektrum zugrunde.

Folgen einer Strafschärfung für die Rechtsprechung

Die beabsichtigte Gesetzesänderung scheint eher auf die Spruchpraxis der Untergerichte Einfluss nehmen zu wollen in der Hoffnung, bei regelmäßigem Vollzug auch kürzerer Freiheitsstrafen eine größere Abschreckung zu erzielen; für den Täter selbst und für Nachahmer. Für erkennende Richter bedeutet dies, dass sie demnächst ohne besondere Begründung vollziehbare Freiheitsstrafen verhängen dürfen, aber auch müssen; also auch in Fällen, in denen von einer Wiederholung nicht ausgegangen wird. Die Abschreckung anderer (Generalprävention) lässt Einzelfallerwägungen (Spezialprävention) nicht mehr zu. So werden aus Tätern in den Augen anderer eher Opfer, eine Loslösung aus der Szene schwieriger.

Wenig ermutigend ist die Vorstellung, dass es der Begründungsaufwand sein soll, der Gerichte davon abhält, für die Verteidigung der Rechtsordnung erforderliche, vollziehbare Freiheitsstrafen nicht zu verhängen. Träfe dies tatsächlich zu, sollten diese Richter nicht gezwungen werden, entsprechende Strafen zu verhängen, sondern einen anderen Wirkungskreis zugewiesen erhalten.

Es ist nicht wirklich einsichtig, warum ein Richter, wenn er vollziehbare, kurze Freiheitsstrafen verhängt, dies nicht begründen soll, wenn er es kann. Wenn er diese Maßnahme nicht begründen kann, dann darf er sie auch nicht verhängen. Jede Freiheitsentziehungsmaßnahme ist ein sehr einschneidender Grundrechtseingriff. Solche Eingriffe gehören begründet, denn damit werden sie überprüfbar. Dies gilt um so mehr, wenn zum Zeitpunkt des Urteils eine kurzfristige Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter nicht mehr geboten erscheint.

Fazit

Auf der Ebene der Strafzumessungsregeln neue »Mindeststrafen« für rechts motivierte Straftäter einzuführen, ist systemisch unsauber und rechtsstaatlich bedenklich.

Zum Konzept der kurzen vollziehbaren Freiheitsstrafen gehört vernünftiger Weise auch ein Konzept, was in der kurzen Zeit mit dem Täter in der Haftanstalt geschehen soll, außer dass er »sitzt«. Im jetzigen System wird für die kurze Zeit kaum ein Vollzugsplan gemacht oder an einer Auseinandersetzung mit der Tat gearbeitet. Im Gegenteil. Die Gefahr, dass es zu einer weiteren Einbindung in rechte Strukturen gerade in den Haftanstalten kommt, ist groß.

Sinnvoller ist nach wie vor, eine Sensibilisierung der Ermittlungsbehörden und der Richter für rassistische, fremdenfeindliche und menschenverachtende Beweggründe und Ziele wahrzunehmen und aufzuklären, Strafverfahren zügig durchzuführen, bei Verurteilungen zu Bewährungsstrafen entsprechende Bewährungsauflagen zu erteilen und den Verurteilten in diesem Rahmen intensiv zu betreuen und zu kontrollieren.

Klarheit dürfte aber auch darüber herrschen, dass sich das gesellschaftliche Phänomen der Intensivierung rechter Gewalt und die Ausbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Einstellungen nicht mit den Mitteln des Strafrechts lösen lässt.

Fußnoten

1 Untergerichte sind Gerichte, die Urteile der ersten Instanz sprechen, die vor einem Obergericht angefochten werden können.

2 Als Spezialprävention bezeichnet man strafrechtliche Erwägungen und Maßnahmen, die sich auf einen einzelnen Täter beziehen, während solche, die auf die Allgemeinheit, die Gesellschaft zielen, unter dem Begriff der Generalprävention gefasst werden.

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