Die Kontinuität von rechter Gewalt und rassistischer Diskriminierung seit 1990


Vor Ort in Brandenburg

BRANDENBURG/HAVEL
Am 15. Februar 1996 ereignete sich in Brandenburg/Havel eines der vielen rechten Tötungsdelikte jener Zeit. Der 24-jährige Punk Sven Beuter war bereits 1993 und 1994 Opfer folgenschwerer rechter Angriffe geworden. Als er 1996 abends unterwegs war, wurde er von einem Neonazi angegriffen und derart brutal zusammengeschlagen, dass er wenige Tage später an den Folgen verstarb. Mit Kundgebungen am Tatort gedenken seither Punks und Antifaschist:innen des Getöteten. Seit 2007 erinnert auch eine Gedenktafel an Sven Beuter. Am Gedenken anlässlich des 25. Jahrestages des Verbrechens wird sich am 15. Februar 2021, wie schon in den Jahren zuvor, auch die Opferperspektive e.V. beteiligen.

EBERSWALDE
Die weltweite Bewegung Black Lives Matter sorgt auch in Brandenburg dafür, dass sich zunehmend Menschen bei der Opferperspektive melden, die den unangemessenen Umgang der Polizei mit PoC (People of Color) thematisieren. Dabei sind Probleme im polizeilichen Umgang mit rassistischen Angriffen nicht neu. So beobachteten 20 Polizisten den Mord an Amadeu António Kiowa im November 1990 durch einen Mob rechtsradikaler Jugendlicher, ohne einzuschreiten. Die öffentliche Auseinandersetzung mit derartigen Skandalen stieß Veränderungen bei der Polizei an, die den Umgang mit den Betroffenen rassistischer Angriffe verbesserte. Dass immer noch viel zu tun ist, zeigt ein Fall aus dem nahe Eberswalde gelegenen Bernau vom September 2020. Dort wurde ein aus dem Senegal stammender Mann, der mit seiner Familie unterwegs war, rassistisch angegriffen und u.a. mit einem Baseballschläger geschlagen. Es gelang dem Angegriffenen, dem Täter den Baseballschläger abzunehmen. Die zwischenzeitlich dazugekommene Polizei forderte den Betroffenen – mit vorgehaltener Pistole und unter Androhung des Schusswaffengebrauchs
– zum Niederlegen des Baseballschlägers auf und brachte ihn anschließend
gewaltsam zu Boden.

GUBEN
In der Nacht des 13. Februar 1999 verstarb der aus Algerien stammende Farid Guendoul an seinen Verletzungen infolge eines rassistisch motivierten Angriffs mehrerer Rechter in Guben. Diese hatten gezielt Menschen gejagt, die nicht in ihr Weltbild passten. Am 22. Mai 2020, über 20 Jahre später, waren zwei geflüchtete Männer in Guben unterwegs. Plötzlich begegnete ihnen ein Auto, das mit zunehmender Geschwindigkeit auf sie zufuhr. Die Angegriffenen konnten mit einem Sprung dem Auto ausweichen, wobei sich einer der beiden leicht verletzte. Durch ein Rückwärtsmanöver versuchte der Autofahrer abermals die Männer anzufahren, was ihm nicht gelang. Wenig später war eine andere Person aus dem Wohnheim in der Nähe des Supermarkts unterwegs, die einem ähnlichen Angriff ausgesetzt war. Wieder versuchte ein Auto den Mann anzufahren, welcher ebenfalls ausweichen muss. Das Auto der Angreifer fuhr sich auf dem Bürgersteig fest. Die Täter konnten von der Polizei ermittelt werden. Die Opferperspektive wertet den Angriff als versuchte Tötung.

RATHENOW
Im Februar 2000 schrieben 47 in Rathenow untergebrachte Asylbewerber:innen einen offenen Brief an die Brandenburger Landesregierung, in dem sie ihre von rassistischen Angriffen und institutioneller Diskriminierung geprägten Lebensbedingungen kritisierten. Der Brief gipfelte in der Feststellung: „Wir finden das Bundesland zu unsicher, um darin zu leben“. Aus diesem Protest entstand die Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg, eine der ersten Selbstorganisationen geflüchteter Menschen in Ostdeutschland. Auch wenn sich seither vieles geändert hat, die grundlegende Kritik der Rathenower Geflüchtete ist immer noch berechtigt. Immer noch leben Asylbewerber:innen unter prekären Bedingungen in Gemeinschaftsunterkünften, immer noch wird ihnen der Zugang zur hiesigen Gesellschaft erschwert. Und immer noch sind Migrant:innen in Brandenburg von Gewalt bedroht. Auch in Rathenow, wo in den letzten Jahren immer wieder Angriffe auf Syrer:innen und Afghan:innen durch Rechte verübt wurden.

Ein Beitrag der Dezember-Ausgabe des Schattenberichts 2020. Den Schattenbericht gibt es zur Nachlese unter: Schattenbericht Dezember 2020

 

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