In der Nacht zum 17. Februar 2006 wurde in das Gymnasium in Lübben eingebrochen und stinkende Säure verspritzt. Ein hinterlassenes Flugblatt forderte zum Boykott der Aufführung des Theaterstücks »Hallo Nazi!« in der Aula auf. Die Schulleitung verlegte das Stück, das sich kritisch mit Rechtsextremismus auseinander setzt, kurzerhand in die Turnhalle. Nach der Aufführung baten die Schauspieler rechte SchülerInnen um Wortmeldungen – vergeblich. Einer jedoch äußerte sich später. In einem anonymen Bericht auf einer Internetseite machte ein Elftklässler aus seiner Sympathie für den Anschlag keinen Hehl. Dass dies keine Einzelmeinung ist, zeigte sich am 17. März in der Spreewaldschule. Bei einer Veranstaltung des Kreispräventionsrats erklärte ein Schüler selbstbewusst: »Ich bin ein Nazi.« Mit ihm besuchten etwa 15 Rechte einen Workshop, in dem über rechte Musik aufgeklärt werden sollte.
»Die Rechten treten immer offensiver auf«, sagt ein Mitglied des Lübbener Forums gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Neu ist das Problem aber nicht. Rechte Graffiti gehören seit Jahren zum Stadtbild. Die Verwaltung des Erholungsorts müht sich stets, die Naziparolen zu entfernen – sofern sie als solche zu erkennen sind. Weil die rechte Szene zunehmend Codes verwendet, klärt das Lübbener Forum anhand von Fotos über die versteckten Bedeutungen auf. Was die Lübbener BürgerInnen am Morgen des 4. April ansehen mussten, hatte eine neue Dimension: Gleich an 26 Häusern prangten Hakenkreuze, Naziparolen und die Ziffer 88 – ein international verwendeter Code für »Heil Hitler«.
In der Spreewaldstadt hat die Ziffer eine besondere Brisanz. Denn in einer stillgelegten Brauerei hinter einem Baumarkt gibt es einen inoffiziellen Jugendclub namens »Bunker 88«. Laut Polizei treffen sich dort etwa 40 LübbenerInnen, die zum harten Kern der rechten Szene gehören. Schließen könne man den Treffpunkt aber nicht, erklärte ein Polizeisprecher im Februar 2006 in der Märkischen Allgemeinen, der Club sei privat angemietet. Die Polizei solle sich lieber um »kriminelle ausländische Mitbürger« kümmern, beschwerte sich ein Rechter daraufhin auf der Homepage der Stadt Lübben. Bürgermeister Lothar Bretterbauer widerspricht solchen Parolen. Er versichert jedoch zugleich, die BesucherInnen des »Bunkers 88« nicht pauschal zu verdammen; schließlich seien auch normale junge Leute darunter. »Es gibt viele, die gehen auch mal zu den Partys von den Rechten«, bestätigt eine 17-jährige Schülerin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen will. Zum Stammpublikum des Clubs gehören brutale Gewalttäter: Am 6. Januar 2006 überfiel eine Gruppe Rechter einen Jugendclub in Neu-Lübbenau. Die TäterInnen misshandelten gezielt einen Jugendlichen, während die übrigen Anwesenden in Schach gehalten wurden. Die von den Rechten entwendete Musikanlage des Clubs wurde später vor dem »Bunker 88« beschlagnahmt. Das ist kein Einzelfall. Bei mehreren Gerichtsverfahren bekannten rechte SchlägerInnen freimütig, dass sie sich im »Bunker 88« treffen.
Es mag rechtlich schwierig sein, den Club zu schließen. Das erklärt allerdings nicht, warum die Polizei und die Stadtverwaltung dies zweieinhalb Jahre nicht öffentlich problematisiert haben. Dass Jugendliche dort zu Partys gehen, macht die Sache ja nicht besser; im Gegenteil. Selbstverständlich gab und gibt es Möglichkeiten, gegen einen Club vorzugehen, der »Heil Hitler« heißt. Denn ein solcher Treffpunkt darf nicht hingenommen werden.
Aktuelles Opferperspektive