Sehr geehrte Damen und Herren,
die Debatte um Rechts- extremismus, Ausländer- feindlichkeit und Gewalt in Deutschland ist in vollem Gange. Das ist gut so angesichts der Gefahr, die zur Zeit von rechts- extremistischem Gedankengut ausgeht. Aber wer glaubt, inzwischen sei alles gesagt oder getan, der täuscht sich. Nach jeder Landtagswahl, bei der rechtsextremistische Parteien Erfolge erzielen, wie vor zwei Wochen die NPD in Mecklenburg-Vorpommern, wird von Seiten der Politik, der Medien und anderer gesellschaftlicher Gruppen ein Aktionismus an den Tag gelegt, bei dem man denken könnte, das Problem des wachsenden Rechtsextremismus sei gerade erst entstanden. Einige meinen, allein mit Hilfe eines Parteiverbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht oder mit verstärktem Geldeinsatz sei das Problem zu lösen. Meine Damen und Herren, wir wissen aber: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sind leider keine Probleme, die schnell gelöst werden können. Dazu sind ihre Ursachen viel zu komplex, ihre Wurzeln zu stark und bereits in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Jeder Einzug einer rechtsextremistischen Partei in einen Landtag, jede Gewalttat an ausländischen Mitbürgern, jede rassistische Schmähung ist ein dramatisches Warnzeichen für die Ausbreitung der demokratiefeindlichen Ideologie und ein Erfolg rechtsextremistischer Propaganda. Hinzu kommt ein immer professioneller werdender Kampf gegen unser demokratisches System, gegen unsere gemeinsame Werteordnung, gegen unsere Vorstellung von einem friedlichen und toleranten Zusammenleben. Deshalb kann ein Verbotsverfahren grundsätzlich nur ein möglicher Baustein im Kampf gegen die verfassungsfeindlichen Bestrebungen sein. Ein solches Verfahren ersetzt nicht das tägliche Eintreten aller gesellschaftlichen Gruppen für unser demokratisches Gemeinwesen.
Staat und Politik, Justiz und Polizei haben die Pflicht, den Rechtsstaat zu verteidigen. Dazu gehört auch das entschlossene Eintreten gegen jede Form des Extremismus, der Fremdenfeindlichkeit und der Ausgrenzung; auch mit Mitteln der Strafjustiz. Die brandenburgische Justiz, Staatsanwaltschaften und Gerichte, leisten hier seit Jahren vorbildliche Arbeit. Ich danke hier stellvertretend für die Staatsanwälte des Landes Herrn Generalstaatsanwalt Dr. Rautenberg, der durch die Einrichtung von Sonderdezernaten bei den Staatsanwaltschaften dafür Sorge getragen hat, dass rechtsextremistische Straftäter schnell und konsequent verfolgt und abgeurteilt werden. Die Staatsanwaltschaften können allerdings auch auf eine engagierte Arbeit der brandenburgischen Polizei im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus zurückgreifen. Ich erlaube mir hier auf dieser Veranstaltung einmal deutlich zu sagen, dass von Seiten der Polizei und der Justiz im Land Brandenburg wirklich alles Erforderliche getan wird, um rechtsextremistische Gewalttaten oder auch rechtsextremistische Schmähungen und Propagandadelikte zurückzudrängen. Die Strafjustiz wird aber immer erst dann wirksam, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Wenn wir langfristig erfolgreich sein wollen, müssen wir uns mit den Ursachen des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit beschäftigen. Dazu gibt es umfangreiche Studien, auch in Brandenburg. Daraus geht hervor, dass die Wurzeln für solche Fehlentwicklungen bereits in der Familie gelegt werden und durch die Sozialisationsbedingungen (Kindergarten, Schule, Umfeld, Lebensperspektiven) die Fehlentwicklungen vermindert oder verstärkt werden können. Hier sind vor allem präventive Maßnahmen gefordert. Aber auch die Strafjustiz kann ihren Beitrag dazu leisten. Die Landesregierung versucht zur Zeit mit Hilfe des Instituts für Familien-, Kindheits-und Jugendforschung an der Universität Potsdam, die Entwicklungsverläufe junger rechtsextremistischer Straftäter zu betrachten. Von dem Ergebnis dieser Analyse verspreche ich mir, dass wir unseren Staatsanwälten und Richtern noch besser mitteilen können, welche strafprozessualen Maßnahmen die Täter am nachhaltigsten beeindrucken und mit welchen Sanktionen oder Erziehungsmaßnahmen wir sie sogar von einer kriminellen rechtsextremistischen Karriere abbringen können.
Meine Damen und Herren, Brandenburg ist besser als sein Ruf. Wir sind keine »No-go-Area«, und die übergroße Mehrheit der Menschen in diesem Land ist demokratisch gesinnt und duldet kein rechtsextremistisches Gedankengut und keine kriminellen fremdenfeindlichen Exzesse. Der Kampf gegen Rechtsextremismus erfolgt hier im Vergleich zu allen anderen ostdeutschen Bundesländern professioneller und konsequenter. Wir haben in Brandenburg erfolgreiche mobile Beratungsteams. Wir haben die Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg, wo alle Maßnahmen gebündelt und effizienter gestaltet werden. Hier wird der Wille der Landesregierung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sehr konkret sichtbar. Wir haben auf polizeilicher Ebene die MEGA und TOMEG, die auf der einen Seite den Verfolgungsdruck auf rechtsextremistische Täter spürbar erhöhen und andererseits sich um die Täter kümmern, um sie aus den Strukturen der rechtsextremistischen Netzwerke zu lösen. Wir haben das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir haben insgesamt ein staatliches und ein zivilgesellschaftliches Netzwerk zur Bekämpfung von politischen Extremisten.
Wir haben Strukturen, die andere Bundesländer erst aufbauen müssen und um die uns andere Bundesländer beneiden. Aber dieses Netzwerk kann das Land Brandenburg alleine nicht finanzieren. Dies sieht man deutlich an der Debatte um die Finanzierung der Opferperspektive. Die Opferperspektive ist ebenfalls ein Teil des brandenburgischen Netzwerkes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus. Der vom Verein Opferperspektive gewählte Ansatz der aufsuchenden Beratung ist nach meiner Überzeugung auch in Zukunft dringend notwendig, um Opfer rechtsextremistischer Gewalttaten auch unmittelbar nach der Tat zu unterstützen. Auch wenn die Zusammenarbeit mit dem Verein leider nicht immer spannungsfrei verläuft, möchte ich heute den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Opferperspektive für die geleistete Arbeit im Bereich der Opferhilfe danken. Es ist wichtig, dass wir uns der Problematik »des Rechtsextremismus« stellen, und dazu bedarf es vielseitiger Initiativen. Wir sind derzeit mit anderen Ressorts der Landesregierung darüber im Gespräch, wie die Arbeit der Opferperspektive in den nächsten Jahren finanziell unterstützt werden kann. Ich hoffe, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen.
Meine Damen und Herren, stellen wir uns überall denen entgegen, die meinen, einfache Antworten auf komplexe Fragen geben zu können. Stärken wir das Selbstvertrauen unserer Kinder und Jugendlichen und die Zuversicht, die Probleme der Zukunft meistern zu können. Setzen wir alle Ressourcen ein, um ein gewaltfreies Aufwachsen unserer Kinder zu ermöglichen. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, sie widerstandsfähig gegen demokratiefeindliche Bestrebungen und primitive Parolen zu machen.
Ich danke Ihnen!
Aktuelles Aktionsbündnis, Beratung, Opferperspektive, Rechtsextremismus