Das Horte liegt in Strausberg, einer Stadt mit 26.100 EinwohnerInnen im Landkreis Märkisch Oderland östlich von Berlin. In dem Haus betreiben die Jugendlichen ein Café, Band-Proberäume und Werkstätten sowie eine Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt; auch eine Wohngemeinschaft lebt dort. Das Projekt besteht in dieser Form seit 1995, die Geschichte reicht aber bis in das Jahr 1991 zurück, als linke Jugendliche die »Villa Eckertstein« besetzten. Jahrelange Auseinandersetzungen zwischen den BesetzerInnen, die selbstverwaltete Räume forderten, und der Stadtverwaltung folgten. Inzwischen ist das Horte in der Gemeinde fest verankert und die alternative Jugendszene mit zwei Stadtverordneten im Kommunalparlament vertreten. Mehrmals war das Haus Ziel von rechten Angriffen. Zwei Mal drangen Mitglieder der inzwischen verbotenen Kameradschaft ANSDAPO in das Café ein und versuchten, Gäste anzugreifen.
Wir sind ein Soziales Zentrum, zu uns kann einfach jeder kommen, der keine rassistische und keine Neonazi-Ideologie vertritt. Opfer rechter Gewalt werden bei uns beraten, Asylbewerber auch. Es gibt Veranstaltungen und Konzerte. Mit dem Horte gibt es in Strausberg einen Ort, an dem sich Jugendliche treffen und austauschen können. Sie können sich hier einfach unterhalten, auch über politische Sachen, und Gemeinsamkeiten herausfinden. Wir sind offen für neue Leute und freuen uns, wenn noch mehr dazu kommen. Es ist wichtig, diesen Ort in Strausberg zu haben, um sich zu treffen, um Aktionen zu planen, um eine Festung gegen Nazis zu sein. Wir zeigen denen: Wir sind hier, und ihr seid Idioten! Ihr lebt am Rande der Gesellschaft, ihr seid hier einfach nicht willkommen.
Wir sind damals über Freunde hierher gekommen. Man konnte unten im Café abhängen und töpfern. Dann lerntest du immer mehr Leute kennen und bekamst mit, wann was los ist. Ich habe damals in einem kleinen Ort in der Nähe gewohnt. Wir haben überlegt, was man gegen die Nazis machen kann, weil wir ab und zu mal Opfer waren. Ein Kumpel und ich waren dann immer mal wieder in Strausberg und kannten Leute, die hier im Café waren. Wir haben dann Spuckis gedruckt und die verklebt. Wir haben angefangen, den Nazis Widerstand entgegen zu setzen, damit die nicht machen können, was sie wollen. Zum Teil wurden wir selbst Opfer von rechter Gewalt und hatten auch mal Ärger mit der Polizei. Wir haben hier Rat gesucht, speziell auch mit der Opferperspektive und der Roten Hilfe geredet. So haben wir die Leute hier besser kennen gelernt. Und dann haben wir gedacht: Man hat jetzt Rat gefunden, warum dann nicht selbst mitarbeiten und anderen Leuten helfen, wenn die Probleme mit Gewalt oder mit der Polizei haben? Wir sind dann so rein gerutscht und haben angefangen, immer weiter mit zu organisieren.
Wie unser Einfluss in der Stadt ist, ist schwer zu sagen. Wir kriegen positives und negatives Feedback. Ich glaube, vor allem die Möglichkeiten, die hier für junge Leute geschaffen wurden, sind in der Stadt gut angesehen: Die Werkstätten, der Proberaum, die Fahrradwerkstatt, Siebdruck und all das. Das schafft mehr Ansehen als das politische Engagement. Aber wenn wir ein Thema wichtig finden, machen wir Aktionen in der Stadt. Zum Beispiel versuchen wir immer wieder, darauf aufmerksam zu machen, dass das Asylbewerberheim endlich aus Waldsieversdorf nach Strausberg kommt. Wir treten den Verantwortlichen auf den Schlips und bringen das in die Presse. Als hier der Denkzettel vom Flüchtlingsrat verteilt wurde, haben wir Straßentheater gespielt. Wir haben auch Aufkleber mit »Lieber ein Leben in Strausberg als isoliert in Waldsieversdorf« geklebt. Ein Aufkleber landete auf einer Scheibe. Es rief dann jemand hier an und meinte, wir sollten das wegmachen. Das haben wir mit einer Putzaktion in der Stadt verbunden und Handzettel ausgeteilt, auf denen stand, warum denn immer dieser Sauberkeits- und Ordnungsdrang wichtiger ist, als das Befinden unserer Mitbürger in Waldsieversdorf. Wir haben auch die AJL, die Alternative Jugendliste. Das ist keine Partei, das ist eher so stadtbezogen. Im Stadtparlament hat die AJL zwei Sitze und über die werden die Themen eingebracht. In der Stadtverwaltung können wir dadurch auch ein bisschen was sagen. Also, in der Öffentlichkeit sind wir präsent!
Klar gibt es immer auch Neonazis hier, aber das sind Außenseiter und wir haben die eigentlich gut im Griff. In Hegermühle war ein großes Hakenkreuz gesprüht, daneben »Juden raus«. Aber das, was von den Nazis kommt, machen wir öffentlich, und wir kennen unsere Pappenheimer. Im Februar kam die Forderung nach einem »nationalen Jugendzentrum« auf, auch in Form von Graffiti. Dann gibt es Leute, die das ganz schnell wieder weg machen, damit die Forderungen der Nazis nicht so einfach in die Öffentlichkeit kommen.
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