Prozessbericht: Nach über 7 Jahren Verfahrensdauer und verschwundener Akten


Prozeß gegen rechten Schläger am Landgericht Cottbus nach über sieben Jahren Verfahrensdauer zu Ende gegangen

Vorsitzende Richterin erklärt: “Offensichtlich sind hier einige Jahre lang ein paar Akten verschwunden gewesen…”

Vor dem Landgericht Cottbus wurde am gestrigen Dienstag eine Berufungsverhandlung abgeschlossen, die mit einem Schuldspruch gegen einen rechten Täter endete, der zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde. Der Angreifer musste sich für eine ganze Reihe von Straftaten verantworten, u.a. für einen Angriff vom 15.10.2011 in Senftenberg. Damals wurde eine 70-jährige Frau und ihr Enkel unter “Heil Hitler”-Rufen und dem Zeigen des sog. Hitlergruß angegriffen. Der Enkel erlitt dabei eine Platzwunde am Ohr. Die 70-jährige Frau wurde gegen den Oberkörper geschlagen und musste aufgrund der Verletzungen fünf Tage im Krankenhaus verbringen. Die Brandenburger Justiz benötigte zur Sanktionierung der Tat über sieben Jahre.

“Die überlangen Verfahrenslängen sind für die Betroffenen rechter Gewalt eine völlig inakzeptable Situation und stehen einer Aufarbeitung der Gewalterlebnisse im Weg”, so Martin Vesely von der Beratungsstelle Opferperspektive e.V. “Für die rechten Täter bedeutet die ausbleibende zeitnahe Sanktionierung durch die Justiz eine Bestärkung in ihrem menschenverachtenden Denken und Handeln”, so Vesely weiter. Die über siebenjährige Verfahrensdauer wirkte sich bei der Strafzumessung des Gerichts für den rechten Schläger strafmildernd aus, so dass er letztlich mit einer Bewährungsstrafe davonkam. Aufgrund anderer Taten und offener Bewährungsauflagen wäre bei einer zeitnahen Verurteilung eine Bewährung ausgeschlossen gewesen.

Zusätzlich zu dem Missstand der fehlenden zeitnahen Bearbeitung offenbarte das Verfahren einen erschreckenden Einblick in die Abläufe der Cottbuser Justiz. Die Vorsitzende erklärte die lange Verfahrensdauer folgendermaßen: “Offensichtlich sind hier einige Jahre lang ein paar Akten verschwunden gewesen…”. Bei der Erläuterung des Urteils musste sie zudem eingestehen: “Ich kann nicht sagen, ob mir jetzt vollständige Akten vorliegen”.

“Die hier offenbarten verheerenden Zustände im Landgericht Cottbus lassen für die dringend notwendige juristische Aufarbeitung der Welle von rassistischer und rechter Gewalt in den letzten Jahren in Cottbus und Umgebung nichts Gutes erahnen. Gleiches gilt für den weiteren Verlauf des §129-Verfahrens gegen die rechte Szene in der Region, welches vor ein paar Wochen zu massiven Hausdurchsuchungen führte. Aufgrund des ausbleibenden juristischen Drucks gegen rechte Schläger bedarf es dringend politischer Interventionen aus dem Land”, so Vesely weiter.

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