Einstellung wegen geringer Schuld – damit endete ein Prozess wegen übler Nachrede gegen einen Mitarbeiter des Vereins Opferperspektive. Ein Verfahren, das niemandem nützte, aber trotzdem anderthalb Jahre dauerte.
Lieber die Arbeit des Vereins Opferperspektive fortsetzen als die Sache hochkochen – der Berliner Kay Wendel, dem die Staatsanwaltschaft Potsdam üble Nachrede vorgeworfen hatte, kann leben mit der Feststellung der Anklage, dass seine Schuld gegenüber zwei Rathenower Polizistinnen nur gering sei. Die zwei Beamtinnen hätten sich am Abend des 25. August 2000 auch anders verhandeln können, als drei afrikanische Asylbewerber und der britische Fotojournalist Justin Jin im brandenburgischen Rathenow von einem Rechtsradikalen belästigt wurden. Das musste der Staatsanwalt einräumen. Die Polizistinnen hatten an jenem Abend nicht den Rechtsradikalen festgenommen, der mit ein Stein in der Hand auf die Gruppe zugegangen war, sondern den Journalisten chinesischer Herkunft. Justin Jin, der in Rathenow für eine Reportage über Rassismus und rechte Gewalt recherchierte, behauptet, dass die Polizistinnen ihm gewaltsam Kamera und Handy abgenommen und seine Arme auf den Rücken gedreht haben. Jin fühlte sich als Opfer, das wie ein Täter behandelt wird. Die Polizistinnen führen das auf Schwierigkeiten bei der Verständigung zurück. Jin, der mit seiner Fotokamera provoziert haben soll, sei zu seiner eigenen Sicherheit aufs Polizeirevier gebracht worden.
Kay Wendel, der Jin vorgeschlagen hatte, gerade in Rathenow ein Reportage zu machen, schrieb über das Geschehen eine Pressemitteilung des Vereins Opferperspektive, der Opfer rechtsextremer Gewalt berät und unterstützt. Darin erklärte er, dass die Polizei keinen Respekt gegenüber den Angegriffenen gezeigt und Gewalt angewendet habe um Jin in einen Streifenwagen zu zerren. Auf Grund dieser Pressemitteilung kam es zu einem Verfahren, das anderthalb Jahren dauerte. Nach Ansicht von Opferperspektive sollte mit dem Prozess erreicht werden, dass künftig jede Kritik an polizeilichem Fehlverhalten unterbleibt und die Seriosität des Vereins Opferperspektive in Frage gestellt wird.
Aber dazu kam es gestern im Potsdamer Amtsgericht nicht. Richter und Staatsanwalt schienen die Aufrichtigkeit des Angeklagten nicht in Frage stellen. Das Einzige, was man Wendel vorwerfen könne: Er habe in seiner Erklärung die Ereignisse zu stark aus Sicht von Justin Jin zusammengestellt war. Deshalb weiteren juristischen Aufwand zu betreiben – das hielt gestern im Nachhinein keine der Parteien mehr für sinnvoll.
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