An den Landrat des Landkreis Oberspreewald-Lausitz Siegurd Heinze,
an die Verantwortlichen in der Kreisverwaltung,
an die politisch Verantwortlichen im Landkreis und im Land Brandenburg,
an die allgemeine Öffentlichkeit,
im Rahmen unserer aufsuchenden Beratungstätigkeit für Betroffene rechter Gewalt im Land Brandenburg sind wir in die Flüchtlingsnotunterkunft nach Vetschau gerufen worden. Leider berichteten uns Flüchtlinge vor Ort von mindestens vier rechtsmotivierten Angriffen in Vetschau seit April 2016 und von häufigen rassistischen Beleidigungen und Anfeindungen im Ort – angesichts der derzeitigen Situation in Brandenburg nichts außergewöhnliches. Von den vier Angriffen, die uns berichtet wurden, ist ein Fall polizeilich angezeigt. Wir gehen von einer höheren Dunkelziffer aus, da wir vor Ort nur mit einem Teil der Flüchtlinge sprechen konnten. Betroffene rassistisch motivierter Gewalt, insbesondere Asylsuchende, bedürfen eines besonderen Schutzes. Für die Dauer des Asylverfahrens sind Asylsuchende zu einem großen Teil von staatlichen Stellen abhängig, um für ihre Grundbedürfnisse zu sorgen (Essen, Unterkunft, medizinische Versorgung etc.).
Einige Flüchtlinge aus der Notunterkunft in Vetschau berichteten uns von völlig unzumutbaren Zuständen vor Ort (siehe die Erklärung einiger Flüchtlinge aus Vetschau vom 23.08.2016). Dies betraf zum Einen die desolaten Zustände in der Unterkunft, hier insbesondere die dauerhafte sanitäre Versorgung mit improvisierten Campingtoiletten (sog. „Dixi-Klos“) und die nur zeitweise geöffneten Duschwagen mit unzureichender Warmwasserversorgung. Selbst für die Krankenstation steht nur ein „Dixi-Klo“ zur Verfügung. Zudem wird die Essensversorgung von den Flüchtlingen als extrem unzureichend beschrieben. Die Essensausgabe findet in einem Zelt statt. Die ehemaligen Garagen, die nun als Unterkünfte für Menschen dienen, haben keine eingebauten Heizungen. Im Winter wurde pro Garagenraum ein Radiator ausgegeben, was nicht ausreichend war. Einige Flüchtlinge wurden aufgrund der Kälte krank.
Außerdem berichteten uns einige Flüchtlinge von fehlendem Zugang zu dringend notwendiger medizinischer Versorgung, auch bei akuten psychischen Erkrankungen und akuten Schmerzen. Mindestens zwei Flüchtlinge leben bereits seit acht Monaten in Vetschau. Von einer kurzfristigen Unterkunft zur Überbrückung kann daher hier keine Rede sein. Durch einen Rundgang in der Notunterkunft und durch Inaugenscheinnahme des Mittagessens konnten wir uns von den Zuständen selbst ein Bild machen. Wir halten die Aussagen der Flüchtlinge in der Erklärung daher für glaubwürdig und fordern:
1. Einen würdigen Rahmen zu schaffen, in dem die Flüchtlinge aus Vetschau, die die Erklärung verfasst haben, ihre Forderungen an die politischen Verantwortlichen kommunizieren und in dem die Forderungen der Flüchtlinge gehört und ggf. umgesetzt werden können.
2. Eine vom Landkreis unabhängige Überprüfung der Zustände in der Flüchtlingsnotunterkunft in Vetschau, insbesondere unter dem Fokus, ob die durch den Landkreis an den Betreiber der Unterkunft bezahlten und vertraglich zugesicherten Leistungen seit Inbetriebnahme erbracht wurden, ggf. Rückforderungen und Behebung von akuten Missständen.
3. Eine öffentliche Solidarisierung mit den Betroffenen rassistischer Gewalt in Vetschau
Opferperspektive e.V. – Beratung für Betroffene rechter Gewalt, Potsdam den 25.08.2016
Anhang: Erklärung einiger Flüchtlinge aus der Notunterkunft in Vetschau
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