Vier Rechtsextremisten hatten den Wagen in der Nacht angesteckt. Die Polizei konnte die Täter festnehmen, weil diese beobachtet worden waren, wie sie an einer Tankstelle Benzin abzapften. Ob Vu Van Khao jemals von den Brandstiftern entschädigt werden wird, ist ungewiss. Zuerst müssen sie verurteilt werden, dann kann das Anschlagsopfer auf Schadensersatz klagen. Das kann Jahre dauern und hängt von der Zahlungsfähigkeit der Täter ab. Auf eine staatliche Entschädigung als Gewaltopfer kann sich der Vietnamese wenig Hoffnung machen, weil er keine gesundheitlichen Schäden erlitten hat. Zu alledem war sein Imbiss nicht versichert. Vu Van Khao hatte bei mehreren Versicherungen angefragt, aber keine der Gesellschaften wollte ihm eine Police anbieten. Und dann muss das Opfer noch die Kosten für die Beseitigung der Brandschäden tragen.
Vu Van Khao stand vor dem Nichts. Dass er bereits einen Monat nach dem Anschlag einen neuen Imbiss eröffnen konnte, ist dem Engagement von BürgerInnen und der Gemeinde Pritzwalks, den vielen SpenderInnen sowie der Hilfe des Weißen Rings und der Opferperspektive zu verdanken. Diese Solidarität birgt auch eine bittere Erkenntnis: Sie war vorbildlich, weil Opfer rechtsextremer Gewalt nicht überall mit solcher Hilfsbereitschaft rechnen können. Sie war wirksam, weil sie half, wo Staat, Wirtschaft und Verbände versagten.
Seit dem Jahr 2000 hat die Opferperspektive in Brandenburg insgesamt 42 Anschläge auf ausländische Imbisse registriert, davon 13 im Jahr 2003. Viele Betroffene gaben unter der Last der Anschlagsfolgen auf, manche kehrten dem Land angesichts der Gleichgültigkeit ihrer MitbürgerInnen den Rücken. Die NPD-Jugend hetzt offen gegen Döner-Läden und ruft auf ihren Internetseiten dazu auf, den »Eindringlingen die wirtschaftliche Grundlage zu nehmen«. Die Brandstifter sind aber in der Regel keine Neonazis, sondern jene jungen Fremdenhasser, zu denen laut aktuellen Studien jeder fünfte Brandenburger unter 30 Jahren gezählt werden muss. Für sie sind die Imbisswagen leichte Ziele, die nicht weglaufen oder zurückschlagen. Wie können die Stände geschützt werden? Sicher kann die Polizei ihre Streifentätigkeit verstärken – nach deren Angaben werden die Imbisse bereits besonders bewacht –, es ist aber weder möglich noch wünschenswert, neben jeden Imbiss einen Polizisten zu stellen.
Wo die Anschläge nicht verhindert werden konnten, müssen wenigstens die Folgen für die Opfer wirksam gelindert werden. Die vielschichtigen rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme sowie die hohen Kosten übersteigen die Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements bei weitem. Es muss gewährleistet werden, dass ImbissbetreiberInnen sich adäquat versichern und Hilfen zur Existenzgründung in Anspruch nehmen können. Es darf nicht sein, dass sie nach einem Anschlag das an den Geschäftsbetrieb gebundene Aufenthaltsrecht verlieren, wie dies in der Vergangenheit bereits geschehen ist. Betroffene ImbissbetreiberInnen brauchen Sicherheit, Förderung und Beratung, die ihnen einen Neuanfang ermöglichen. Der Staat, die Wirtschaft, die Verbände und Beratungsstellen können und müssen dafür Sorge tragen, dass MigrantInnen sich in Brandenburg eine Existenz aufbauen und ohne Angst am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Aktuelles Opferperspektive