Angriffe auf queeres Leben in Brandenburg


In Brandenburg stehen Teilnehmende von Pride-Veranstaltungen in diesem Jahr erneut im Fokus rechter Gewalt.

2024 gibt es so viele CSDs wie nie zuvor. Dies bedeutet landesweit mehr Sichtbarkeit für queere Communities, mehr Solidarität durch die Brandenburger Zivilgesellschaft, und mehr Engagement gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung. Doch das Engagement für queeres Leben war auch noch nie so dringend nötig. Rechte Gruppierungen mobilisieren verstärkt gegen die Community und ihre Veranstaltungen, und schaffen so ein manifestes Bedrohungsszenario.

Die überwiegende Mehrheit queerfeindlicher Taten wird aus rechten Motiven verübt. LGBTQIA*-Feindlichkeit und Antifeminismus sind ein zentrales Element rechter Propaganda. Queere Personen werden zu Feindbildern erklärt und Gewalt ihnen gegenüber legitimiert. Wo sich die Communities sichtbar machen, selbstbewusst und mutig für ihre Themen einstehen, reagieren Rechte mit Schmierereien, Sachbeschädigungen und Gewalt. So wurden etwa dem Regenbogenkombinat Cottbus in diesem Jahr bereits 14 Pridefahnen entwendet. Auch für die Gäste und Mitarbeitenden der queeren Kneipe La Leander in Potsdam gehören Anfeindungen und Angriffe inzwischen zum traurigen Alltag. Praktisch wöchentlich wird die Kneipe angegriffen, Gäste und Personal beschimpft oder es tönen Beleidigungen aus vorbeifahrenden Autos herüber. Anfang 2024 wurde eines der Fenster mit einem Tablett eingeworfen, während die Kneipe geöffnet hatte. (Quelle: MAZ)

Schon in den letzten Jahren haben Bedrohung und Gewalt von rechts gegen die queere Community in ganz Deutschland zugenommen. Von 2022 auf 2023 registrierten die Opferberatungsstellen des VBRG einen Anstieg von 40,8 % bei LGBTQIA*-feindlicher Gewalt (siehe Statistik 2023 VBRG). Queerfeindlichkeit ist somit deutschlandweit das vierthäufigste Tatmotiv bei rechter Gewalt.

Queerfeindliche Gewalt ist kein vorübergehendes Problem. Dahinter steckt ein gezieltes Vorgehen der Rechten, das Menschen einschüchtern, ein Klima der Angst verbreiten und die queere Community zum Schweigen bringen soll. Dies führt dazu, dass viele Betroffene aus Furcht ihre Identität verstecken oder sogar erwägen, Brandenburg zu verlassen. Aus Angst vor weiterer Gewalt trauen viele sich auch nicht, über die Vorfälle zu sprechen. Wir gehen daher von einer hohen Dunkelziffer bei LGBTQIA*-feindlicher Gewalt aus.

Rechte Übergriffe dürfen nicht unwidersprochen bleiben und Betroffene nicht allein gelassen werden. Die Unterstützung von LGBTQIA*-Communities ist dringend notwendig, insbesondere im ländlichen Raum Brandenburgs. Der Schutz von Betroffenen und die Präventionsarbeit müssen als zentrale politische Aufgaben verstanden werden. Queerfeindliche Angriffe auf CSDs müssen klar und unmissverständlich verurteilt und strafrechtlich verfolgt werden. Es braucht einen Ausbau von Bildungsangeboten, anstatt in der Lokal- und Landespolitik in das rechte Geraune über eine angebliche “Gender-Ideologie” mit einzustimmen. Dazu gehört auch eine langfristige Absicherung und angemessene Ausstattung von politischen Bildungsprojekten, und eine sichere Finanzierung der Betroffenenberatungsstellen.

Wenn ihr im Land Brandenburg von queerfeindlicher Gewalt oder Anfeindungen betroffen seid oder Zeug*in von Gewalt wurdet, meldet euch bei uns! Ihr entscheidet selbst, ob und wie ihr euch beraten lassen möchtet. Sprecht mit eurem Umfeld und macht Betroffene queerfeindlicher Gewalt auf unser Beratungsangebot aufmerksam! Betroffene rechter Gewalt brauchen Unterstützung!

Wir rufen dazu auf, sich an den kommenden CSDs zu beteiligen!

Die anstehenden Termine sind:

Weitere Infos und alle anstehende Termine findet ihr hier:

https://haveldervielfalt.de/

https://www.lsvd.de/de/verband/mach-mit/veranstaltungskalender

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Eine Auswahl uns bekannt gewordener Fälle LGBTQIA*-feindlicher Gewalt und Bedrohung in Brandenburg 2024:

  • 05.07. Cottbus, Sachbeschädigung: Unbekannte haben die Regenbogenbanner am Regenbogenkombinat Cottbus beschmiert. Auf einem Banner war “AfD” zu lesen.  (Quelle: csd-cottbus.info )

 

  • 06.07. Brandenburg an der Havel, mehrfache Bedrohung und Beleidigung:Am Morgen des CSD erhalten die Organisator*innen eine anonyme Drohmail. In dieser wird geäußert, dass sich die Organisator*innen mit dem CSD “keinen Gefallen tun” würden und sie die Veranstaltung absagen sollten. Eine Gruppe CSD-Teilnehmender wird im Anschluss an den CSD auf dem Weg zum Hauptbahnhof in der Straßenbahn von zwei Männern transfeindlich beleidigt. Die Gruppe wehrt sich lautstark gegen den verbalen Angriff. Die umstehenden Passant:innen reagieren nicht (Quelle: Brannecsd und pride.soli.rides). Bereits im Vorfeld der Veranstaltung kommt es in Brandenburg an der Havel zu Drohungen von rechten Gruppen gegen mehrere Läden, die mit Plakaten für die Teilnahme am CSD geworben hatten. Aus Angst vor Angriffen auf die Läden hängen die Besitzer:innen die Plakate ab. (Quelle: brannebande_)

 

  • 15.06. Potsdam, Beleidigung und Bedrohung: Eine an der Pride-Parade teilnehmende Person wird zunächst von einem 50 Jahre alten Mann beleidigt. Wenig später wird die Person von einem weiteren Mann beleidigt. Dabei deutet der Mann mit der Hand einen Schlag an, weshalb die Polizei wegen Bedrohung ermittelt.

 

  • 22.06., Bernau, Bedrohung und Beleidigung: Anhänger der Neonazi-Partei der III. Weg stören die Abschlusskundgebung des CSD auf dem Gelände eines Kulturzentrums und versuchen die Teilnehmenden einzuschüchtern, u.a. durch das Rufen rechter Parolen und das Zeigen des sogenannten “Hitlergrußes”. Zudem werden Schilder und Laternen mit queerfeindlichen Aufklebern verunstaltet. (Quelle: Queer.de)

 

  • 20.07.2024, Eisenhüttenstadt, Angriff: Unmittelbar zum Auftakt der CSD-Demonstration in Eisenhüttenstadt werfen Rechte vom Parkplatz am Rathaus Schottersteine auf den Demonstrationszug, der sich am Rathaus sammelt. Im Verlauf der Demonstration und des anschließenden Festes verfolgt, filmt und beleidigt eine Gruppe mutmaßlich rechter Jugendlicher den Aufzug. (Quelle: Presse/ MOZ)

 

  • 20.07. Angermünde, Sachbeschädigung/rechte Graffiti: Am Bahnhofsvorplatz, dem Startpunkt des CSD werden queerfeindliche und antisemitische Graffiti gesprüht. Zeug:innen beobachten fünf Jugendliche bei der Tat. Sie werden durch die zur Absicherung der Demonstration anwesenden Polizist:innen kontrolliert. (Quelle: gegenrede.info)

 

  • 26.07. Fürstenwalde, Bedrohung: Auf der Rückfahrt einer Ferienfahrt wird eine queere Jugendgruppe von einem jungen Neonazi am Bahnhof gefilmt und bedrängt, nachdem Einzelne aus der Gruppe seine rechten Sticker überklebt hatten. (Quelle: OPP)

 

  • 01.08. Brieselang, Sachbeschädigung: Am Rathaus wird eine anlässlich des Pride-Month gehisste Regenbogenflagge beschädigt und abgerissen. Anwohnende beobachten die Tat, informieren die Bürgermeisterin und folgen dem Täter, der kurz darauf gestellt werden kann. Dabei äußert dieser sich homofeindlich. Ein Brandloch an der Flagge zeugt zudem davon, dass versucht wurde, diese zu verbrennen. Das schnelle Eingreifen von Anwohner:innen und der Bürgermeisterin sind ein positives Beispiel dafür, wie die Zivilgesellschaft auf eine derartige Tat reagieren kann. (Quelle: MAZ)

 

  • 03.08. Rathenow, Bedrohung: Eine Gruppe von Neonazis in szenetypischer Kleidung bedroht und beleidigt am Rande des CSDs die Teilnehmer:innen und versucht diese zu stören und einzuschüchtern. Unbekannte sprühen bereits im Vorfeld zur Veranstaltung rechtsradikale, queerfeindliche Sprüche an den Bahnhof. Stromkästen werden in den Farben der Reichskriegsflagge beschmiert. (Quelle: OPP, Presseservice Rathenow)
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