Am 12.10.2000 kam ein 17- jähriger bei einem Verkehrsunfall selbstverschuldet ums Leben. Martin G. gehörte zur rechtsextremen Jugendszene der Region.
Seit dieser Zeit wird der tragische Tod dieses jungen Menschen zu einem emotionalen Ereignis hochgeputscht, das dem Zusammenhalt, der öffentlichen Darstellung und der Werbung für die Naziszene dienen soll. Bereits am Freitag, dem 13.10. versammelten sich rund 40 RechtsextremistInnen im und vor dem »Jägerstübchen« in Angermünde und hielten am Abend ungestört von der Polizei eine öffentliche Trauerkundgebung in der Rosenstrasse ab. Mindestens zwei Unbeteiligte wurden am Rande von ihnen tätlich angegriffen. Im Verlaufe der letzten Woche ging diese besondere Art Trauer weiter: Die Unfallstelle wurde zu einer Art Wallfahrtsort, wo neben vielen Blumen Symbole rechtsextremer Organisationen, wie des Ku- Klux- Klan, Bilder des Toten als Skinhead vor einer Fahne des deutschen Reiches und nationalistische Parolen zu sehen waren; Auf der Gästeseite der Homepage der Stadt Angermünde erschien ein nationalistisch gefärbtes Gedenkgedicht; SchülerInnen konnten nicht mehr unterrichtet werden. Am Freitag, dem 20.10. war die Beerdigung auf dem Friedhof in Bruchhagen. Rund 100 aus der gesamten Region angereiste RechtsextremistInnen machten daraus eine Nazikundgebung. Die Polizei beobachtete das Geschehen aus der Ferne. Den ganzen Tag hielten sich viele der »Trauergäste« weiter in der Stadt auf, am Bahnhof und in langen Autokolonnen durch Angermünde.
Wie hochgeputscht die Atmosphäre war, zeigte sich am Freitag abend beim Oktoberfest. Als gegen Mitternacht 10 junge Leute, darunter Mitglieder und Freunde unseres Vereins, dort auftauchten, wurden sie nach kurzer Zeit von einer großen Gruppe Nazis angegriffen. Mindestens fünf von ihnen erlitten zum Teil schwere Verletzungen, die auch im Krankenhaus behandelt werden mussten. Nach dem Angriff im Bierzelt wurden sie an der Kreuzung am Schwedter Tor erneut gejagt, geschlagen und getreten. Unter den Opfern war auch eine junge Frau. Die Polizei erschien erst sehr spät, selbst der Krankenwagen war eher am Tatort. Der Notruf der Polizei im Präsidium in Eberswalde war gar nicht besetzt. Am Tatort war die Polizei nicht bereit, Anzeigen aufzunehmen beziehungsweise die zum Teil noch anwesenden TäterInnen zu vernehmen.
Leider zeigte sich für uns zum wiederholten Male, wie die Situation zu Volksfesten in dieser Region ist. Für Fremde, AusländerInnen und nicht- rechte Jugendliche sind solche Feste gefährliche Zonen.
Am Samstag, dem 21.10. war eine erneute Trauerkundgebung auf dem Friedhof in Bruchhagen geplant. Dazu trafen sich rund 70 RechtsextremistInnen am frühen Nachmittag am Bahnhof Angermünde.
Diesmal allerdings hatte die Polizei die Grabstelle weiträumig abgesperrt und ließ niemand in die Nähe. Dazu war auch Einsatzbereitschaft aus Potsdam vor Ort. Nach unseren Informationen gab es abends eine weitere Trauerfeier in einer Gasstätte in der Region.
Leider haben weder die Polizei, noch die lokalen Medien über diese lange Reihe von Vorfällen berichtet. Obwohl sicherlich viele Menschen die Aufmärsche gesehen haben, obwohl deutlich zu spüren ist, wie die rechtsextreme Jugendszene von der Instrumentalisierung des Unfalls profitiert, obwohl wieder einmal Menschen bei Gewalttaten verletzt worden sind, erfährt davon die Öffentlichkeit nichts. Wir halten es aber für wichtig zu informieren, denn nur wer weiß, was in dieser Stadt passiert, kann auch etwas dagegen tun.