In den Statistiken über rechte Gewalttaten in Deutschland steht Brandenburg immer weit oben. Welchen Beitrag leistet das Aktionsbündnis zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Gewalt?
Wir reagieren auf Übergriffe, üben Solidarität mit den Opfern von rassistischer Gewalt, unterstützen lokale Initiativen durch Beratung und soweit möglich mit finanziellen Hilfen. Darüber hinaus fördern wir ein Netzwerk, dessen Mitglieder bei Aktionen und Projekten vielfältigster Art zusammenarbeiten, vermitteln eigene Impulse in der politischen Auseinandersetzung zu den Problemen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Auch verstehen wir uns als Partner und kritischer Begleiter der Landesregierung bei ihrer Umsetzung des Handlungskonzepts »Tolerantes Brandenburg«.
Wie hat sich die Situation in Brandenburg seit dem Ende der 1990er Jahre verändert?
Seit den 1990er Jahren haben wir in Brandenburg eine dramatische Zunahme rechter Gewalt erlebt, die zu lange von den Verantwortlichen verharmlost wurde. Heute geht das Land bewusster mit diesem Problem um. Anschaulichstes Beispiel hierfür ist das 1998 auf den Weg gebrachte Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg«. Diese Maßnahmen versuchen, ein signifikantes Erstarken der organisierten Rechtsextremen zu verhindern, und haben zu einer Sensibilisierung für das Thema Rechtsextremismus in der Gesellschaft geführt. Allerdings greifen Ansätze zu kurz, die die politische Auseinandersetzung lediglich mit dem organisierten Rechtsextremismus suchen. Rechtsextremismus ist nicht begrenzt auf Parteien oder Kameradschaften, er findet sich in verschiedenen Erscheinungsformen mitten in unserer Gesellschaft.
Wo besteht Ihrer Meinung nach hier der größte Handlungsbedarf?
Die politische Bildungsarbeit, die den Einzelnen in seiner eigenständigen politischen Urteils- und Handlungsfähigkeit unterstützt, muss weiter ausgebaut und darf nicht eingeschränkt werden. Die Jugendarbeit wird heute landauf, landab zusammengestrichen. Das Gegenteil ist notwendig, wenn junge Leute dauerhaft Angebote vorfinden sollen, die attraktiver sind als die der Neonazis.
Alle Vereine, die sich in Ostdeutschland gegen Rechts engagieren, benötigen finanzielle Unterstützung. Was aber erwarten Sie darüber hinaus von der Politik?
Zivilgesellschaftliches Engagement ist unabdingbar. Ja, es ist der Schlüssel zu Erfolgen gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Politik muss mit guten Beispielen vorangehen: Wenn alljährlich vor dem Volkstrauertag in Halbe von Neonazis das Gedenken missbraucht wird zur Verherrlichung des Nationalsozialismus, dann ist auch die Politik gefordert, die BürgerInnen – ohne Rücksicht auf Parteidünkel – geschlossen in ihren Aktivitäten für Demokratie zu unterstützen. Wenn heute rechtsextreme Organisationen wieder Menschenrechte mit Füßen treten, wenn Jugendliche meinen, sie hätten das Recht, anders Aussehende anzugreifen, und wenn Erwachsene wegschauen und meinen, das ginge sie nichts an, dann sind wir herausgefordert, uns zu wehren.
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