Imbissbetriebe als Zielscheibe von Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremer Gewalt

Imbisse sind Zielscheibe von rassistischer Gewalt
Imbisse sind Zielscheibe von rassistischer Gewalt

 

In Brandenburg liegt der Ausländeranteil seit Jahren zwischen 1,5 und 2 Prozent. Die meisten Zugewanderten leben in Potsdam, Cottbus und Frankfurt. Asyl- bewerberinnen und -bewerber sind oft am Rand von Kreisstädten untergebracht. So bleiben nur noch verschwindend wenige, die sich auf die anderen Orte verteilen. In der Gemeinde Rheinsberg etwa waren 2004 von 5200 Einwohnerinnen und Einwohnern nur 31 ausländischer Herkunft. Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin hat einen Ausländeranteil von 0,7 Prozent. Das vietnamesische Bekleidungsgeschäft, der Asia-oder Dönerimbiss, die Pizzeria, das sind hier internationale Leuchttürme. Noch im kleinsten märkischen Städtchen bekommt man eine Chinapfanne, einen Döner oder einen Börek. Den Einheimischen schmecken die fremden Gerichte so gut wie die vertraute Currywurst, an die fremden Menschen wollen sich allerdings einige nicht gewöhnen.

In den letzten sechs Jahren gab es in Brandenburg 34 Brandanschläge auf ausländische Imbissbetriebe. Das ist eine Form von Gewalt, die große Schlagzeilen macht. Alltäglicher sind kleine Meldungen von zerschlagenen Fensterscheiben, gesprühten Parolen und Hakenkreuzen oder Vandalismus. Ein Brandanschlag ist in den meisten Fällen nicht die erste Gewalt, die die Opfer erleben, aber er ist, wie ein direkter körperlicher Angriff, eine Form der Gewalt, die unmittelbar die Existenz bedroht; besonders bei Imbisswagen, denn hier gibt es keine Entschädigung. Ein freistehender Wagen kann nach Meinung der Versicherungsgesellschaften nicht effektiv vor Einbruch oder Brandstiftung geschützt werden. Deshalb verkaufen sie dafür keine Policen.

Trotzdem herrscht in der Bevölkerung das Vorurteil, »dass die ihre Buden selbst anzünden, wegen der Versicherungssumme«. Die Hartnäckigkeit solcher Vorurteile zeigt sich an dem Beispiel eines Betreibers, der mehrmals hintereinander Opfer von Brandanschlägen wurde. Er hatte beim ersten Mal mit Spenden den Betrieb wieder aufbauen können. Nach dem nächsten Anschlag wurde er von einem Polizeibeamten gefragt, ob selbst Feuer gelegt habe, um wieder an Spendengelder zu kommen. Ein anderes, weit verbreitetes Vorurteil ist die Annahme, ein Konkurrent habe gezündelt. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Neuruppin, fast alle Brandstiftungen lagen in ihrer Zuständigkeit, gab es allerdings in keinem der angezeigten Fälle Anlass, in diese Richtung zu ermitteln.

Bedrohung durch die eigene Kundschaft

Zur Beschädigung oder Zerstörung des Betriebes kommt der Verdienstausfall, der auch Existenz bedrohend sein kann, insbesondere wenn die Aufenthaltsgenehmigung an das Einkommen gebunden ist und staatliche Unterstützung zur Überbrückung nicht in Anspruch genommen werden kann. Aber der vielleicht größte Schaden ist die fundamentale psychische Verunsicherung, die Bedrohung durch einen anonymen Feind oder, was unter Umständen noch schlimmer ist, die Ahnung, dass es die eigenen Gäste oder die Nachbarn waren, denen man ständig begegnet. Die Täter und, in Ausnahmefällen, die Täterinnen waren nämlich bisher in der Regel nicht die organisierten Neonazis wie die Gruppe Freikorps, eine Schülerkameradschaft mit Kassenwart, die in den letzten Jahren mit Brandanschlägen Schlagzeilen machte. Typisch waren vielmehr lose Cliquen, die – aufgeputscht durch Alkohol und Nazi-Rock – spontan loszogen, um die Imbisse in der Nachbarschaft anzuzünden, bei denen sie vorher zu Gast gewesen waren.

Was liegt für einen Betreiber, der so etwas erlebt hat, näher, als den Ort zu verlassen und woanders sein Glück zu versuchen? Für einen Imbiss, auf den ein Brandanschlag verübt wurde, findet man aber keinen Käufer. Wenn es keine Unterstützung der Betroffenen durch die Kommunen und durch Bürgerinnen und Bürger gibt, ist die Situation der Opfer oft aussichtslos. Brandanschläge sind nur die Spitze des Eisberges von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Im Zeitraum von Juli bis Oktober 2004 haben wir 29 Imbissbetreiberinnen und -betreiber nach ihren Erfahrungen befragt, immer mit der Übersetzung durch Landsleute. Die Scheu, über negative Erfahrungen zu sprechen, war allgemein sehr groß, zum Teil aus Höflichkeit, man will Deutschen nichts Negatives über Deutsche sagen, zum Teil aus Angst vor neuem Ärger, oder es handelte sich dabei um Leugnung aus psychischem Selbstschutz. So sagten manche erst, sie hätten gar keine Probleme, alles sei bestens, aber sobald wir von den negativen Erfahrungen des Imbissbetreibers im Nachbarort erzählten, kamen Reaktionen wie: »Ja, ja, da ist es noch schlimmer.« Die Hälfte der Befragten berichtete von alltäglichen Erfahrungen mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das Spektrum reichte von Beleidigungen über die oben beschriebenen Zerstörungen bis hin zu tätlichen Angriffen.

Bedrohung durch die eigene Kundschaf

Das Verhältnis zwischen Kundschaft und Wirt bzw. Wirtin wurde oft als ambivalent bis angespannt beschrieben. In den kleineren Ortschaften gibt es oft keine Kneipe, geschweige denn ein Jugendzentrum, so trifft man sich beim »Türken« oder »Vietnamesen« zum Bier. Auch offensichtlich rechte Jugendliche sind dabei. Sie sind ein dauernde Bedrohung, aber nicht die einzige. Besonders unter Alkoholeinfluss entpuppt sich die Kundschaft oft als ausländerfeindlich. Das heißt: Die Imbisse bieten eine sozial wichtige Dienstleistung an, die Betreiberinnen und Betreiber haben aber als Fremde eine sehr schwache soziale Position, noch dazu mit einer Herkunft aus Ländern, die viele Einheimische in der einen oder anderen Form für minderwertig halten.

Konflikte, wie sie in Kneipen üblich sind, bekommen, so wurde uns vielfach berichtet, vor diesem Hintergrund eine rassistische Form. Der Wirt, der kein Bier mehr ausschenkt, weil der Gast schon betrunken ist, oder der Leute rausschmeißt, die andere oder ihn selbst anpöbeln, sieht sich plötzlich als »Kanacke« beschimpft und bedroht. Immer wieder wurde davon berichtet, dass auf Auseinandersetzungen mit Gästen, die auch für einheimische Wirtsleute normal sind, Racheakte folgten: Sprühereien, zerschlagene Fensterscheiben oder Verwüstungen, so wie unlängst in einer Pizzeria im Landkreis Prignitz. Einbrecher drehten nachts alle Wasserhähne auf, beschmierten die Wände mit Hakenkreuzen und zerstörten das Mobiliar. Kurz davor hatte der Wirt einer Gruppe von Gästen, die nicht zahlen wollte, mit einer Anzeige gedroht. In unseren Recherchen haben wir Berichte von Einbrüchen, bei denen nichts gestohlen, sondern nur zerstört wurde, die Wände mit Ketchup beschmiert, Lebensmittel auf die Straße geworfen usw., ausschließlich in Zusammenhang mit Döner- oder Asia-Imbissen bzw. ausländischen Restaurants gefunden. In allen Fällen, in denen von solchen Racheakten berichtet wurde, hatten die Befragten nicht den Eindruck, dass ihnen zum Beispiel der Rauswurf übel genommen wurde, sondern die Tatsache, dass sie als Ausländer einen Deutschen rauswarfen. Kurz gefasst: »Der Türke« darf Döner verkaufen, aber er hat in Deutschland kein Hausrecht.

Die Möglichkeit, Ausländerinnen und Ausländern gegenüber allgemeine Verhaltensnormen nicht gelten zu lassen, vermittelt sich atmosphärisch. Zur Gewalt neigende Cliquen und der Durchschnitts-Stammtisch liegen nicht weit auseinander, die Texte rechtsextremer Musikgruppen bestehen zum großen Teil aus radikalisierten Stammtischparolen. Etwas moderater formuliert, sind die Inhalte durchaus weit verbreitet. Gründet sich die Schwäche der sozialen Position auf Ausländerfeindlichkeit, so ist sie durch Leistung nicht zu stärken. Sein Mercedes bringe ihm nicht Respekt ein, berichtete uns ein wirtschaftlich sehr erfolgreicher türkischer Imbissbetreiber, sondern sei Anlass für Gerüchte über Drogenhandel. Ein anderer fasste seine Erfahrungen so zusammen: »Wir haben immer Schuld. Arbeitest du, bist du Schuld, arbeitest du nicht, bist du auch Schuld.« Dass die oft täglich erfahrene Verweigerung der sozialen Anerkennung in Gewalt umschlagen kann, stellt für die Betroffenen einen stark belastenden Dauerstress dar. Die Umgangsweisen damit sind sehr unterschiedlich, und die Befragungen ergeben das Bild einer kreativen Vielfalt von Strategien.

Bedrohung durch die eigene Kundschaf

Ein gutes Beispiel für die Hartnäckigkeit, mit der sich manche trotz massiver Angriffe über Jahre behaupten, ist Herr A. Er berichtete uns, dass er zunächst im Westen Brandenburgs einen Imbisswagen gehabt habe. Dort sei nie etwas passiert, was er darauf zurückführte, dass auf dem gleichen Gelände Jugendliche wohnten, die bekannt dafür gewesen seien, dass sie sich gegen rechte Cliquen zur Wehr setzen und für den Imbiss wie eine Art Schutzmacht gewirkt hätten. Herr A. hatte allerdings privat dauernd Ärger, der darin gipfelte, dass er und seine deutsche Freundin in einer Diskothek von Neonazis zusammengeschlagen wurden. Er zog dann in eine Stadt im Norden Brandenburgs und eröffnete dort einen Imbiss am Bahnhof. Dort wurde er nach einem Konflikt mit einem rechten Kunden von dessen Clique so massiv bedroht, dass er sich im seinem Imbiss-Container verschanzen und auf Polizeischutz warten musste. Dann folgte der erste Brandanschlag. Durch Gespräche gelang es ihm, denjenigen, den er für den Hauptverantwortlichen hielt, in ein persönliches Verhältnis einzubinden. Er hatte dann Schutz vor der restlichen Clique. Später eröffneter er in der Innenstadt ein Imbiss-Bistro. Auf das Bistro wurde wiederum von einer anderen Clique ein Brandanschlag verübt, der aber keinen materiellen Schaden anrichtete. Herr A. hatte einheimische Freunde und die Solidarität der Stadtoberen. Das war für ihn entscheidend. Auf der Straße türkisch zu sprechen könne allerdings gefährlich sein, berichtete uns sein Angestellter, der deswegen schon mit einem Messer bedroht und von einem Auto verfolgt worden war. Herr A. lebt inzwischen wieder in der Türkei, sein Angestellter hat sich in Niedersachsen selbständig gemacht.

Manche Imbissbetreiberinnen und -betreiber verschaffen sich Ruhe, indem sie potenziell feindlich eingestellter Kundschaft Getränke ausgeben, den Döner nicht berechnen oder anschreiben. Das bekommt den Charakter von Schutzgeld, wenn das Nicht-Bezahlen regelrecht durch Drohungen erpresst wird. Ein Betreiber hatte aus diesem Grund Außenstände von bis zu 400 Euro monatlich; für einen solchen Betrieb eine große Summe. Anderen, die Probleme mit rechten Cliquen haben, gelingt es, sich durch handgreifliche Gegenwehr Respekt und Ruhe zu verschaffen. Das ist aber nur in Orten möglich, in denen es vergleichsweise viele Landsleute gibt, die zusammen ein soziales Gewicht bilden können. Diese Tatsache oder die »Schutzmacht«, von der Herr A. berichtete, zeigen, dass eine isolierte, schwache soziale Position fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalt begünstigt.

Im Kampf gegen rassistische Gewalt und Fremdenfeindlichkeit stehen oft die potenziellen Täter im Mittelpunkt. Mindestens genauso wichtig ist die Stärkung der sozialen Position der potenziellen Opfer, zum Beispiel indem sie als Mitbürgerinnen und Mitbürger und Geschäftsleute aktiv in Vereine, Treffen von Gewerbetreibenden usw. integriert werden. Zuträglich wäre auch die Veränderung des aktuellen politischen Diskurses, in dem Zugewanderte fast ausschließlich als Problem oder Bedrohung und nicht als erwünschte Bereicherung oder selbstverständlicher Bestandteil der Gesellschaft auftauchen.

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