Erinnern Sie sich an ein prägnantes Erlebnis aus Ihrer Arbeit, das aus ihrer Sicht die Probleme im gesellschaftlichen Umgang mit Rechtsextremismus anschaulich macht?
Da gibt es viele; aus der Fülle auszuwählen, ist für mich schwer. Wenn ich mich auf ein Beispiel beschränken soll, dann dieses: Nach einem Überfall auf einen Dönerimbiss gab es ein Gespräch mit BürgerInnen der Gemeinde. Ein Satz blieb mir dabei deutlich in Erinnerung, vielleicht weil er auf den Kernbereich des gesellschaftlichen Problems verweist. Eine Frau sagte: »Was die gemacht haben, war ja nicht richtig! Aber verstehen kann man das irgendwie!«
In den Statistiken über rechtsextreme Gewalttaten in Deutschland steht Brandenburg immer weit oben. Welchen Beitrag leistet Ihr Institut bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus und rechtsextremer Gewalt?
Wir helfen vor Ort, die unterschiedlichen Erscheinungsformen und Handlungsstrategien des Rechtsextremismus wahrnehmen zu lernen. Wir bestärken Menschen in ihren demokratischen Grundorientierungen und ermutigen sie, sich in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Entwicklungen zusammenzutun. Und wir befördern öffentliches Engagement zum Wohle des Gemeinwesens unter demokratischen Vorzeichen. Demokratische Teilhabemöglichkeiten zu entwickeln, ist der beste Schutz gegen rechte Rattenfängerei.
Welches Problem wird sich Ihrer Ansicht nach in Zukunft verstärkt stellen?
Es gibt Anzeichen, dass rechtsextreme Einstellungen von vielen Menschen nicht mehr als extrem empfunden werden. Dass die Demokratie nichts tauge, »bei Adolf« auch nicht alles schlecht gewesen sei, die Juden wieder viel zu viel Macht hätten usw., tönt nicht nur aus Propagandarohren rechtsextremer Parteien. Ich erwarte von uns allen, die Gefahren einer allmählichen Erosion demokratischen Bewusstseins endlich als die eigentliche Bedrohung zu erkennen. Darüber hinaus macht mir Sorge, dass Jugendliche immer mehr Gefahr laufen, Wertschätzung und Erfolgserlebnisse bei Rechtsextremen zu suchen. Bereits heute gehen Neonazis professionell auf diese Bedürfnisse ein. Einige der Akteure, die uns gestern mit Glatze oder Scheitel auf Nazi-Demonstrationen begegneten, studieren heute Jura und Sozialpädagogik und können morgen die Wege der rechten Szene lenken.
Alle Vereine, die sich in Ostdeutschland gegen Rechts engagieren, benötigen finanzielle Unterstützung. Was aber erwarten Sie darüber hinaus von der Politik?
Ach, wenn das mit dem Geld so einfach wäre! Häufig erleben sich ja engagierte BürgerInnen immer noch als BittstellerInnen, wenn sie – Demokratie stärkend – sinnvolle Projekte initiieren. Abgesehen davon müssten aus meiner Sicht manche jugendpolitische Diskussionen vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Auch sollte die ein oder andere Entscheidung zur Strukturentwicklung im Lande stärker die Empfindungen der BürgerInnen berücksichtigen, damit deren Teilhabe- und Mitgestaltungslust im demokratischen Gemeinwesen gestärkt wird. Die Menschen in den von den Zentren abgelegenen Gebieten müssen wieder die Erfahrung machen, dass Politik für sie aus ihrer dörflichen Perspektive und nicht aus der Stadt konzipiert und gestaltet wird.
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